langte. Sie hofften, daß der Nebel noch anhalten werde.
Vor Sonnenaufgang verließ Saltner die Hütte und bestieg den Bergrücken, der den Blick nach Norden und Westen gestattete. Hinter den Zacken der Dolo- miten strahlte der Himmel in leuchtendem Rot. Ein Meer von weißen Nebeln wogte in den Thälern, und nur die Gipfel der Berge blickten wie Jnseln aus ihm hervor. Rosig glühten die Schneeriesen im Westen, und ihre höchsten Häupter glänzten bereits im Sonnenlicht. Saltner spähte nach der Gegend, wo Bozen unter Nebeln verborgen lag. Und da -- siehe -- aus den weißen Wolken tauchten zwei dunkle Punkte auf, deut- lich hoben sie sich jetzt gegen den hellen Himmel ab. Er richtete sein Fernglas darauf. Es war kein Zweifel, es waren die beiden Luftschiffe, die sich zu seiner Ver- folgung aufmachten. Er eilte den Berg hinab.
"Wir müssen fort", sagte er zu Palaoro. "Sie suchen uns, und der Tag wird klar werden. Aber sie fahren nach Südost, wir werden also noch Zeit haben, ehe sie bis hierher kommen. Für den Anfang steigen auch die Nebel noch herauf, wir müssen sehen, daß wie zur rechten Zeit Deckung finden."
Der Zug setzte sich in Bewegung. Saltner und Palaoro trugen den Tragstuhl mit Frau Saltner. Katharina schritt, ebenfalls mit Gepäck beladen, hinterher. Es ging die Bergwand im Südwesten hinauf, dann über ein weites Plateau. Man kam nur langsam vor- wärts. Oft mußte geruht werden. Endlich waren die Felsen am Rande des Plateaus erreicht, das sich
Fünfundfünfzigſtes Kapitel.
langte. Sie hofften, daß der Nebel noch anhalten werde.
Vor Sonnenaufgang verließ Saltner die Hütte und beſtieg den Bergrücken, der den Blick nach Norden und Weſten geſtattete. Hinter den Zacken der Dolo- miten ſtrahlte der Himmel in leuchtendem Rot. Ein Meer von weißen Nebeln wogte in den Thälern, und nur die Gipfel der Berge blickten wie Jnſeln aus ihm hervor. Roſig glühten die Schneerieſen im Weſten, und ihre höchſten Häupter glänzten bereits im Sonnenlicht. Saltner ſpähte nach der Gegend, wo Bozen unter Nebeln verborgen lag. Und da — ſiehe — aus den weißen Wolken tauchten zwei dunkle Punkte auf, deut- lich hoben ſie ſich jetzt gegen den hellen Himmel ab. Er richtete ſein Fernglas darauf. Es war kein Zweifel, es waren die beiden Luftſchiffe, die ſich zu ſeiner Ver- folgung aufmachten. Er eilte den Berg hinab.
„Wir müſſen fort‟, ſagte er zu Palaoro. „Sie ſuchen uns, und der Tag wird klar werden. Aber ſie fahren nach Südoſt, wir werden alſo noch Zeit haben, ehe ſie bis hierher kommen. Für den Anfang ſteigen auch die Nebel noch herauf, wir müſſen ſehen, daß wie zur rechten Zeit Deckung finden.‟
Der Zug ſetzte ſich in Bewegung. Saltner und Palaoro trugen den Tragſtuhl mit Frau Saltner. Katharina ſchritt, ebenfalls mit Gepäck beladen, hinterher. Es ging die Bergwand im Südweſten hinauf, dann über ein weites Plateau. Man kam nur langſam vor- wärts. Oft mußte geruht werden. Endlich waren die Felſen am Rande des Plateaus erreicht, das ſich
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Fünfundfünfzigſtes Kapitel.
langte. Sie hofften, daß der Nebel noch anhalten
werde.
Vor Sonnenaufgang verließ Saltner die Hütte
und beſtieg den Bergrücken, der den Blick nach Norden
und Weſten geſtattete. Hinter den Zacken der Dolo-
miten ſtrahlte der Himmel in leuchtendem Rot. Ein
Meer von weißen Nebeln wogte in den Thälern, und
nur die Gipfel der Berge blickten wie Jnſeln aus ihm
hervor. Roſig glühten die Schneerieſen im Weſten, und
ihre höchſten Häupter glänzten bereits im Sonnenlicht.
Saltner ſpähte nach der Gegend, wo Bozen unter
Nebeln verborgen lag. Und da — ſiehe — aus den
weißen Wolken tauchten zwei dunkle Punkte auf, deut-
lich hoben ſie ſich jetzt gegen den hellen Himmel ab.
Er richtete ſein Fernglas darauf. Es war kein Zweifel,
es waren die beiden Luftſchiffe, die ſich zu ſeiner Ver-
folgung aufmachten. Er eilte den Berg hinab.
„Wir müſſen fort‟, ſagte er zu Palaoro. „Sie
ſuchen uns, und der Tag wird klar werden. Aber ſie
fahren nach Südoſt, wir werden alſo noch Zeit haben,
ehe ſie bis hierher kommen. Für den Anfang ſteigen
auch die Nebel noch herauf, wir müſſen ſehen, daß
wie zur rechten Zeit Deckung finden.‟
Der Zug ſetzte ſich in Bewegung. Saltner und
Palaoro trugen den Tragſtuhl mit Frau Saltner.
Katharina ſchritt, ebenfalls mit Gepäck beladen, hinterher.
Es ging die Bergwand im Südweſten hinauf, dann
über ein weites Plateau. Man kam nur langſam vor-
wärts. Oft mußte geruht werden. Endlich waren
die Felſen am Rande des Plateaus erreicht, das ſich
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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