Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Musen und Weise. "Jch komme mit leeren Händen," sagte Pythagoras "Lieber Freund," sagte der Würdenträger zu mir, Obgleich dies nun meine Ansicht von einem Weisen Laßwitz, Seifenblasen. 9
Muſen und Weiſe. „Jch komme mit leeren Händen,“ ſagte Pythagoras „Lieber Freund,“ ſagte der Würdenträger zu mir, Obgleich dies nun meine Anſicht von einem Weiſen Laßwitz, Seifenblaſen. 9
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Muſen und Weiſe.
„Jch komme mit leeren Händen,“ ſagte Pythagoras
achſelzuckend bei ſeiner Rückkehr. „Es giebt ja ſicherlich
Weiſe genug, aber ich habe kein Glück bei meinen Er-
kundigungen gehabt. Jch fragte zuerſt einen Staats-
miniſter, wen er für den Weiſeſten halte. Denn ich
glaubte natürlich, daß diejenigen, welche die Geſchicke
der Völker lenken, auch am beſten über den Sitz der
Weisheit würden unterrichtet ſein.“
„Lieber Freund,“ ſagte der Würdenträger zu mir,
„Weisheit iſt eine ſchöne Sache, wenn man ſie ſelbſt
hat; aber das Wort beſitzt einen verdächtigen, theoretiſchen
Beigeſchmack; es giebt ſogenannte weiſe Leute, deren
Weisheit darin beſteht, daß ſie alles beſſer wiſſen und
am beſten verſtehen wollen, und eben dieſe kann ich
Jhnen nicht empfehlen. Jch bin ein praktiſcher Staats-
mann, meine Aufgabe beſteht darin, Gutes zu wirken
durch Einſicht in die Verhältniſſe und kluge Benützung
der Menſchen, und das kann ich natürlich nur, ſo lange
ich meine Macht behaupte. Darin beruht meine
Weisheit. Wollte ich Jhnen ſagen, wen ich für weiſer
hielte, ſo würde ich ſelbſt aufhören, weiſe zu ſein.
Und damit Gott befohlen! Übrigens,“ rief er
mir noch nach, „wenn Sie unter einem Weiſen einen
Kerl verſtehen, der die Weisheit ſtill für ſich hinein mit
Löffeln gegeſſen hat, ſo müſſen Sie zu den Gelehrten
gehen.“
Obgleich dies nun meine Anſicht von einem Weiſen
nicht iſt, ging ich doch zu den Gelehrten, und zwar zu
einem Philoſophen; denn wer ſich ſelbſt einen Liebhaber
Laßwitz, Seifenblaſen. 9
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