Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Apoikis. Schuhe nannte. Jch muß gestehen, daß ich ihn nichtganz verstand, und ich kam mir immer mehr barbarisch diesem civilisirten Hellenen gegenüber vor. Doch ersah ich so viel, daß die Sohlen, welche aus Metallstreifen zusammengesetzt waren, bei der Berührung mit dem Wasser dasselbe unter lebhaftem Aufbrausen so stark zersetzten, daß ein Einsinken unmöglich wurde. Jch faßte Mut, legte die Anthydors an und bewegte mich, von meinem Führer gestützt, zu Fuße über das Wasser, nicht ohne Bangen und Beschämung ob meiner Unkenntnis. Ach, mein Stolz auf die europäische Kultur des neunzehnten Jahrhunderts sollte bald noch tiefer, ganz tief sinken. Jch sah jetzt, daß gleich uns viele andere über das Wasser gemütlich fortschritten, ich sah aber zugleich in ihren Händen Jnstrumente und rings um mich, auf dem Wasser, an den Ufern und an den Häusern Vorrichtungen aller Art, die mir gänzlich fremd waren. Ein Wilder, der eine unserer europäischen Hauptstädte betritt, kann vor allen Erfindungen der Neuzeit nicht dümmer stehen, als ich vor den Kunstwerken von Apoikis. Mein Führer bog aus einer Straße auf einen weiten Apoikis. Schuhe nannte. Jch muß geſtehen, daß ich ihn nichtganz verſtand, und ich kam mir immer mehr barbariſch dieſem civiliſirten Hellenen gegenüber vor. Doch erſah ich ſo viel, daß die Sohlen, welche aus Metallſtreifen zuſammengeſetzt waren, bei der Berührung mit dem Waſſer dasſelbe unter lebhaftem Aufbrauſen ſo ſtark zerſetzten, daß ein Einſinken unmöglich wurde. Jch faßte Mut, legte die Anthydors an und bewegte mich, von meinem Führer geſtützt, zu Fuße über das Waſſer, nicht ohne Bangen und Beſchämung ob meiner Unkenntnis. Ach, mein Stolz auf die europäiſche Kultur des neunzehnten Jahrhunderts ſollte bald noch tiefer, ganz tief ſinken. Jch ſah jetzt, daß gleich uns viele andere über das Waſſer gemütlich fortſchritten, ich ſah aber zugleich in ihren Händen Jnſtrumente und rings um mich, auf dem Waſſer, an den Ufern und an den Häuſern Vorrichtungen aller Art, die mir gänzlich fremd waren. Ein Wilder, der eine unſerer europäiſchen Hauptſtädte betritt, kann vor allen Erfindungen der Neuzeit nicht dümmer ſtehen, als ich vor den Kunſtwerken von Apoikis. Mein Führer bog aus einer Straße auf einen weiten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="45"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Apoikis.</hi></fw><lb/> Schuhe nannte. Jch muß geſtehen, daß ich ihn nicht<lb/> ganz verſtand, und ich kam mir immer mehr barbariſch<lb/> dieſem civiliſirten Hellenen gegenüber vor. Doch erſah<lb/> ich ſo viel, daß die Sohlen, welche aus Metallſtreifen<lb/> zuſammengeſetzt waren, bei der Berührung mit dem Waſſer<lb/> dasſelbe unter lebhaftem Aufbrauſen ſo ſtark zerſetzten,<lb/> daß ein Einſinken unmöglich wurde. Jch faßte Mut,<lb/> legte die Anthydors an und bewegte mich, von meinem<lb/> Führer geſtützt, zu Fuße über das Waſſer, nicht ohne<lb/> Bangen und Beſchämung ob meiner Unkenntnis. Ach,<lb/> mein Stolz auf die europäiſche Kultur des neunzehnten<lb/> Jahrhunderts ſollte bald noch tiefer, ganz tief ſinken.<lb/> Jch ſah jetzt, daß gleich uns viele andere über das<lb/> Waſſer gemütlich fortſchritten, ich ſah aber zugleich in<lb/> ihren Händen Jnſtrumente und rings um mich, auf dem<lb/> Waſſer, an den Ufern und an den Häuſern Vorrichtungen<lb/> aller Art, die mir gänzlich fremd waren. Ein Wilder,<lb/> der eine unſerer europäiſchen Hauptſtädte betritt, kann<lb/> vor allen Erfindungen der Neuzeit nicht dümmer ſtehen,<lb/> als ich vor den Kunſtwerken von Apoikis.</p><lb/> <p>Mein Führer bog aus einer Straße auf einen weiten<lb/> Platz ein, als plötzlich aus dem uns umgebenden Gewühl<lb/> von Menſchen ein Mann, in ähnlicher Kleidung wie mein<lb/> Begleiter, hervorſtürzte und mir ungeſtüm um den Hals<lb/> fiel. „Ehbert,“ rief er auf deutſch, „wie kommſt Du<lb/> nach Apoikis?“ Mein Führer trat nicht ohne Ehrerbietung<lb/> vor dem Herangekommenen zurück, während ich mich<lb/> kurze Zeit beſinnen mußte, wen ich vor mir habe. Denn<lb/> das ungewohnte Koſtüm befremdete mich. Dann<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0051]
Apoikis.
Schuhe nannte. Jch muß geſtehen, daß ich ihn nicht
ganz verſtand, und ich kam mir immer mehr barbariſch
dieſem civiliſirten Hellenen gegenüber vor. Doch erſah
ich ſo viel, daß die Sohlen, welche aus Metallſtreifen
zuſammengeſetzt waren, bei der Berührung mit dem Waſſer
dasſelbe unter lebhaftem Aufbrauſen ſo ſtark zerſetzten,
daß ein Einſinken unmöglich wurde. Jch faßte Mut,
legte die Anthydors an und bewegte mich, von meinem
Führer geſtützt, zu Fuße über das Waſſer, nicht ohne
Bangen und Beſchämung ob meiner Unkenntnis. Ach,
mein Stolz auf die europäiſche Kultur des neunzehnten
Jahrhunderts ſollte bald noch tiefer, ganz tief ſinken.
Jch ſah jetzt, daß gleich uns viele andere über das
Waſſer gemütlich fortſchritten, ich ſah aber zugleich in
ihren Händen Jnſtrumente und rings um mich, auf dem
Waſſer, an den Ufern und an den Häuſern Vorrichtungen
aller Art, die mir gänzlich fremd waren. Ein Wilder,
der eine unſerer europäiſchen Hauptſtädte betritt, kann
vor allen Erfindungen der Neuzeit nicht dümmer ſtehen,
als ich vor den Kunſtwerken von Apoikis.
Mein Führer bog aus einer Straße auf einen weiten
Platz ein, als plötzlich aus dem uns umgebenden Gewühl
von Menſchen ein Mann, in ähnlicher Kleidung wie mein
Begleiter, hervorſtürzte und mir ungeſtüm um den Hals
fiel. „Ehbert,“ rief er auf deutſch, „wie kommſt Du
nach Apoikis?“ Mein Führer trat nicht ohne Ehrerbietung
vor dem Herangekommenen zurück, während ich mich
kurze Zeit beſinnen mußte, wen ich vor mir habe. Denn
das ungewohnte Koſtüm befremdete mich. Dann
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