Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Tröpfchen.
sogar Chlorophyll, und das kann nicht einmal der
Mensch."

"Und wenn ich Sie unten nicht hielte, wären Sie
längst umgestürzt. Bei jedem Stürmchen biegen Sie
sich, daß ich's hier deutlich fühle. Was nützt Jhnen da
Jhre Bildung? Sie haben eben keinen Charakter, und
Charakter ist die Hauptsache, und den habe ich. Wie
ich hier liege, so liege ich schon viele hundert Fichten-
alter, und so werde ich liegen bleiben."

"Und darin finden Sie Jhr Glück?"

"Habe ich garnicht nötig."

"Wenn Sie aber der Mensch einmal in die Luft
sprengt?"

"Sorgen Sie nicht, der wird Sie schon vorher fällen."

Tröpfchen zitterte am Farnkraut, als es das hörte.
Was mußte der Mensch für ein Wesen sein, daß er
Bäume fällen und Felsen sprengen konnte. Und es
wandte sich schüchtern an das Farnkraut und fragte:

"Was ist der Mensch?"

Das Farnkraut fühlte sich geschmeichelt; denn Fels
und Fichte fragten es niemals um seine Meinung.

"Der Mensch," sagte das Farnkraut herablassend,
"ist ein ausländisches Eichhörnchen, welches Papier, Eier-
schalen und Wurstpellen produziert, um dieselben von
Zeit zu Zeit bei uns niederzulegen. Übrigens rate ich
Dir, weniger zu sprechen; Dein Vater der Bach, macht
ohnehin den größten Lärm in der Gegend."

Tröpfchen wagte nicht weiter zu fragen. Aber nun
lauschte es sorgfältig. Denn vom Thale herauf ließen

Tröpfchen.
ſogar Chlorophyll, und das kann nicht einmal der
Menſch.“

„Und wenn ich Sie unten nicht hielte, wären Sie
längſt umgeſtürzt. Bei jedem Stürmchen biegen Sie
ſich, daß ich’s hier deutlich fühle. Was nützt Jhnen da
Jhre Bildung? Sie haben eben keinen Charakter, und
Charakter iſt die Hauptſache, und den habe ich. Wie
ich hier liege, ſo liege ich ſchon viele hundert Fichten-
alter, und ſo werde ich liegen bleiben.“

„Und darin finden Sie Jhr Glück?“

„Habe ich garnicht nötig.“

„Wenn Sie aber der Menſch einmal in die Luft
ſprengt?“

„Sorgen Sie nicht, der wird Sie ſchon vorher fällen.“

Tröpfchen zitterte am Farnkraut, als es das hörte.
Was mußte der Menſch für ein Weſen ſein, daß er
Bäume fällen und Felſen ſprengen konnte. Und es
wandte ſich ſchüchtern an das Farnkraut und fragte:

„Was iſt der Menſch?“

Das Farnkraut fühlte ſich geſchmeichelt; denn Fels
und Fichte fragten es niemals um ſeine Meinung.

„Der Menſch,“ ſagte das Farnkraut herablaſſend,
„iſt ein ausländiſches Eichhörnchen, welches Papier, Eier-
ſchalen und Wurſtpellen produziert, um dieſelben von
Zeit zu Zeit bei uns niederzulegen. Übrigens rate ich
Dir, weniger zu ſprechen; Dein Vater der Bach, macht
ohnehin den größten Lärm in der Gegend.“

Tröpfchen wagte nicht weiter zu fragen. Aber nun
lauſchte es ſorgfältig. Denn vom Thale herauf ließen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tröpfchen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ogar Chlorophyll, und das kann nicht einmal der<lb/>
Men&#x017F;ch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wenn ich Sie unten nicht hielte, wären Sie<lb/>
läng&#x017F;t umge&#x017F;türzt. Bei jedem Stürmchen biegen Sie<lb/>
&#x017F;ich, daß ich&#x2019;s hier deutlich fühle. Was nützt Jhnen da<lb/>
Jhre Bildung? Sie haben eben keinen Charakter, und<lb/>
Charakter i&#x017F;t die Haupt&#x017F;ache, und den habe ich. Wie<lb/>
ich hier liege, &#x017F;o liege ich &#x017F;chon viele hundert Fichten-<lb/>
alter, und &#x017F;o werde ich liegen bleiben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und darin finden Sie Jhr Glück?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Habe ich garnicht nötig.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn Sie aber der Men&#x017F;ch einmal in die Luft<lb/>
&#x017F;prengt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sorgen Sie nicht, der wird Sie &#x017F;chon vorher fällen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Tröpfchen zitterte am Farnkraut, als es das hörte.<lb/>
Was mußte der Men&#x017F;ch für ein We&#x017F;en &#x017F;ein, daß er<lb/>
Bäume fällen und Fel&#x017F;en &#x017F;prengen konnte. Und es<lb/>
wandte &#x017F;ich &#x017F;chüchtern an das Farnkraut und fragte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was i&#x017F;t der Men&#x017F;ch?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das Farnkraut fühlte &#x017F;ich ge&#x017F;chmeichelt; denn Fels<lb/>
und Fichte fragten es niemals um &#x017F;eine Meinung.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Men&#x017F;ch,&#x201C; &#x017F;agte das Farnkraut herabla&#x017F;&#x017F;end,<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t ein ausländi&#x017F;ches Eichhörnchen, welches Papier, Eier-<lb/>
&#x017F;chalen und Wur&#x017F;tpellen produziert, um die&#x017F;elben von<lb/>
Zeit zu Zeit bei uns niederzulegen. Übrigens rate ich<lb/>
Dir, weniger zu &#x017F;prechen; Dein Vater der Bach, macht<lb/>
ohnehin den größten Lärm in der Gegend.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Tröpfchen wagte nicht weiter zu fragen. Aber nun<lb/>
lau&#x017F;chte es &#x017F;orgfältig. Denn vom Thale herauf ließen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0218] Tröpfchen. ſogar Chlorophyll, und das kann nicht einmal der Menſch.“ „Und wenn ich Sie unten nicht hielte, wären Sie längſt umgeſtürzt. Bei jedem Stürmchen biegen Sie ſich, daß ich’s hier deutlich fühle. Was nützt Jhnen da Jhre Bildung? Sie haben eben keinen Charakter, und Charakter iſt die Hauptſache, und den habe ich. Wie ich hier liege, ſo liege ich ſchon viele hundert Fichten- alter, und ſo werde ich liegen bleiben.“ „Und darin finden Sie Jhr Glück?“ „Habe ich garnicht nötig.“ „Wenn Sie aber der Menſch einmal in die Luft ſprengt?“ „Sorgen Sie nicht, der wird Sie ſchon vorher fällen.“ Tröpfchen zitterte am Farnkraut, als es das hörte. Was mußte der Menſch für ein Weſen ſein, daß er Bäume fällen und Felſen ſprengen konnte. Und es wandte ſich ſchüchtern an das Farnkraut und fragte: „Was iſt der Menſch?“ Das Farnkraut fühlte ſich geſchmeichelt; denn Fels und Fichte fragten es niemals um ſeine Meinung. „Der Menſch,“ ſagte das Farnkraut herablaſſend, „iſt ein ausländiſches Eichhörnchen, welches Papier, Eier- ſchalen und Wurſtpellen produziert, um dieſelben von Zeit zu Zeit bei uns niederzulegen. Übrigens rate ich Dir, weniger zu ſprechen; Dein Vater der Bach, macht ohnehin den größten Lärm in der Gegend.“ Tröpfchen wagte nicht weiter zu fragen. Aber nun lauſchte es ſorgfältig. Denn vom Thale herauf ließen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/218
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/218>, abgerufen am 27.11.2024.