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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Apoikis.
während des zehn Minuten langen Weges nicht um mich
bekümmert) und richtete eine Frage an mich. Die
Sprache klang mir im ersten Augenblicke fremd, und ich
hätte ihn vielleicht nicht verstanden, wenn nicht der
hellenische Gesamt-Charakter unserer Umgebung plötzlich
den Gedanken in mir hätte aufleuchten lassen: Das ist
griechisch. Und als er seine Frage wiederholte, verstand
ich sie auch, nur die ungewohnte Aussprache hatte mich
stutzig gemacht. Er fragte mich, aus welchem Lande ich
stamme und wie ich auf diese Jnsel gekommen sei, auch
ob ich wüßte, welche Stadt vor meinen Augen läge. Es
schien mir, daß er wohl keine Antwort auf seine Fragen
erwartete, sondern sie nur gestellt hatte, um sich von
meinem Barbarentum zu überzeugen; denn als ich nach
bestem Vermögen in klassischem Griechisch, freilich in ihm
offenbar befremdlicher, aber doch verständlicher Aussprache
Antwort gab, nahmen seine Mienen den Ausdruck
freudigen Erstaunens an. Er wurde plötzlich freundlich,
reichte mir die Hand und sagte: "Willkommen in
Apoikis, wer du auch seist; die Sprache der Hellenen
bewahrt dir die Freiheit." Darauf nahm er vom Ufer-
rande ein paar eigentümlich geformte Schuhe, die er
mir reichte, während er ein gleiches Paar an seinen
Füßen befestigte und damit aufs Wasser hinaustrat, als
sei es festes Land. Jch stand natürlich höchst verdutzt
da, unwissend was ich beginnen sollte, etwa wie ein
Feuerländer, dem man ein Opernglas reicht mit der
Bitte, sich zu bedienen. Der Apoikier lächelte und er-
klärte mir den Gebrauch der Anthydors, wie er die

Apoikis.
während des zehn Minuten langen Weges nicht um mich
bekümmert) und richtete eine Frage an mich. Die
Sprache klang mir im erſten Augenblicke fremd, und ich
hätte ihn vielleicht nicht verſtanden, wenn nicht der
helleniſche Geſamt-Charakter unſerer Umgebung plötzlich
den Gedanken in mir hätte aufleuchten laſſen: Das iſt
griechiſch. Und als er ſeine Frage wiederholte, verſtand
ich ſie auch, nur die ungewohnte Ausſprache hatte mich
ſtutzig gemacht. Er fragte mich, aus welchem Lande ich
ſtamme und wie ich auf dieſe Jnſel gekommen ſei, auch
ob ich wüßte, welche Stadt vor meinen Augen läge. Es
ſchien mir, daß er wohl keine Antwort auf ſeine Fragen
erwartete, ſondern ſie nur geſtellt hatte, um ſich von
meinem Barbarentum zu überzeugen; denn als ich nach
beſtem Vermögen in klaſſiſchem Griechiſch, freilich in ihm
offenbar befremdlicher, aber doch verſtändlicher Ausſprache
Antwort gab, nahmen ſeine Mienen den Ausdruck
freudigen Erſtaunens an. Er wurde plötzlich freundlich,
reichte mir die Hand und ſagte: „Willkommen in
Apoikis, wer du auch ſeiſt; die Sprache der Hellenen
bewahrt dir die Freiheit.“ Darauf nahm er vom Ufer-
rande ein paar eigentümlich geformte Schuhe, die er
mir reichte, während er ein gleiches Paar an ſeinen
Füßen befeſtigte und damit aufs Waſſer hinaustrat, als
ſei es feſtes Land. Jch ſtand natürlich höchſt verdutzt
da, unwiſſend was ich beginnen ſollte, etwa wie ein
Feuerländer, dem man ein Opernglas reicht mit der
Bitte, ſich zu bedienen. Der Apoikier lächelte und er-
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[44/0050] Apoikis. während des zehn Minuten langen Weges nicht um mich bekümmert) und richtete eine Frage an mich. Die Sprache klang mir im erſten Augenblicke fremd, und ich hätte ihn vielleicht nicht verſtanden, wenn nicht der helleniſche Geſamt-Charakter unſerer Umgebung plötzlich den Gedanken in mir hätte aufleuchten laſſen: Das iſt griechiſch. Und als er ſeine Frage wiederholte, verſtand ich ſie auch, nur die ungewohnte Ausſprache hatte mich ſtutzig gemacht. Er fragte mich, aus welchem Lande ich ſtamme und wie ich auf dieſe Jnſel gekommen ſei, auch ob ich wüßte, welche Stadt vor meinen Augen läge. Es ſchien mir, daß er wohl keine Antwort auf ſeine Fragen erwartete, ſondern ſie nur geſtellt hatte, um ſich von meinem Barbarentum zu überzeugen; denn als ich nach beſtem Vermögen in klaſſiſchem Griechiſch, freilich in ihm offenbar befremdlicher, aber doch verſtändlicher Ausſprache Antwort gab, nahmen ſeine Mienen den Ausdruck freudigen Erſtaunens an. Er wurde plötzlich freundlich, reichte mir die Hand und ſagte: „Willkommen in Apoikis, wer du auch ſeiſt; die Sprache der Hellenen bewahrt dir die Freiheit.“ Darauf nahm er vom Ufer- rande ein paar eigentümlich geformte Schuhe, die er mir reichte, während er ein gleiches Paar an ſeinen Füßen befeſtigte und damit aufs Waſſer hinaustrat, als ſei es feſtes Land. Jch ſtand natürlich höchſt verdutzt da, unwiſſend was ich beginnen ſollte, etwa wie ein Feuerländer, dem man ein Opernglas reicht mit der Bitte, ſich zu bedienen. Der Apoikier lächelte und er- klärte mir den Gebrauch der Anthydors, wie er die

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/50>, abgerufen am 28.03.2024.