wir schwatzen kosend wie zwei Vögel, die auf zwei Aesten sitzen, da schlägt es elf. "Einen Kuß, Desde¬ mona, ich gehe." Und das liebe Weib biegt sich weit heraus und bietet mir ihr Auge hin. "Gut' Nacht Hyppolit," sagt sie -- Gut' Nacht Desdemona, und die Vöglein flattern von einander.
In wenig Minuten war ich an der Gartenthür, auf dem Balkon, im Bibliothekzimmer, ich suchte mir Heinses Ardinghello, streckte mich aufs Sopha, und las beim Schein der Astrallampen, die den weiten Raum erhellten.
Wie amüsiren mich Eure langen Gesichter, wenn Ihr von dieser Impietät hört, wie man in voller Gluth von einem Weibe zum andern laufen, jetzt diese, eine Viertelstunde später jene umarmen könne. O ihr ar¬ men Leute! Wie können die Bettler den reichen Mann begreifen, der links und rechts ohne Noth Gold spen¬ det? Ich habe Leben für eine Million, komme Mil¬ lion und liebe mich! Wie sollt' ich geizen? Euer ge¬ wöhnlicher Don Juan ist ein lüderlicher sinnlicher Wicht. Aber weil Ihr einmal wißt, daß den der Teufel holt, so haltet Ihr Jeden für des Teufels Beute, der nur zufällig ein ähnliches Wamms trägt wie Euer Opern¬
wir ſchwatzen koſend wie zwei Vögel, die auf zwei Aeſten ſitzen, da ſchlägt es elf. „Einen Kuß, Desde¬ mona, ich gehe.“ Und das liebe Weib biegt ſich weit heraus und bietet mir ihr Auge hin. „Gut' Nacht Hyppolit,“ ſagt ſie — Gut' Nacht Desdemona, und die Vöglein flattern von einander.
In wenig Minuten war ich an der Gartenthür, auf dem Balkon, im Bibliothekzimmer, ich ſuchte mir Heinſes Ardinghello, ſtreckte mich aufs Sopha, und las beim Schein der Aſtrallampen, die den weiten Raum erhellten.
Wie amüſiren mich Eure langen Geſichter, wenn Ihr von dieſer Impietät hört, wie man in voller Gluth von einem Weibe zum andern laufen, jetzt dieſe, eine Viertelſtunde ſpäter jene umarmen könne. O ihr ar¬ men Leute! Wie können die Bettler den reichen Mann begreifen, der links und rechts ohne Noth Gold ſpen¬ det? Ich habe Leben für eine Million, komme Mil¬ lion und liebe mich! Wie ſollt' ich geizen? Euer ge¬ wöhnlicher Don Juan iſt ein lüderlicher ſinnlicher Wicht. Aber weil Ihr einmal wißt, daß den der Teufel holt, ſo haltet Ihr Jeden für des Teufels Beute, der nur zufällig ein ähnliches Wamms trägt wie Euer Opern¬
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wir ſchwatzen koſend wie zwei Vögel, die auf zwei
Aeſten ſitzen, da ſchlägt es elf. „Einen Kuß, Desde¬
mona, ich gehe.“ Und das liebe Weib biegt ſich weit
heraus und bietet mir ihr Auge hin. „Gut' Nacht
Hyppolit,“ ſagt ſie — Gut' Nacht Desdemona, und
die Vöglein flattern von einander.
In wenig Minuten war ich an der Gartenthür,
auf dem Balkon, im Bibliothekzimmer, ich ſuchte mir
Heinſes Ardinghello, ſtreckte mich aufs Sopha, und
las beim Schein der Aſtrallampen, die den weiten
Raum erhellten.
Wie amüſiren mich Eure langen Geſichter, wenn
Ihr von dieſer Impietät hört, wie man in voller Gluth
von einem Weibe zum andern laufen, jetzt dieſe, eine
Viertelſtunde ſpäter jene umarmen könne. O ihr ar¬
men Leute! Wie können die Bettler den reichen Mann
begreifen, der links und rechts ohne Noth Gold ſpen¬
det? Ich habe Leben für eine Million, komme Mil¬
lion und liebe mich! Wie ſollt' ich geizen? Euer ge¬
wöhnlicher Don Juan iſt ein lüderlicher ſinnlicher Wicht.
Aber weil Ihr einmal wißt, daß den der Teufel holt,
ſo haltet Ihr Jeden für des Teufels Beute, der nur
zufällig ein ähnliches Wamms trägt wie Euer Opern¬
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/138>, abgerufen am 17.02.2025.
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