ßeren Grad von Freiheit und Stärke entwickeln, als wer eine Fürstin in goldnen Zimmern findet, wo auch die leiseste Störung scheu nicht in die Nähe zu treten wagt. Nur die sentimentale, eine Jugendliebe, die Raserei der Liebe wächst unter erschwerenden Umgebun¬ gen -- die Romanschreiber, die den Satz überall gel¬ ten lassen, verstehen nichts davon. Wie käme jeder arme Novellist in seiner kleinen Bürgerstadt mit seinen paar Papierthalern Honorar in Kreise, wo die Spi¬ rallinien des Wunsches in weiten freien Bogen springen! Daß so Wenige von den äußerlich Begünstigten Ro¬ mane schrieben, daß diese freiste schönste Dichtungsart so fast lediglich den armen Teufeln überlassen ist, bringt so viel Jämmerlichkeit, zusammengeschnürte Herzen in unsre Poesie. -- Es ist ein ander Ding, daß die Liebe durch Hindernisse wachse -- wer möchte das leugnen, aber der Feind muß des Kampfes werth, der Feind muß gewaltig die höheren Thätigkeiten aufregend sein, -- wer und was ist denn aber der gewöhnliche Feind Eurer Liebschaften? Ein kleines Kastenherz, was die leben¬ digsten Pulsschläge als zu kühn und illegitim fürchtet, jämmerliche Furcht vor einigen herkömmlichen Rücksichten, die nicht erlaubt glücklich zu sein, weil's tausend andre
ßeren Grad von Freiheit und Stärke entwickeln, als wer eine Fürſtin in goldnen Zimmern findet, wo auch die leiſeſte Störung ſcheu nicht in die Nähe zu treten wagt. Nur die ſentimentale, eine Jugendliebe, die Raſerei der Liebe wächſt unter erſchwerenden Umgebun¬ gen — die Romanſchreiber, die den Satz überall gel¬ ten laſſen, verſtehen nichts davon. Wie käme jeder arme Novelliſt in ſeiner kleinen Bürgerſtadt mit ſeinen paar Papierthalern Honorar in Kreiſe, wo die Spi¬ rallinien des Wunſches in weiten freien Bogen ſpringen! Daß ſo Wenige von den äußerlich Begünſtigten Ro¬ mane ſchrieben, daß dieſe freiſte ſchönſte Dichtungsart ſo faſt lediglich den armen Teufeln überlaſſen iſt, bringt ſo viel Jämmerlichkeit, zuſammengeſchnürte Herzen in unſre Poeſie. — Es iſt ein ander Ding, daß die Liebe durch Hinderniſſe wachſe — wer möchte das leugnen, aber der Feind muß des Kampfes werth, der Feind muß gewaltig die höheren Thätigkeiten aufregend ſein, — wer und was iſt denn aber der gewöhnliche Feind Eurer Liebſchaften? Ein kleines Kaſtenherz, was die leben¬ digſten Pulsſchläge als zu kühn und illegitim fürchtet, jämmerliche Furcht vor einigen herkömmlichen Rückſichten, die nicht erlaubt glücklich zu ſein, weil's tauſend andre
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ßeren Grad von Freiheit und Stärke entwickeln, als
wer eine Fürſtin in goldnen Zimmern findet, wo auch
die leiſeſte Störung ſcheu nicht in die Nähe zu treten
wagt. Nur die ſentimentale, eine Jugendliebe, die
Raſerei der Liebe wächſt unter erſchwerenden Umgebun¬
gen — die Romanſchreiber, die den Satz überall gel¬
ten laſſen, verſtehen nichts davon. Wie käme jeder
arme Novelliſt in ſeiner kleinen Bürgerſtadt mit ſeinen
paar Papierthalern Honorar in Kreiſe, wo die Spi¬
rallinien des Wunſches in weiten freien Bogen ſpringen!
Daß ſo Wenige von den äußerlich Begünſtigten Ro¬
mane ſchrieben, daß dieſe freiſte ſchönſte Dichtungsart
ſo faſt lediglich den armen Teufeln überlaſſen iſt, bringt
ſo viel Jämmerlichkeit, zuſammengeſchnürte Herzen in
unſre Poeſie. — Es iſt ein ander Ding, daß die Liebe
durch Hinderniſſe wachſe — wer möchte das leugnen,
aber der Feind muß des Kampfes werth, der Feind
muß gewaltig die höheren Thätigkeiten aufregend ſein, —
wer und was iſt denn aber der gewöhnliche Feind Eurer
Liebſchaften? Ein kleines Kaſtenherz, was die leben¬
digſten Pulsſchläge als zu kühn und illegitim fürchtet,
jämmerliche Furcht vor einigen herkömmlichen Rückſichten,
die nicht erlaubt glücklich zu ſein, weil's tauſend andre
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/126>, abgerufen am 16.07.2024.
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