Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Psychotomie. "Gewiß, mit dem größten Vergnügen. Es giebt "Auch dem neuen Aufschlage zur Kommunalsteuer?" "Selbstverständlich. Es kann nie Steuern genug "Bravo! Bravo! Jch gehe an meinen Stammtisch Der Stadtrat empfahl sich begeistert. Auch Schulze Pſychotomie. „Gewiß, mit dem größten Vergnügen. Es giebt „Auch dem neuen Aufſchlage zur Kommunalſteuer?“ „Selbſtverſtändlich. Es kann nie Steuern genug „Bravo! Bravo! Jch gehe an meinen Stammtiſch Der Stadtrat empfahl ſich begeiſtert. Auch Schulze <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0175" n="169"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Pſychotomie.</hi> </fw><lb/> <p>„Gewiß, mit dem größten Vergnügen. Es giebt<lb/> keine Vorlage, der ich nicht unbedingt zuſtimme.“</p><lb/> <p>„Auch dem neuen Aufſchlage zur Kommunalſteuer?“</p><lb/> <p>„Selbſtverſtändlich. Es kann nie Steuern genug<lb/> geben, denn nichts iſt erhebender, nichts erfreulicher,<lb/> nichts beglückender, als ſein Hab und Gut zum Beſten<lb/> der Gemeinſamkeit zu opfern.“</p><lb/> <p>„Bravo! Bravo! Jch gehe an meinen Stammtiſch<lb/> in der „Rothen Tulpe“; noch heute ſichere ich Jhnen<lb/> zehn Stimmen. Auf Wiederſehen!“</p><lb/> <p>Der Stadtrat empfahl ſich begeiſtert. Auch Schulze<lb/> fand den Gedanken an ſeine akademiſche Stammecke nicht<lb/> übel und ſchlug die bewußte Richtung ein. Er war<lb/> noch nicht weit gelangt, als er einer Dame begegnete,<lb/> deren Beredſamkeit er ſonſt in größerem Bogen auszu-<lb/> weichen pflegte. Heute kam ſie ihm, ſo weit es die<lb/> Dunkelheit geſtattete, in roſigem Lichte vor. Linolinde<lb/> v. Zwinkerwitz hatte allerdings Rot aufgelegt. Seit zehn<lb/> Jahren — ſo lange nämlich war Schulze Privatdocent<lb/> — behauptete ſie, daß er ihr den Hof mache, und<lb/> ebenſo lange zwang ſie ihn bei jeder Begegnung zu<lb/> einer längeren Ausſprache. Schulze pflegte zu klagen,<lb/> er habe auf dieſe Weiſe ſchon zwei ganze Semeſter ver-<lb/> loren — das Semeſter zu drei Monaten, den Monat<lb/> zu zwanzig Tagen und den Tag zu anderthalb Stunden<lb/> gerechnet — ſo lange nämlich dauerte ſein Kolleg über<lb/> die Geſchichte der griechiſchen Philoſophie vor Sokrates.<lb/> Jetzt aber war Linolinde ganz entzückt von Schulzes<lb/> Liebenswürdigkeit, und gerührt geſtand ſie ihm, daß ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [169/0175]
Pſychotomie.
„Gewiß, mit dem größten Vergnügen. Es giebt
keine Vorlage, der ich nicht unbedingt zuſtimme.“
„Auch dem neuen Aufſchlage zur Kommunalſteuer?“
„Selbſtverſtändlich. Es kann nie Steuern genug
geben, denn nichts iſt erhebender, nichts erfreulicher,
nichts beglückender, als ſein Hab und Gut zum Beſten
der Gemeinſamkeit zu opfern.“
„Bravo! Bravo! Jch gehe an meinen Stammtiſch
in der „Rothen Tulpe“; noch heute ſichere ich Jhnen
zehn Stimmen. Auf Wiederſehen!“
Der Stadtrat empfahl ſich begeiſtert. Auch Schulze
fand den Gedanken an ſeine akademiſche Stammecke nicht
übel und ſchlug die bewußte Richtung ein. Er war
noch nicht weit gelangt, als er einer Dame begegnete,
deren Beredſamkeit er ſonſt in größerem Bogen auszu-
weichen pflegte. Heute kam ſie ihm, ſo weit es die
Dunkelheit geſtattete, in roſigem Lichte vor. Linolinde
v. Zwinkerwitz hatte allerdings Rot aufgelegt. Seit zehn
Jahren — ſo lange nämlich war Schulze Privatdocent
— behauptete ſie, daß er ihr den Hof mache, und
ebenſo lange zwang ſie ihn bei jeder Begegnung zu
einer längeren Ausſprache. Schulze pflegte zu klagen,
er habe auf dieſe Weiſe ſchon zwei ganze Semeſter ver-
loren — das Semeſter zu drei Monaten, den Monat
zu zwanzig Tagen und den Tag zu anderthalb Stunden
gerechnet — ſo lange nämlich dauerte ſein Kolleg über
die Geſchichte der griechiſchen Philoſophie vor Sokrates.
Jetzt aber war Linolinde ganz entzückt von Schulzes
Liebenswürdigkeit, und gerührt geſtand ſie ihm, daß ſie
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