Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Mirax.
zu rücken. "Der Darwinismus muß spirituell
werden!"
Mirax sprach das große Wort gelassen aus.
Noch mehr! Die Weltseele muß künstlich gezüchtet
werden! Nicht mehr die Naturkräfte -- Licht und
Wärme -- und die Naturerscheinungen -- Sternen-
himmel, Atmosphäre, Erdrinde -- dürfen das Objekt
der Wissenschaft bilden, sondern die Naturseelen, die
Geister, welche die Jnnenseite dieser Kräfte und Er-
scheinungen repräsentieren. Unmittelbar auf die Elemen-
targeister sollte man wirken, in ihnen den Trieb nach
Vervollkommnung wecken, und durch künstliche Auslese,
Zuchtwahl und Vererbung -- denn warum sollen nicht
auch die Geister sich fortpflanzen? -- sie zu einer ge-
deihlicheren Entfaltung ihrer Kräfte bringen. Man braucht
dann nicht mehr die Gesetze der Elektricität mühsam zu
studieren; man ruft den Geist derselben -- nennen wir
ihn Elektra -- und veranlaßt ihn, uns ohne Draht
und Batterie zu dienen. Schon Faust hatte etwas Ähn-
liches gewollt, als er seine Geister beschwor; aber in
jenem dunklen Zeitalter fehlten ihm noch die Mittel zur
richtigen Durchführung, und deshalb hätte Goethe auch
besser gethan, den Faust nicht zu schreiben. Mirax wußte
die Sache methodischer anzufassen. Das Darwinsche
Grundgesetz von der fortschreitenden Entwickelung der
Organismen steht fest. Beruht nun diese Entwickelung
auf dem mechanischen Einflusse der Naturkräfte? Da
hat Häckel offenbar vorbeigeschossen; das Bewußtsein
selbst ist es, welches zu entfalten ist! Mirax wandte
das Entwickelungsgesetz auf die Elementarseelen an. Der

Mirax.
zu rücken. „Der Darwinismus muß ſpirituell
werden!“
Mirax ſprach das große Wort gelaſſen aus.
Noch mehr! Die Weltſeele muß künſtlich gezüchtet
werden! Nicht mehr die Naturkräfte — Licht und
Wärme — und die Naturerſcheinungen — Sternen-
himmel, Atmoſphäre, Erdrinde — dürfen das Objekt
der Wiſſenſchaft bilden, ſondern die Naturſeelen, die
Geiſter, welche die Jnnenſeite dieſer Kräfte und Er-
ſcheinungen repräſentieren. Unmittelbar auf die Elemen-
targeiſter ſollte man wirken, in ihnen den Trieb nach
Vervollkommnung wecken, und durch künſtliche Ausleſe,
Zuchtwahl und Vererbung — denn warum ſollen nicht
auch die Geiſter ſich fortpflanzen? — ſie zu einer ge-
deihlicheren Entfaltung ihrer Kräfte bringen. Man braucht
dann nicht mehr die Geſetze der Elektricität mühſam zu
ſtudieren; man ruft den Geiſt derſelben — nennen wir
ihn Elektra — und veranlaßt ihn, uns ohne Draht
und Batterie zu dienen. Schon Fauſt hatte etwas Ähn-
liches gewollt, als er ſeine Geiſter beſchwor; aber in
jenem dunklen Zeitalter fehlten ihm noch die Mittel zur
richtigen Durchführung, und deshalb hätte Goethe auch
beſſer gethan, den Fauſt nicht zu ſchreiben. Mirax wußte
die Sache methodiſcher anzufaſſen. Das Darwinſche
Grundgeſetz von der fortſchreitenden Entwickelung der
Organismen ſteht feſt. Beruht nun dieſe Entwickelung
auf dem mechaniſchen Einfluſſe der Naturkräfte? Da
hat Häckel offenbar vorbeigeſchoſſen; das Bewußtſein
ſelbſt iſt es, welches zu entfalten iſt! Mirax wandte
das Entwickelungsgeſetz auf die Elementarſeelen an. Der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="183"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mirax.</hi></fw><lb/>
zu rücken. <hi rendition="#g">&#x201E;Der Darwinismus muß &#x017F;pirituell<lb/>
werden!&#x201C;</hi> Mirax &#x017F;prach das große Wort gela&#x017F;&#x017F;en aus.<lb/>
Noch mehr! Die Welt&#x017F;eele muß kün&#x017F;tlich gezüchtet<lb/>
werden! Nicht mehr die Naturkräfte &#x2014; Licht und<lb/>
Wärme &#x2014; und die Naturer&#x017F;cheinungen &#x2014; Sternen-<lb/>
himmel, Atmo&#x017F;phäre, Erdrinde &#x2014; dürfen das Objekt<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft bilden, &#x017F;ondern die Natur&#x017F;eelen, die<lb/><hi rendition="#g">Gei&#x017F;ter,</hi> welche die Jnnen&#x017F;eite die&#x017F;er Kräfte und Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen reprä&#x017F;entieren. Unmittelbar auf die Elemen-<lb/>
targei&#x017F;ter &#x017F;ollte man wirken, in ihnen den Trieb nach<lb/>
Vervollkommnung wecken, und durch kün&#x017F;tliche Ausle&#x017F;e,<lb/>
Zuchtwahl und Vererbung &#x2014; denn warum &#x017F;ollen nicht<lb/>
auch die Gei&#x017F;ter &#x017F;ich fortpflanzen? &#x2014; &#x017F;ie zu einer ge-<lb/>
deihlicheren Entfaltung ihrer Kräfte bringen. Man braucht<lb/>
dann nicht mehr die Ge&#x017F;etze der Elektricität müh&#x017F;am zu<lb/>
&#x017F;tudieren; man ruft den Gei&#x017F;t der&#x017F;elben &#x2014; nennen wir<lb/>
ihn Elektra &#x2014; und veranlaßt ihn, uns ohne Draht<lb/>
und Batterie zu dienen. Schon Fau&#x017F;t hatte etwas Ähn-<lb/>
liches gewollt, als er &#x017F;eine Gei&#x017F;ter be&#x017F;chwor; aber in<lb/>
jenem dunklen Zeitalter fehlten ihm noch die Mittel zur<lb/>
richtigen Durchführung, und deshalb hätte Goethe auch<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er gethan, den Fau&#x017F;t nicht zu &#x017F;chreiben. Mirax wußte<lb/>
die Sache methodi&#x017F;cher anzufa&#x017F;&#x017F;en. Das Darwin&#x017F;che<lb/>
Grundge&#x017F;etz von der fort&#x017F;chreitenden Entwickelung der<lb/>
Organismen &#x017F;teht fe&#x017F;t. Beruht nun die&#x017F;e Entwickelung<lb/>
auf dem mechani&#x017F;chen Einflu&#x017F;&#x017F;e der Naturkräfte? Da<lb/>
hat Häckel offenbar vorbeige&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en; das Bewußt&#x017F;ein<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t es, welches zu entfalten i&#x017F;t! Mirax wandte<lb/>
das Entwickelungsge&#x017F;etz auf die Elementar&#x017F;eelen an. Der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0189] Mirax. zu rücken. „Der Darwinismus muß ſpirituell werden!“ Mirax ſprach das große Wort gelaſſen aus. Noch mehr! Die Weltſeele muß künſtlich gezüchtet werden! Nicht mehr die Naturkräfte — Licht und Wärme — und die Naturerſcheinungen — Sternen- himmel, Atmoſphäre, Erdrinde — dürfen das Objekt der Wiſſenſchaft bilden, ſondern die Naturſeelen, die Geiſter, welche die Jnnenſeite dieſer Kräfte und Er- ſcheinungen repräſentieren. Unmittelbar auf die Elemen- targeiſter ſollte man wirken, in ihnen den Trieb nach Vervollkommnung wecken, und durch künſtliche Ausleſe, Zuchtwahl und Vererbung — denn warum ſollen nicht auch die Geiſter ſich fortpflanzen? — ſie zu einer ge- deihlicheren Entfaltung ihrer Kräfte bringen. Man braucht dann nicht mehr die Geſetze der Elektricität mühſam zu ſtudieren; man ruft den Geiſt derſelben — nennen wir ihn Elektra — und veranlaßt ihn, uns ohne Draht und Batterie zu dienen. Schon Fauſt hatte etwas Ähn- liches gewollt, als er ſeine Geiſter beſchwor; aber in jenem dunklen Zeitalter fehlten ihm noch die Mittel zur richtigen Durchführung, und deshalb hätte Goethe auch beſſer gethan, den Fauſt nicht zu ſchreiben. Mirax wußte die Sache methodiſcher anzufaſſen. Das Darwinſche Grundgeſetz von der fortſchreitenden Entwickelung der Organismen ſteht feſt. Beruht nun dieſe Entwickelung auf dem mechaniſchen Einfluſſe der Naturkräfte? Da hat Häckel offenbar vorbeigeſchoſſen; das Bewußtſein ſelbſt iſt es, welches zu entfalten iſt! Mirax wandte das Entwickelungsgeſetz auf die Elementarſeelen an. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/189
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/189>, abgerufen am 07.05.2024.