Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

sich Frauenzimmern gegenüber begebe. Er geht jede Ver¬
bindung ein, ohne von seiner Seite auch nur irgend
etwas Andres zu gewähren, als daß er genießt, so lange
es seine Laune so will. Auf meinen ernsten Tadel und
meine eben so ernste Versicherung, daß ich ihn einsper¬
ren lassen würde, hätte ich Gewalt über ihn, erwiderte
er lachend, daß er nie von einem Frauenzimmer Liebe
verlangt, noch irgend einer mehr als augenblickliche Nei¬
gung versprochen habe. Es sei ein rechtliches Contrakts¬
verhältniß; daß man von der andern Seite oft mehr
präsumire, wäre nicht seine Schuld. Was soll ich
mit ihm anfangen? Soll ich ihn der Polizei anzei¬
gen? Die betrachtet blos die moralisch Buckligen,
Lahmen etc.; sie ist nur für äußere Uebel da, die jeder
andere Mensch auch sieht; soll ich ihm unaufhörlich
Steckbriefe schreiben und seine Umgebungen vor ihm
warnen, wie ein Gensd'armes mit blanker Klinge neben
ihm herreiten? Wenn ich ihn nur überzeugen könnte,
daß er unter unsern bürgerlichen Konstellationen Unrecht
habe, daß man dem Verbande einer Gesellschaft Vieler¬
lei, so auch dieses zum Opfer bringen müßte. So lange
das Verhältniß zwischen Mann und Weib noch nicht
anders geordnet ist als wie jetzt in das traurige Ein¬

ſich Frauenzimmern gegenüber begebe. Er geht jede Ver¬
bindung ein, ohne von ſeiner Seite auch nur irgend
etwas Andres zu gewähren, als daß er genießt, ſo lange
es ſeine Laune ſo will. Auf meinen ernſten Tadel und
meine eben ſo ernſte Verſicherung, daß ich ihn einſper¬
ren laſſen würde, hätte ich Gewalt über ihn, erwiderte
er lachend, daß er nie von einem Frauenzimmer Liebe
verlangt, noch irgend einer mehr als augenblickliche Nei¬
gung verſprochen habe. Es ſei ein rechtliches Contrakts¬
verhältniß; daß man von der andern Seite oft mehr
präſumire, wäre nicht ſeine Schuld. Was ſoll ich
mit ihm anfangen? Soll ich ihn der Polizei anzei¬
gen? Die betrachtet blos die moraliſch Buckligen,
Lahmen ꝛc.; ſie iſt nur für äußere Uebel da, die jeder
andere Menſch auch ſieht; ſoll ich ihm unaufhörlich
Steckbriefe ſchreiben und ſeine Umgebungen vor ihm
warnen, wie ein Gensd'armes mit blanker Klinge neben
ihm herreiten? Wenn ich ihn nur überzeugen könnte,
daß er unter unſern bürgerlichen Konſtellationen Unrecht
habe, daß man dem Verbande einer Geſellſchaft Vieler¬
lei, ſo auch dieſes zum Opfer bringen müßte. So lange
das Verhältniß zwiſchen Mann und Weib noch nicht
anders geordnet iſt als wie jetzt in das traurige Ein¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="13"/>
&#x017F;ich Frauenzimmern gegenüber begebe. Er geht jede Ver¬<lb/>
bindung ein, ohne von &#x017F;einer Seite auch nur irgend<lb/>
etwas Andres zu gewähren, als daß er genießt, &#x017F;o lange<lb/>
es &#x017F;eine Laune &#x017F;o will. Auf meinen ern&#x017F;ten Tadel und<lb/>
meine eben &#x017F;o ern&#x017F;te Ver&#x017F;icherung, daß ich ihn ein&#x017F;per¬<lb/>
ren la&#x017F;&#x017F;en würde, hätte ich Gewalt über ihn, erwiderte<lb/>
er lachend, daß er nie von einem Frauenzimmer Liebe<lb/>
verlangt, noch irgend einer mehr als augenblickliche Nei¬<lb/>
gung ver&#x017F;prochen habe. Es &#x017F;ei ein rechtliches Contrakts¬<lb/>
verhältniß; daß man von der andern Seite oft mehr<lb/>
prä&#x017F;umire, wäre nicht &#x017F;eine Schuld. Was &#x017F;oll ich<lb/>
mit ihm anfangen? Soll ich ihn der Polizei anzei¬<lb/>
gen? Die betrachtet blos die morali&#x017F;ch Buckligen,<lb/>
Lahmen &#xA75B;c.; &#x017F;ie i&#x017F;t nur für äußere Uebel da, die jeder<lb/>
andere Men&#x017F;ch auch &#x017F;ieht; &#x017F;oll ich ihm unaufhörlich<lb/>
Steckbriefe &#x017F;chreiben und &#x017F;eine Umgebungen vor ihm<lb/>
warnen, wie ein Gensd'armes mit blanker Klinge neben<lb/>
ihm herreiten? Wenn ich ihn nur überzeugen könnte,<lb/>
daß er unter un&#x017F;ern bürgerlichen Kon&#x017F;tellationen Unrecht<lb/>
habe, daß man dem Verbande einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft Vieler¬<lb/>
lei, &#x017F;o auch die&#x017F;es zum Opfer bringen müßte. So lange<lb/>
das Verhältniß zwi&#x017F;chen Mann und Weib noch nicht<lb/>
anders geordnet i&#x017F;t als wie jetzt in das traurige Ein¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0025] ſich Frauenzimmern gegenüber begebe. Er geht jede Ver¬ bindung ein, ohne von ſeiner Seite auch nur irgend etwas Andres zu gewähren, als daß er genießt, ſo lange es ſeine Laune ſo will. Auf meinen ernſten Tadel und meine eben ſo ernſte Verſicherung, daß ich ihn einſper¬ ren laſſen würde, hätte ich Gewalt über ihn, erwiderte er lachend, daß er nie von einem Frauenzimmer Liebe verlangt, noch irgend einer mehr als augenblickliche Nei¬ gung verſprochen habe. Es ſei ein rechtliches Contrakts¬ verhältniß; daß man von der andern Seite oft mehr präſumire, wäre nicht ſeine Schuld. Was ſoll ich mit ihm anfangen? Soll ich ihn der Polizei anzei¬ gen? Die betrachtet blos die moraliſch Buckligen, Lahmen ꝛc.; ſie iſt nur für äußere Uebel da, die jeder andere Menſch auch ſieht; ſoll ich ihm unaufhörlich Steckbriefe ſchreiben und ſeine Umgebungen vor ihm warnen, wie ein Gensd'armes mit blanker Klinge neben ihm herreiten? Wenn ich ihn nur überzeugen könnte, daß er unter unſern bürgerlichen Konſtellationen Unrecht habe, daß man dem Verbande einer Geſellſchaft Vieler¬ lei, ſo auch dieſes zum Opfer bringen müßte. So lange das Verhältniß zwiſchen Mann und Weib noch nicht anders geordnet iſt als wie jetzt in das traurige Ein¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/25
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/25>, abgerufen am 24.11.2024.