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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Auf der Seifenblase.
finden; sie fliegen als unentdeckbares Stäubchen irgendwo
umher und mit ihnen die Beweise meines Aufenthaltes
auf der Seifenblase.

Wir mochten ungefähr zwei Jahre unter den Sa-
poniern gelebt haben, als die Spannung zwischen den
unter ihnen hauptsächlich vertretenen Lehrmeinungen
einen besonders hohen Grad erreichte. Die Überlieferung
der älteren Schule über die Beschaffenheit der Welt war
nämlich durch einen höchst bedeutenden Naturforscher,
Namens Glagli, energisch angegriffen worden, welchem
die jüngere progressistische Richtung lebhaft beifiel. Man
hatte daher, wie dies in solchen Fällen üblich ist, Glagli
vor den Richterstuhl der "Akademie der Denkenden"
gefordert, um zu entscheiden, ob seine Jdeen und Ent-
deckungen im Jnteresse des Staates und der Ordnung
zu dulden seien. Die Gegner Glaglis stützten sich be-
sonders darauf, daß die neuen Lehren den alten und
unumstößlichen Grundgesetzen der "Denkenden" wider-
sprächen. Sie verlangten daher, daß Glagli entweder
seine Lehre widerrufen oder der auf die Jrrlehre ge-
setzten Strafe verfallen solle. Namentlich fanden sie
folgende drei Punkte aus der Lehre Glagli's für irr-
tümlich und verderblich:

Erstens: Die Welt ist inwendig hohl, mit Luft ge-
füllt, und ihre Rinde ist nur dreihundert Ellen dick.
Dagegen wendeten sie ein: Wäre der Boden, auf welchem
sich die "Denkenden" bewegen, hohl, so würde er schon
längst gebrochen sein. Es stehe aber in dem Buche des
alten Weltweisen Emso (das ist der saponische Aristo-

Laßwitz, Seifenblasen. 2

Auf der Seifenblaſe.
finden; ſie fliegen als unentdeckbares Stäubchen irgendwo
umher und mit ihnen die Beweiſe meines Aufenthaltes
auf der Seifenblaſe.

Wir mochten ungefähr zwei Jahre unter den Sa-
poniern gelebt haben, als die Spannung zwiſchen den
unter ihnen hauptſächlich vertretenen Lehrmeinungen
einen beſonders hohen Grad erreichte. Die Überlieferung
der älteren Schule über die Beſchaffenheit der Welt war
nämlich durch einen höchſt bedeutenden Naturforſcher,
Namens Glagli, energiſch angegriffen worden, welchem
die jüngere progreſſiſtiſche Richtung lebhaft beifiel. Man
hatte daher, wie dies in ſolchen Fällen üblich iſt, Glagli
vor den Richterſtuhl der „Akademie der Denkenden“
gefordert, um zu entſcheiden, ob ſeine Jdeen und Ent-
deckungen im Jntereſſe des Staates und der Ordnung
zu dulden ſeien. Die Gegner Glaglis ſtützten ſich be-
ſonders darauf, daß die neuen Lehren den alten und
unumſtößlichen Grundgeſetzen der „Denkenden“ wider-
ſprächen. Sie verlangten daher, daß Glagli entweder
ſeine Lehre widerrufen oder der auf die Jrrlehre ge-
ſetzten Strafe verfallen ſolle. Namentlich fanden ſie
folgende drei Punkte aus der Lehre Glagli’s für irr-
tümlich und verderblich:

Erſtens: Die Welt iſt inwendig hohl, mit Luft ge-
füllt, und ihre Rinde iſt nur dreihundert Ellen dick.
Dagegen wendeten ſie ein: Wäre der Boden, auf welchem
ſich die „Denkenden“ bewegen, hohl, ſo würde er ſchon
längſt gebrochen ſein. Es ſtehe aber in dem Buche des
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[17/0023] Auf der Seifenblaſe. finden; ſie fliegen als unentdeckbares Stäubchen irgendwo umher und mit ihnen die Beweiſe meines Aufenthaltes auf der Seifenblaſe. Wir mochten ungefähr zwei Jahre unter den Sa- poniern gelebt haben, als die Spannung zwiſchen den unter ihnen hauptſächlich vertretenen Lehrmeinungen einen beſonders hohen Grad erreichte. Die Überlieferung der älteren Schule über die Beſchaffenheit der Welt war nämlich durch einen höchſt bedeutenden Naturforſcher, Namens Glagli, energiſch angegriffen worden, welchem die jüngere progreſſiſtiſche Richtung lebhaft beifiel. Man hatte daher, wie dies in ſolchen Fällen üblich iſt, Glagli vor den Richterſtuhl der „Akademie der Denkenden“ gefordert, um zu entſcheiden, ob ſeine Jdeen und Ent- deckungen im Jntereſſe des Staates und der Ordnung zu dulden ſeien. Die Gegner Glaglis ſtützten ſich be- ſonders darauf, daß die neuen Lehren den alten und unumſtößlichen Grundgeſetzen der „Denkenden“ wider- ſprächen. Sie verlangten daher, daß Glagli entweder ſeine Lehre widerrufen oder der auf die Jrrlehre ge- ſetzten Strafe verfallen ſolle. Namentlich fanden ſie folgende drei Punkte aus der Lehre Glagli’s für irr- tümlich und verderblich: Erſtens: Die Welt iſt inwendig hohl, mit Luft ge- füllt, und ihre Rinde iſt nur dreihundert Ellen dick. Dagegen wendeten ſie ein: Wäre der Boden, auf welchem ſich die „Denkenden“ bewegen, hohl, ſo würde er ſchon längſt gebrochen ſein. Es ſtehe aber in dem Buche des alten Weltweiſen Emſo (das iſt der ſaponiſche Ariſto- Laßwitz, Seifenblaſen. 2

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/23>, abgerufen am 28.03.2024.