Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebenundfünfzigstes Kapitel.
diesem Mann, der vielleicht Jsmas nichtmehr würdig
ist, der sich vor ihr verbirgt, sollte er, Ell, das Feld
räumen? Wenn Torm sich gegen die Nume vergangen
hatte, so war es Ells Pflicht, dies zu sühnen. Welche
Rücksicht sollte er nehmen, wenn Torm selbst seine
Rechte aufgab, oder das Recht der Nume sie ihm ab-
sprach? Und deshalb sollte Ell den grausamen Ver-
zicht auf sich nehmen, der ihm das Liebste, das Teuerste
entriß, der ihm die Wurzel im innersten Gemüte zer-
störte, aus dem seine Energie, sein Mut, sein Ver-
trauen, die ganze große Aufgabe seines Lebens die
besten Kräfte zog?

Ell ballte die Faust. "Hab' ich mein Sein hin-
gegeben für die Sache, so will ich auch mein Glück
mir erobern! Wo ist er, dem ich sie geben soll, die
ich mir verdient habe, die mir gehört? Wo ist er?
Verschwunden -- nun gut -- er bleibe verschwunden!"

Er sank in seinen Stuhl zurück und verfiel in
dumpfes Brüten. Tiefe Stille herrschte in dem weiten
Raume, nur von Zeit zu Zeit entrang sich seiner
Brust ein Seufzer, ohne daß er darum wußte. Und
er wußte nicht, daß die Zeit verging, daß das Dunkel
des Abends sich über die Stadt gelegt hatte -- --

Und wenn Torm doch kam? Ja, verhindern konnte
er es wohl, aber mit diesem Wissen vor Jsma treten
-- das konnte er nicht. Und sie sein nennen um den
Preis einer Schuld -- das konnte er nicht, das war
ja unmöglich. Und wer weiß -- er hatte Jsma mehrere
Tage nicht gesehen -- wenn -- wenn Torm schon
gekommen wäre? Er fuhr in die Höhe, von einem

Siebenundfünfzigſtes Kapitel.
dieſem Mann, der vielleicht Jsmas nichtmehr würdig
iſt, der ſich vor ihr verbirgt, ſollte er, Ell, das Feld
räumen? Wenn Torm ſich gegen die Nume vergangen
hatte, ſo war es Ells Pflicht, dies zu ſühnen. Welche
Rückſicht ſollte er nehmen, wenn Torm ſelbſt ſeine
Rechte aufgab, oder das Recht der Nume ſie ihm ab-
ſprach? Und deshalb ſollte Ell den grauſamen Ver-
zicht auf ſich nehmen, der ihm das Liebſte, das Teuerſte
entriß, der ihm die Wurzel im innerſten Gemüte zer-
ſtörte, aus dem ſeine Energie, ſein Mut, ſein Ver-
trauen, die ganze große Aufgabe ſeines Lebens die
beſten Kräfte zog?

Ell ballte die Fauſt. „Hab’ ich mein Sein hin-
gegeben für die Sache, ſo will ich auch mein Glück
mir erobern! Wo iſt er, dem ich ſie geben ſoll, die
ich mir verdient habe, die mir gehört? Wo iſt er?
Verſchwunden — nun gut — er bleibe verſchwunden!‟

Er ſank in ſeinen Stuhl zurück und verfiel in
dumpfes Brüten. Tiefe Stille herrſchte in dem weiten
Raume, nur von Zeit zu Zeit entrang ſich ſeiner
Bruſt ein Seufzer, ohne daß er darum wußte. Und
er wußte nicht, daß die Zeit verging, daß das Dunkel
des Abends ſich über die Stadt gelegt hatte — —

Und wenn Torm doch kam? Ja, verhindern konnte
er es wohl, aber mit dieſem Wiſſen vor Jsma treten
— das konnte er nicht. Und ſie ſein nennen um den
Preis einer Schuld — das konnte er nicht, das war
ja unmöglich. Und wer weiß — er hatte Jsma mehrere
Tage nicht geſehen — wenn — wenn Torm ſchon
gekommen wäre? Er fuhr in die Höhe, von einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0490" n="482"/><fw place="top" type="header">Siebenundfünfzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
die&#x017F;em Mann, der vielleicht Jsmas nichtmehr würdig<lb/>
i&#x017F;t, der &#x017F;ich vor ihr verbirgt, &#x017F;ollte er, Ell, das Feld<lb/>
räumen? Wenn Torm &#x017F;ich gegen die Nume vergangen<lb/>
hatte, &#x017F;o war es Ells Pflicht, dies zu &#x017F;ühnen. Welche<lb/>
Rück&#x017F;icht &#x017F;ollte er nehmen, wenn Torm &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Rechte aufgab, oder das Recht der Nume &#x017F;ie ihm ab-<lb/>
&#x017F;prach? Und deshalb &#x017F;ollte Ell den grau&#x017F;amen Ver-<lb/>
zicht auf &#x017F;ich nehmen, der ihm das Lieb&#x017F;te, das Teuer&#x017F;te<lb/>
entriß, der ihm die Wurzel im inner&#x017F;ten Gemüte zer-<lb/>
&#x017F;törte, aus dem &#x017F;eine Energie, &#x017F;ein Mut, &#x017F;ein Ver-<lb/>
trauen, die ganze große Aufgabe &#x017F;eines Lebens die<lb/>
be&#x017F;ten Kräfte zog?</p><lb/>
          <p>Ell ballte die Fau&#x017F;t. &#x201E;Hab&#x2019; ich mein Sein hin-<lb/>
gegeben für die Sache, &#x017F;o will ich auch mein Glück<lb/>
mir erobern! Wo i&#x017F;t er, dem ich &#x017F;ie geben &#x017F;oll, die<lb/>
ich mir verdient habe, die mir gehört? Wo i&#x017F;t er?<lb/>
Ver&#x017F;chwunden &#x2014; nun gut &#x2014; er bleibe ver&#x017F;chwunden!&#x201F;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;ank in &#x017F;einen Stuhl zurück und verfiel in<lb/>
dumpfes Brüten. Tiefe Stille herr&#x017F;chte in dem weiten<lb/>
Raume, nur von Zeit zu Zeit entrang &#x017F;ich &#x017F;einer<lb/>
Bru&#x017F;t ein Seufzer, ohne daß er darum wußte. Und<lb/>
er wußte nicht, daß die Zeit verging, daß das Dunkel<lb/>
des Abends &#x017F;ich über die Stadt gelegt hatte &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Und wenn Torm doch kam? Ja, verhindern konnte<lb/>
er es wohl, aber mit die&#x017F;em Wi&#x017F;&#x017F;en vor Jsma treten<lb/>
&#x2014; das konnte er nicht. Und &#x017F;ie &#x017F;ein nennen um den<lb/>
Preis einer Schuld &#x2014; das konnte er nicht, das war<lb/>
ja unmöglich. Und wer weiß &#x2014; er hatte Jsma mehrere<lb/>
Tage nicht ge&#x017F;ehen &#x2014; wenn &#x2014; wenn Torm &#x017F;chon<lb/>
gekommen wäre? Er fuhr in die Höhe, von einem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[482/0490] Siebenundfünfzigſtes Kapitel. dieſem Mann, der vielleicht Jsmas nichtmehr würdig iſt, der ſich vor ihr verbirgt, ſollte er, Ell, das Feld räumen? Wenn Torm ſich gegen die Nume vergangen hatte, ſo war es Ells Pflicht, dies zu ſühnen. Welche Rückſicht ſollte er nehmen, wenn Torm ſelbſt ſeine Rechte aufgab, oder das Recht der Nume ſie ihm ab- ſprach? Und deshalb ſollte Ell den grauſamen Ver- zicht auf ſich nehmen, der ihm das Liebſte, das Teuerſte entriß, der ihm die Wurzel im innerſten Gemüte zer- ſtörte, aus dem ſeine Energie, ſein Mut, ſein Ver- trauen, die ganze große Aufgabe ſeines Lebens die beſten Kräfte zog? Ell ballte die Fauſt. „Hab’ ich mein Sein hin- gegeben für die Sache, ſo will ich auch mein Glück mir erobern! Wo iſt er, dem ich ſie geben ſoll, die ich mir verdient habe, die mir gehört? Wo iſt er? Verſchwunden — nun gut — er bleibe verſchwunden!‟ Er ſank in ſeinen Stuhl zurück und verfiel in dumpfes Brüten. Tiefe Stille herrſchte in dem weiten Raume, nur von Zeit zu Zeit entrang ſich ſeiner Bruſt ein Seufzer, ohne daß er darum wußte. Und er wußte nicht, daß die Zeit verging, daß das Dunkel des Abends ſich über die Stadt gelegt hatte — — Und wenn Torm doch kam? Ja, verhindern konnte er es wohl, aber mit dieſem Wiſſen vor Jsma treten — das konnte er nicht. Und ſie ſein nennen um den Preis einer Schuld — das konnte er nicht, das war ja unmöglich. Und wer weiß — er hatte Jsma mehrere Tage nicht geſehen — wenn — wenn Torm ſchon gekommen wäre? Er fuhr in die Höhe, von einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/490
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/490>, abgerufen am 17.06.2024.