Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Auf der Seifenblase. Entdeckungen, weil diese, wie er sagte, ohne seine neuenTheorien nicht zu verstehen seien. Jch habe selbst bei ihm gesehen, wie er aus anorganischen Stoffen auf künst- lichem Wege das Eiweiß darstellte. Wenn ich in ihn drang, diese epochemachende Entdeckung, welche vielleicht geeignet wäre, unsere socialen Verhältnisse gänzlich um- zugestalten, bekannt zu machen oder wenigstens zu fruktifizieren, so pflegte er zu sagen: "Habe nicht Lust, mich auslachen zu lassen. Können's doch nicht ver- stehn. Sind noch nicht reif, kein Anknüpfungspunkt, and're Welt, and're Welt! Tausend Jahre warten! Lasse die Leute streiten, einer weiß so wenig wie der andere." Jetzt hatte er das "Mikrogen" entdeckt. Jch weiß "Hm, nicht verstehen können -- kann's euch nicht Auf der Seifenblaſe. Entdeckungen, weil dieſe, wie er ſagte, ohne ſeine neuenTheorien nicht zu verſtehen ſeien. Jch habe ſelbſt bei ihm geſehen, wie er aus anorganiſchen Stoffen auf künſt- lichem Wege das Eiweiß darſtellte. Wenn ich in ihn drang, dieſe epochemachende Entdeckung, welche vielleicht geeignet wäre, unſere ſocialen Verhältniſſe gänzlich um- zugeſtalten, bekannt zu machen oder wenigſtens zu fruktifizieren, ſo pflegte er zu ſagen: „Habe nicht Luſt, mich auslachen zu laſſen. Können’s doch nicht ver- ſtehn. Sind noch nicht reif, kein Anknüpfungspunkt, and’re Welt, and’re Welt! Tauſend Jahre warten! Laſſe die Leute ſtreiten, einer weiß ſo wenig wie der andere.“ Jetzt hatte er das „Mikrogen“ entdeckt. Jch weiß „Hm, nicht verſtehen können — kann’s euch nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Auf der Seifenblaſe.</hi></fw><lb/> Entdeckungen, weil dieſe, wie er ſagte, ohne ſeine neuen<lb/> Theorien nicht zu verſtehen ſeien. Jch habe ſelbſt bei<lb/> ihm geſehen, wie er aus anorganiſchen Stoffen auf künſt-<lb/> lichem Wege das Eiweiß darſtellte. Wenn ich in ihn<lb/> drang, dieſe epochemachende Entdeckung, welche vielleicht<lb/> geeignet wäre, unſere ſocialen Verhältniſſe gänzlich um-<lb/> zugeſtalten, bekannt zu machen oder wenigſtens zu<lb/> fruktifizieren, ſo pflegte er zu ſagen: „Habe nicht Luſt,<lb/> mich auslachen zu laſſen. Können’s doch nicht ver-<lb/> ſtehn. Sind noch nicht reif, kein Anknüpfungspunkt,<lb/> and’re Welt, and’re Welt! Tauſend Jahre warten!<lb/> Laſſe die Leute ſtreiten, einer weiß ſo wenig wie der<lb/> andere.“</p><lb/> <p>Jetzt hatte er das „Mikrogen“ entdeckt. Jch weiß<lb/> nicht recht, war es ein Stoff oder ein Apparat; aber ſo<lb/> viel habe ich begriffen, daß er dadurch imſtande war,<lb/> eine Verkleinerung ſowohl der räumlichen als der zeit-<lb/> lichen Verhältniſſe in beliebigem Maßſtabe zu erzielen.<lb/> Eine Verkleinerung nicht etwa bloß für das Auge, wie ſie<lb/> durch optiſche Jnſtrumente möglich iſt, ſondern für alle<lb/> Sinne; die ganze Bewußtſeins-Thätigkeit wurde ver-<lb/> ändert, ſo, daß zwar qualitativ alle Empfindungsarten<lb/> dieſelben blieben, aber alle quantitativen Beziehungen<lb/> verengert wurden. Er behauptete, er könne ein beliebiges<lb/> Jndividuum und mit ihm deſſen Anſchauungswelt ein-<lb/> ſchrumpfen laſſen auf den millionſten, auf den billionſten<lb/> Teil ſeiner Größe. Wie er das mache? Ja, dann lachte<lb/> er wieder ſtill für ſich und brummte:</p><lb/> <p>„Hm, nicht verſtehen können — kann’s euch nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0013]
Auf der Seifenblaſe.
Entdeckungen, weil dieſe, wie er ſagte, ohne ſeine neuen
Theorien nicht zu verſtehen ſeien. Jch habe ſelbſt bei
ihm geſehen, wie er aus anorganiſchen Stoffen auf künſt-
lichem Wege das Eiweiß darſtellte. Wenn ich in ihn
drang, dieſe epochemachende Entdeckung, welche vielleicht
geeignet wäre, unſere ſocialen Verhältniſſe gänzlich um-
zugeſtalten, bekannt zu machen oder wenigſtens zu
fruktifizieren, ſo pflegte er zu ſagen: „Habe nicht Luſt,
mich auslachen zu laſſen. Können’s doch nicht ver-
ſtehn. Sind noch nicht reif, kein Anknüpfungspunkt,
and’re Welt, and’re Welt! Tauſend Jahre warten!
Laſſe die Leute ſtreiten, einer weiß ſo wenig wie der
andere.“
Jetzt hatte er das „Mikrogen“ entdeckt. Jch weiß
nicht recht, war es ein Stoff oder ein Apparat; aber ſo
viel habe ich begriffen, daß er dadurch imſtande war,
eine Verkleinerung ſowohl der räumlichen als der zeit-
lichen Verhältniſſe in beliebigem Maßſtabe zu erzielen.
Eine Verkleinerung nicht etwa bloß für das Auge, wie ſie
durch optiſche Jnſtrumente möglich iſt, ſondern für alle
Sinne; die ganze Bewußtſeins-Thätigkeit wurde ver-
ändert, ſo, daß zwar qualitativ alle Empfindungsarten
dieſelben blieben, aber alle quantitativen Beziehungen
verengert wurden. Er behauptete, er könne ein beliebiges
Jndividuum und mit ihm deſſen Anſchauungswelt ein-
ſchrumpfen laſſen auf den millionſten, auf den billionſten
Teil ſeiner Größe. Wie er das mache? Ja, dann lachte
er wieder ſtill für ſich und brummte:
„Hm, nicht verſtehen können — kann’s euch nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |