Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf der Seifenblase.
erklären -- nützt euch doch nichts. Menschen bleiben
Menschen, ob groß oder klein, sehen nicht über sich hin-
aus. Wozu erst streiten?"

"Wie kommst du jetzt auf das Mikrogen?" fragte
ich ihn.

"Sehr einfach, lieber Neffe. Das Mikrogen ist für
die heutige gelehrte Welt, was die Seifenblase für deinen
Jungen ist. Vielleicht ein Spielzeug, jedoch zum Ver-
ständnis fehlt jeder Anhaltspunkt. Weil aber die Ge-
lehrten keine Kinder sind und alles zu verstehen be-
anspruchen, würde es einen unendlichen Streit geben,
wenn ich meine Lehre auskramen wollte. Gänzlich zweck-
los, weil die Entscheidung über alle heutige Einsicht
hinaus liegt. Würden mich auslachen -- hm -- Jrren-
haus --"

"Ganz gleich," rief ich, "die Wahrheit zu verkünden
ist Pflicht, und wenn ich auch das Martyrium der Ver-
kennung auf mich nehmen müßte. Nur auf diesem Wege
sind die Fortschritte der Kultur errungen worden. Bringe
deine Beweise."

"Hm," sagte der Onkel, "wenn aber die Beweise
niemand verstehen kann? Wenn wir zwei verschiedene
Sprachen reden? Dann endet der Streit damit, daß die
Minorität totgeschlagen wird, physisch oder moralisch.
Habe keine Lust dazu."

"Und trotzdem," erwiderte ich stolz, "würde ich die
Wahrheit bekennen, wenn ich die Beweise für mich in
der Hand habe."

"Vor Unmündigen und Blinden -- wie? Möchtest

Auf der Seifenblaſe.
erklären — nützt euch doch nichts. Menſchen bleiben
Menſchen, ob groß oder klein, ſehen nicht über ſich hin-
aus. Wozu erſt ſtreiten?“

„Wie kommſt du jetzt auf das Mikrogen?“ fragte
ich ihn.

„Sehr einfach, lieber Neffe. Das Mikrogen iſt für
die heutige gelehrte Welt, was die Seifenblaſe für deinen
Jungen iſt. Vielleicht ein Spielzeug, jedoch zum Ver-
ſtändnis fehlt jeder Anhaltspunkt. Weil aber die Ge-
lehrten keine Kinder ſind und alles zu verſtehen be-
anſpruchen, würde es einen unendlichen Streit geben,
wenn ich meine Lehre auskramen wollte. Gänzlich zweck-
los, weil die Entſcheidung über alle heutige Einſicht
hinaus liegt. Würden mich auslachen — hm — Jrren-
haus —“

„Ganz gleich,“ rief ich, „die Wahrheit zu verkünden
iſt Pflicht, und wenn ich auch das Martyrium der Ver-
kennung auf mich nehmen müßte. Nur auf dieſem Wege
ſind die Fortſchritte der Kultur errungen worden. Bringe
deine Beweiſe.“

„Hm,“ ſagte der Onkel, „wenn aber die Beweiſe
niemand verſtehen kann? Wenn wir zwei verſchiedene
Sprachen reden? Dann endet der Streit damit, daß die
Minorität totgeſchlagen wird, phyſiſch oder moraliſch.
Habe keine Luſt dazu.“

„Und trotzdem,“ erwiderte ich ſtolz, „würde ich die
Wahrheit bekennen, wenn ich die Beweiſe für mich in
der Hand habe.“

„Vor Unmündigen und Blinden — wie? Möchteſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Auf der Seifenbla&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
erklären &#x2014; nützt euch doch nichts. Men&#x017F;chen bleiben<lb/>
Men&#x017F;chen, ob groß oder klein, &#x017F;ehen nicht über &#x017F;ich hin-<lb/>
aus. Wozu er&#x017F;t &#x017F;treiten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie komm&#x017F;t du jetzt auf das Mikrogen?&#x201C; fragte<lb/>
ich ihn.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehr einfach, lieber Neffe. Das Mikrogen i&#x017F;t für<lb/>
die heutige gelehrte Welt, was die Seifenbla&#x017F;e für deinen<lb/>
Jungen i&#x017F;t. Vielleicht ein Spielzeug, jedoch zum Ver-<lb/>
&#x017F;tändnis fehlt jeder Anhaltspunkt. Weil aber die Ge-<lb/>
lehrten keine Kinder &#x017F;ind und alles zu ver&#x017F;tehen be-<lb/>
an&#x017F;pruchen, würde es einen unendlichen Streit geben,<lb/>
wenn ich meine Lehre auskramen wollte. Gänzlich zweck-<lb/>
los, weil die Ent&#x017F;cheidung über alle heutige Ein&#x017F;icht<lb/>
hinaus liegt. Würden mich auslachen &#x2014; hm &#x2014; Jrren-<lb/>
haus &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ganz gleich,&#x201C; rief ich, &#x201E;die Wahrheit zu verkünden<lb/>
i&#x017F;t Pflicht, und wenn ich auch das Martyrium der Ver-<lb/>
kennung auf mich nehmen müßte. Nur auf die&#x017F;em Wege<lb/>
&#x017F;ind die Fort&#x017F;chritte der Kultur errungen worden. Bringe<lb/>
deine Bewei&#x017F;e.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hm,&#x201C; &#x017F;agte der Onkel, &#x201E;wenn aber die Bewei&#x017F;e<lb/>
niemand ver&#x017F;tehen kann? Wenn wir zwei ver&#x017F;chiedene<lb/>
Sprachen reden? Dann endet der Streit damit, daß die<lb/>
Minorität totge&#x017F;chlagen wird, phy&#x017F;i&#x017F;ch oder morali&#x017F;ch.<lb/>
Habe keine Lu&#x017F;t dazu.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und trotzdem,&#x201C; erwiderte ich &#x017F;tolz, &#x201E;würde ich die<lb/>
Wahrheit bekennen, wenn ich die Bewei&#x017F;e für mich in<lb/>
der Hand habe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vor Unmündigen und Blinden &#x2014; wie? Möchte&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0014] Auf der Seifenblaſe. erklären — nützt euch doch nichts. Menſchen bleiben Menſchen, ob groß oder klein, ſehen nicht über ſich hin- aus. Wozu erſt ſtreiten?“ „Wie kommſt du jetzt auf das Mikrogen?“ fragte ich ihn. „Sehr einfach, lieber Neffe. Das Mikrogen iſt für die heutige gelehrte Welt, was die Seifenblaſe für deinen Jungen iſt. Vielleicht ein Spielzeug, jedoch zum Ver- ſtändnis fehlt jeder Anhaltspunkt. Weil aber die Ge- lehrten keine Kinder ſind und alles zu verſtehen be- anſpruchen, würde es einen unendlichen Streit geben, wenn ich meine Lehre auskramen wollte. Gänzlich zweck- los, weil die Entſcheidung über alle heutige Einſicht hinaus liegt. Würden mich auslachen — hm — Jrren- haus —“ „Ganz gleich,“ rief ich, „die Wahrheit zu verkünden iſt Pflicht, und wenn ich auch das Martyrium der Ver- kennung auf mich nehmen müßte. Nur auf dieſem Wege ſind die Fortſchritte der Kultur errungen worden. Bringe deine Beweiſe.“ „Hm,“ ſagte der Onkel, „wenn aber die Beweiſe niemand verſtehen kann? Wenn wir zwei verſchiedene Sprachen reden? Dann endet der Streit damit, daß die Minorität totgeſchlagen wird, phyſiſch oder moraliſch. Habe keine Luſt dazu.“ „Und trotzdem,“ erwiderte ich ſtolz, „würde ich die Wahrheit bekennen, wenn ich die Beweiſe für mich in der Hand habe.“ „Vor Unmündigen und Blinden — wie? Möchteſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/14
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/14>, abgerufen am 25.04.2024.