Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Psychotomie. eine Novelle geschrieben habe, nur einige hundert Seiten.Ob er sie nicht einmal durchlesen wolle. "Mit dem größten Vergnügen, teuerstes Fräulein! "Ja," rief Linolinde, "Sie erraten meine Gefühle! "Es giebt keine Täuschung für die wahre Dichterin. "Aber Sie wissen nicht --" "Jch weiß, daß ich zufrieden bin." Linolinde schwieg. Sie waren auf die Promenade "Die Glätte," sagte er, "ist die vornehmste und Pſychotomie. eine Novelle geſchrieben habe, nur einige hundert Seiten.Ob er ſie nicht einmal durchleſen wolle. „Mit dem größten Vergnügen, teuerſtes Fräulein! „Ja,“ rief Linolinde, „Sie erraten meine Gefühle! „Es giebt keine Täuſchung für die wahre Dichterin. „Aber Sie wiſſen nicht —“ „Jch weiß, daß ich zufrieden bin.“ Linolinde ſchwieg. Sie waren auf die Promenade „Die Glätte,“ ſagte er, „iſt die vornehmſte und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0176" n="170"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Pſychotomie.</hi></fw><lb/> eine Novelle geſchrieben habe, nur einige hundert Seiten.<lb/> Ob er ſie nicht einmal durchleſen wolle.</p><lb/> <p>„Mit dem größten Vergnügen, teuerſtes Fräulein!<lb/> Wie freue ich mich auf den Genuß, einen Blick in das<lb/> Leben Jhrer ſchönen Seele zu thun! Wie werde ich den<lb/> Helden beneiden, den der Hauch Jhres Genius mit dem<lb/> ganzen Farbenzauber Jhrer Liebe geſchmückt hat!“</p><lb/> <p>„Ja,“ rief Linolinde, „Sie erraten meine Gefühle!<lb/> O dieſer Scharfſinn der Philoſophen! Ach, ich wage es<lb/> nicht — nein, ich darf Jhnen meine Novelle nicht<lb/> geben! Wenn ich mich getäuſcht hätte —“</p><lb/> <p>„Es giebt keine Täuſchung für die wahre Dichterin.<lb/> Zweifeln Sie nicht an dem treuen Verſtändnis, das ich<lb/> den Gefühlen Jhres Helden entgegenbringe.“</p><lb/> <p>„Aber Sie wiſſen nicht —“</p><lb/> <p>„Jch weiß, daß ich zufrieden bin.“</p><lb/> <p>Linolinde ſchwieg. Sie waren auf die Promenade<lb/> gekommen, die rote Laterne blinkte in der Nähe. Lino-<lb/> linde ging immer weiter. „Sie gehen noch länger hier<lb/> ſpazieren?“ fragte ſie. Schulze hatte das Gefühl, daß<lb/> er dies eigentlich nicht wolle, es zog ihn nach der<lb/> Laterne, aber er konnte nicht nein ſagen. So ſchritt<lb/> er weiter, Linolinde neben ihm. Jn Gedanken verloren,<lb/> kehrte er am Ende der Promenade um, Linolinde des-<lb/> gleichen. Sie ſprachen noch immer nichts. Linolinde<lb/> glitt aus — ein leichter Schrei —, dann nahm ſie den<lb/> Arm, den er ihr darbot.</p><lb/> <p>„Die Glätte,“ ſagte er, „iſt die vornehmſte und<lb/> die holdeſte Eigenſchaft der Körper, ſie iſt die Stufe,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [170/0176]
Pſychotomie.
eine Novelle geſchrieben habe, nur einige hundert Seiten.
Ob er ſie nicht einmal durchleſen wolle.
„Mit dem größten Vergnügen, teuerſtes Fräulein!
Wie freue ich mich auf den Genuß, einen Blick in das
Leben Jhrer ſchönen Seele zu thun! Wie werde ich den
Helden beneiden, den der Hauch Jhres Genius mit dem
ganzen Farbenzauber Jhrer Liebe geſchmückt hat!“
„Ja,“ rief Linolinde, „Sie erraten meine Gefühle!
O dieſer Scharfſinn der Philoſophen! Ach, ich wage es
nicht — nein, ich darf Jhnen meine Novelle nicht
geben! Wenn ich mich getäuſcht hätte —“
„Es giebt keine Täuſchung für die wahre Dichterin.
Zweifeln Sie nicht an dem treuen Verſtändnis, das ich
den Gefühlen Jhres Helden entgegenbringe.“
„Aber Sie wiſſen nicht —“
„Jch weiß, daß ich zufrieden bin.“
Linolinde ſchwieg. Sie waren auf die Promenade
gekommen, die rote Laterne blinkte in der Nähe. Lino-
linde ging immer weiter. „Sie gehen noch länger hier
ſpazieren?“ fragte ſie. Schulze hatte das Gefühl, daß
er dies eigentlich nicht wolle, es zog ihn nach der
Laterne, aber er konnte nicht nein ſagen. So ſchritt
er weiter, Linolinde neben ihm. Jn Gedanken verloren,
kehrte er am Ende der Promenade um, Linolinde des-
gleichen. Sie ſprachen noch immer nichts. Linolinde
glitt aus — ein leichter Schrei —, dann nahm ſie den
Arm, den er ihr darbot.
„Die Glätte,“ ſagte er, „iſt die vornehmſte und
die holdeſte Eigenſchaft der Körper, ſie iſt die Stufe,
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