Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bernsteinhexe.
auf die Marie geworfen? Ja doch, ja, hier soll's denn
endlich gesagt sein, ich liebe sie mit unbeschreiblicher Hef-
tigkeit, und ich muß sie besitzen, oder ich muß sie vernichten.
So weit sind wir jetzt. Leichtlich zurück kann ich auch
nicht mehr, seit sie bekannt hat. Aber wenn ich will, muß
Alles biegen. Wählt also: Ueberlaßt mir Euer Kind,
oder schickt es zum Tode und Euch hinterher! Tödtet zwei
Menschen um einer Grille halber, und nennt das tugend-
haft!
Schweidler.
O mein Gott, verlaß mich nicht!
Wittich.
Nun, wie rechnet Eure fromme Weisheit?
Schweidler.
Ach, ich bin unweise in meiner Todesangst. Aber,
Herr, es ist doch sündhaft, sein Kind einem ungeweihten
Liebeswandel zu überantworten!
Wittich.
Was ist's gegen Todtschlag! Wird nicht in der Bibel
der Ehebrecherin vergeben? Wie handelte David am
Urias? Und ward doch ein gottseliger Mann! Aber wo
leset Jhr, daß ein Mensch selig geworden, der muthwillig
sich und seinem Vater das Leben genommen? Und das
thut Eure Marie in einem falsch-tugendhaften Hochmuthe
-- seht Jhr das nicht ein?!
Die Bernſteinhexe.
auf die Marie geworfen? Ja doch, ja, hier ſoll’s denn
endlich geſagt ſein, ich liebe ſie mit unbeſchreiblicher Hef-
tigkeit, und ich muß ſie beſitzen, oder ich muß ſie vernichten.
So weit ſind wir jetzt. Leichtlich zuruͤck kann ich auch
nicht mehr, ſeit ſie bekannt hat. Aber wenn ich will, muß
Alles biegen. Waͤhlt alſo: Ueberlaßt mir Euer Kind,
oder ſchickt es zum Tode und Euch hinterher! Toͤdtet zwei
Menſchen um einer Grille halber, und nennt das tugend-
haft!
Schweidler.
O mein Gott, verlaß mich nicht!
Wittich.
Nun, wie rechnet Eure fromme Weisheit?
Schweidler.
Ach, ich bin unweiſe in meiner Todesangſt. Aber,
Herr, es iſt doch ſuͤndhaft, ſein Kind einem ungeweihten
Liebeswandel zu uͤberantworten!
Wittich.
Was iſt’s gegen Todtſchlag! Wird nicht in der Bibel
der Ehebrecherin vergeben? Wie handelte David am
Urias? Und ward doch ein gottſeliger Mann! Aber wo
leſet Jhr, daß ein Menſch ſelig geworden, der muthwillig
ſich und ſeinem Vater das Leben genommen? Und das
thut Eure Marie in einem falſch-tugendhaften Hochmuthe
— ſeht Jhr das nicht ein?!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#WIT">
              <p><pb facs="#f0224" n="218"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Bern&#x017F;teinhexe</hi>.</fw><lb/>
auf die Marie geworfen? Ja doch, ja, hier &#x017F;oll&#x2019;s denn<lb/>
endlich ge&#x017F;agt &#x017F;ein, ich liebe &#x017F;ie mit unbe&#x017F;chreiblicher Hef-<lb/>
tigkeit, und ich muß &#x017F;ie be&#x017F;itzen, oder ich muß &#x017F;ie vernichten.<lb/>
So weit &#x017F;ind wir jetzt. Leichtlich zuru&#x0364;ck kann ich auch<lb/>
nicht mehr, &#x017F;eit &#x017F;ie bekannt hat. Aber wenn ich will, muß<lb/>
Alles biegen. Wa&#x0364;hlt al&#x017F;o: Ueberlaßt mir Euer Kind,<lb/>
oder &#x017F;chickt es zum Tode und Euch hinterher! To&#x0364;dtet zwei<lb/>
Men&#x017F;chen um einer Grille halber, und nennt das tugend-<lb/>
haft!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCH">
              <speaker> <hi rendition="#b">Schweidler.</hi> </speaker><lb/>
              <p>O mein Gott, verlaß mich nicht!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WIT">
              <speaker> <hi rendition="#b">Wittich.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Nun, wie rechnet Eure fromme Weisheit?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCH">
              <speaker> <hi rendition="#b">Schweidler.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Ach, ich bin unwei&#x017F;e in meiner Todesang&#x017F;t. Aber,<lb/>
Herr, es i&#x017F;t doch &#x017F;u&#x0364;ndhaft, &#x017F;ein Kind einem ungeweihten<lb/>
Liebeswandel zu u&#x0364;berantworten!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WIT">
              <speaker> <hi rendition="#b">Wittich.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Was i&#x017F;t&#x2019;s gegen Todt&#x017F;chlag! Wird nicht in der Bibel<lb/>
der Ehebrecherin vergeben? Wie handelte David am<lb/>
Urias? Und ward doch ein gott&#x017F;eliger Mann! Aber wo<lb/>
le&#x017F;et Jhr, daß ein Men&#x017F;ch &#x017F;elig geworden, der muthwillig<lb/>
&#x017F;ich und &#x017F;einem Vater das Leben genommen? Und das<lb/>
thut Eure Marie in einem fal&#x017F;ch-tugendhaften Hochmuthe<lb/>
&#x2014; &#x017F;eht Jhr das nicht ein?!</p>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0224] Die Bernſteinhexe. auf die Marie geworfen? Ja doch, ja, hier ſoll’s denn endlich geſagt ſein, ich liebe ſie mit unbeſchreiblicher Hef- tigkeit, und ich muß ſie beſitzen, oder ich muß ſie vernichten. So weit ſind wir jetzt. Leichtlich zuruͤck kann ich auch nicht mehr, ſeit ſie bekannt hat. Aber wenn ich will, muß Alles biegen. Waͤhlt alſo: Ueberlaßt mir Euer Kind, oder ſchickt es zum Tode und Euch hinterher! Toͤdtet zwei Menſchen um einer Grille halber, und nennt das tugend- haft! Schweidler. O mein Gott, verlaß mich nicht! Wittich. Nun, wie rechnet Eure fromme Weisheit? Schweidler. Ach, ich bin unweiſe in meiner Todesangſt. Aber, Herr, es iſt doch ſuͤndhaft, ſein Kind einem ungeweihten Liebeswandel zu uͤberantworten! Wittich. Was iſt’s gegen Todtſchlag! Wird nicht in der Bibel der Ehebrecherin vergeben? Wie handelte David am Urias? Und ward doch ein gottſeliger Mann! Aber wo leſet Jhr, daß ein Menſch ſelig geworden, der muthwillig ſich und ſeinem Vater das Leben genommen? Und das thut Eure Marie in einem falſch-tugendhaften Hochmuthe — ſeht Jhr das nicht ein?!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/224
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/224>, abgerufen am 22.11.2024.