sich Schritte vernehmen, Stimmen erklangen auf dem Wege.
Zwei Wanderer traten in den Schatten der Fichte. Der Vorangehende, ein hagerer Herr mit dunklem Voll- bart, drehte sich um und sagte:
"Nun werden Sie zufrieden sein, dies ist der übliche Frühstückspunkt."
Der zweite kam etwas keuchend nach. Er trug den Hut in der Hand. Sein volles Gesicht glänzte in Schweiß gebadet und gerötet unter dem hellblonden Haar, das so kurz geschoren war, als käme er eben aus dem Zuchthause. Er kam aber aus einem Friseurladen der Stadt. Auf den Zuruf des andern blieb er stehen, setzte den Hut auf den Kopf, den Kneifer auf die Nase, strich seinen kleinen Schnurrbart, warf einen Blick auf den moosbedeckten Felsblock und fragte mißtrauisch:
"Ameisen?"
"Keine Sorge," sagte der erste, das gemeinsame Frühstück auspackend.
Der Blonde rückte sich auf dem Stein zurecht, setzte seinen Kneifer nochmals fest und sah dann hinaus in die sonnenbeglänzte Landschaft.
"Schneidiger Punkt," sagte er.
"Meistens Kalk," bemerkte der Schwarze, mit seinem Stock an den Felsen klopfend. "Drüben bunte Sandsteine, dort vorn Keupermergel -- alles zusammen- gestürztes Gelände. Kein rechtes System, keine Kamm- bildung, in meinen Augen gar kein Gebirge."
"Unsinn! Sie haben kein Gefühl für Natur-
Tröpfchen.
ſich Schritte vernehmen, Stimmen erklangen auf dem Wege.
Zwei Wanderer traten in den Schatten der Fichte. Der Vorangehende, ein hagerer Herr mit dunklem Voll- bart, drehte ſich um und ſagte:
„Nun werden Sie zufrieden ſein, dies iſt der übliche Frühſtückspunkt.“
Der zweite kam etwas keuchend nach. Er trug den Hut in der Hand. Sein volles Geſicht glänzte in Schweiß gebadet und gerötet unter dem hellblonden Haar, das ſo kurz geſchoren war, als käme er eben aus dem Zuchthauſe. Er kam aber aus einem Friſeurladen der Stadt. Auf den Zuruf des andern blieb er ſtehen, ſetzte den Hut auf den Kopf, den Kneifer auf die Naſe, ſtrich ſeinen kleinen Schnurrbart, warf einen Blick auf den moosbedeckten Felsblock und fragte mißtrauiſch:
„Ameiſen?“
„Keine Sorge,“ ſagte der erſte, das gemeinſame Frühſtück auspackend.
Der Blonde rückte ſich auf dem Stein zurecht, ſetzte ſeinen Kneifer nochmals feſt und ſah dann hinaus in die ſonnenbeglänzte Landſchaft.
„Schneidiger Punkt,“ ſagte er.
„Meiſtens Kalk,“ bemerkte der Schwarze, mit ſeinem Stock an den Felſen klopfend. „Drüben bunte Sandſteine, dort vorn Keupermergel — alles zuſammen- geſtürztes Gelände. Kein rechtes Syſtem, keine Kamm- bildung, in meinen Augen gar kein Gebirge.“
„Unſinn! Sie haben kein Gefühl für Natur-
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Tröpfchen.
ſich Schritte vernehmen, Stimmen erklangen auf dem
Wege.
Zwei Wanderer traten in den Schatten der Fichte.
Der Vorangehende, ein hagerer Herr mit dunklem Voll-
bart, drehte ſich um und ſagte:
„Nun werden Sie zufrieden ſein, dies iſt der übliche
Frühſtückspunkt.“
Der zweite kam etwas keuchend nach. Er trug den
Hut in der Hand. Sein volles Geſicht glänzte in
Schweiß gebadet und gerötet unter dem hellblonden
Haar, das ſo kurz geſchoren war, als käme er eben aus
dem Zuchthauſe. Er kam aber aus einem Friſeurladen
der Stadt. Auf den Zuruf des andern blieb er ſtehen,
ſetzte den Hut auf den Kopf, den Kneifer auf die Naſe,
ſtrich ſeinen kleinen Schnurrbart, warf einen Blick auf
den moosbedeckten Felsblock und fragte mißtrauiſch:
„Ameiſen?“
„Keine Sorge,“ ſagte der erſte, das gemeinſame
Frühſtück auspackend.
Der Blonde rückte ſich auf dem Stein zurecht, ſetzte
ſeinen Kneifer nochmals feſt und ſah dann hinaus in
die ſonnenbeglänzte Landſchaft.
„Schneidiger Punkt,“ ſagte er.
„Meiſtens Kalk,“ bemerkte der Schwarze, mit
ſeinem Stock an den Felſen klopfend. „Drüben bunte
Sandſteine, dort vorn Keupermergel — alles zuſammen-
geſtürztes Gelände. Kein rechtes Syſtem, keine Kamm-
bildung, in meinen Augen gar kein Gebirge.“
„Unſinn! Sie haben kein Gefühl für Natur-
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/219>, abgerufen am 29.06.2024.
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