mehr sehen kann, ohne zu weit aus den Bäumen zu treten. Was thun wir nun, wenn sie landen?"
"Wir steigen in die Schlucht hinunter, soweit es geht. Nachklettern werden sie uns nicht. Bleiben Sie bei der Frau Mutter und ziehen Sie sich inzwischen nach der Schlucht zu. Kathrin kann hier den Stuhl ein Stück tragen. Jch sehe inzwischen nach dem Schiffe."
Saltner brachte seine Mutter mit Hilfe der Magd bis an die Stelle, wo die Schlucht begann. Hier kletterte er selbst weiter, um den Weg zu untersuchen. Es ging zunächst steil bergab, aber es schien ihm möglich, doch noch hier herabzukommen. Nach einer kurzen Strecke erweiterte sich die Schlucht zu einem kleinen, von fast senkrechten Wänden umgebenen Fels- kessel. Den nahezu ebenen Boden, auf dem ein kleines Bächlein entsprang, bedeckte kurzer Rasen. Jm Sonnen- schein funkelten die Wassertropfen auf den Halmen, kleine blaue Schmetterlinge und weißschimmernde große Apollofalter spielten in diesem stillen Winkel. Die Quelle rieselte als schmales Rinnsal der Felswand zu, die sie in einer kleinen Klamm durchbrach. Aber die Neigung war gering, Saltner schritt durch das seichte Wasser und überzeugte sich, daß sich dahinter der Boden des Thales erweiterte. War man einmal bis hierher vorgedrungen, so mochte der weitere Abstieg wohl gelingen. Nun beeilte er sich zurückzukehren.
Er hatte etwa zwei Drittel des Aufstiegs kletternd zurückgelegt, als er zu seinem Erstaunen von Baum zu Baum ein Seil nach oben hin ausgespannt fand. Bald begegnete ihm Palaoro, der Frau Saltner auf
Fünfundfünfzigſtes Kapitel.
mehr ſehen kann, ohne zu weit aus den Bäumen zu treten. Was thun wir nun, wenn ſie landen?‟
„Wir ſteigen in die Schlucht hinunter, ſoweit es geht. Nachklettern werden ſie uns nicht. Bleiben Sie bei der Frau Mutter und ziehen Sie ſich inzwiſchen nach der Schlucht zu. Kathrin kann hier den Stuhl ein Stück tragen. Jch ſehe inzwiſchen nach dem Schiffe.‟
Saltner brachte ſeine Mutter mit Hilfe der Magd bis an die Stelle, wo die Schlucht begann. Hier kletterte er ſelbſt weiter, um den Weg zu unterſuchen. Es ging zunächſt ſteil bergab, aber es ſchien ihm möglich, doch noch hier herabzukommen. Nach einer kurzen Strecke erweiterte ſich die Schlucht zu einem kleinen, von faſt ſenkrechten Wänden umgebenen Fels- keſſel. Den nahezu ebenen Boden, auf dem ein kleines Bächlein entſprang, bedeckte kurzer Raſen. Jm Sonnen- ſchein funkelten die Waſſertropfen auf den Halmen, kleine blaue Schmetterlinge und weißſchimmernde große Apollofalter ſpielten in dieſem ſtillen Winkel. Die Quelle rieſelte als ſchmales Rinnſal der Felswand zu, die ſie in einer kleinen Klamm durchbrach. Aber die Neigung war gering, Saltner ſchritt durch das ſeichte Waſſer und überzeugte ſich, daß ſich dahinter der Boden des Thales erweiterte. War man einmal bis hierher vorgedrungen, ſo mochte der weitere Abſtieg wohl gelingen. Nun beeilte er ſich zurückzukehren.
Er hatte etwa zwei Drittel des Aufſtiegs kletternd zurückgelegt, als er zu ſeinem Erſtaunen von Baum zu Baum ein Seil nach oben hin ausgeſpannt fand. Bald begegnete ihm Palaoro, der Frau Saltner auf
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Fünfundfünfzigſtes Kapitel.
mehr ſehen kann, ohne zu weit aus den Bäumen zu
treten. Was thun wir nun, wenn ſie landen?‟
„Wir ſteigen in die Schlucht hinunter, ſoweit es
geht. Nachklettern werden ſie uns nicht. Bleiben Sie
bei der Frau Mutter und ziehen Sie ſich inzwiſchen
nach der Schlucht zu. Kathrin kann hier den Stuhl
ein Stück tragen. Jch ſehe inzwiſchen nach dem Schiffe.‟
Saltner brachte ſeine Mutter mit Hilfe der Magd
bis an die Stelle, wo die Schlucht begann. Hier
kletterte er ſelbſt weiter, um den Weg zu unterſuchen.
Es ging zunächſt ſteil bergab, aber es ſchien ihm
möglich, doch noch hier herabzukommen. Nach einer
kurzen Strecke erweiterte ſich die Schlucht zu einem
kleinen, von faſt ſenkrechten Wänden umgebenen Fels-
keſſel. Den nahezu ebenen Boden, auf dem ein kleines
Bächlein entſprang, bedeckte kurzer Raſen. Jm Sonnen-
ſchein funkelten die Waſſertropfen auf den Halmen,
kleine blaue Schmetterlinge und weißſchimmernde große
Apollofalter ſpielten in dieſem ſtillen Winkel. Die
Quelle rieſelte als ſchmales Rinnſal der Felswand zu,
die ſie in einer kleinen Klamm durchbrach. Aber die
Neigung war gering, Saltner ſchritt durch das ſeichte
Waſſer und überzeugte ſich, daß ſich dahinter der
Boden des Thales erweiterte. War man einmal bis
hierher vorgedrungen, ſo mochte der weitere Abſtieg wohl
gelingen. Nun beeilte er ſich zurückzukehren.
Er hatte etwa zwei Drittel des Aufſtiegs kletternd
zurückgelegt, als er zu ſeinem Erſtaunen von Baum
zu Baum ein Seil nach oben hin ausgeſpannt fand.
Bald begegnete ihm Palaoro, der Frau Saltner auf
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/450>, abgerufen am 22.11.2024.
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