Neunundzwanzigstes Kapitel. Das heimliche Frühstück.
Jsma und Ell standen vor einem prachtvollen Portale, das die Aufschrift trug: "Museum der schönen Künste." Es führte auf eine kreisförmige Galerie, die eine mächtige Rotunde umschloß. Der Blick öffnete sich sowohl nach unten wie noch oben. Man glaubte unten in das Gewühl des wirklichen Lebens zu blicken, in rascher Veränderung, von den Seiten immer neu herandrängend, sah man Gestalten in ihren gewohnten Beschäftigungen, in der Arbeit des Tages, andere mit dem Ausdruck des Leidens und den Mängeln der Wirklichkeit. Aber in der Mitte empor- wallende Nebel umhüllten diese Figuren und hoben sie langsam in die Höhe. Je höher sie emporstiegen, um so mehr verschwand der Nebel und löste sich nach oben in immer helleres Licht auf. Die Gestalten wechselten ihren Ausdruck, ihre Blicke wurden frei, ihre Mienen verklärt, sie waren zu Werken der Kunst, zu reinen Formen geworden. Sie schienen zu ruhen und doch
[Abbildung]
Neunundzwanzigſtes Kapitel. Das heimliche Frühſtück.
Jsma und Ell ſtanden vor einem prachtvollen Portale, das die Aufſchrift trug: „Muſeum der ſchönen Künſte.‟ Es führte auf eine kreisförmige Galerie, die eine mächtige Rotunde umſchloß. Der Blick öffnete ſich ſowohl nach unten wie noch oben. Man glaubte unten in das Gewühl des wirklichen Lebens zu blicken, in raſcher Veränderung, von den Seiten immer neu herandrängend, ſah man Geſtalten in ihren gewohnten Beſchäftigungen, in der Arbeit des Tages, andere mit dem Ausdruck des Leidens und den Mängeln der Wirklichkeit. Aber in der Mitte empor- wallende Nebel umhüllten dieſe Figuren und hoben ſie langſam in die Höhe. Je höher ſie emporſtiegen, um ſo mehr verſchwand der Nebel und löſte ſich nach oben in immer helleres Licht auf. Die Geſtalten wechſelten ihren Ausdruck, ihre Blicke wurden frei, ihre Mienen verklärt, ſie waren zu Werken der Kunſt, zu reinen Formen geworden. Sie ſchienen zu ruhen und doch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0044"n="[36]"/><figure/><lb/></div><divn="2"><head>Neunundzwanzigſtes Kapitel.<lb/><hirendition="#b">Das heimliche Frühſtück.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>sma und Ell ſtanden vor einem prachtvollen<lb/>
Portale, das die Aufſchrift trug: „Muſeum der<lb/>ſchönen Künſte.‟ Es führte auf eine kreisförmige<lb/>
Galerie, die eine mächtige Rotunde umſchloß. Der<lb/>
Blick öffnete ſich ſowohl nach unten wie noch oben.<lb/>
Man glaubte unten in das Gewühl des wirklichen<lb/>
Lebens zu blicken, in raſcher Veränderung, von den<lb/>
Seiten immer neu herandrängend, ſah man Geſtalten<lb/>
in ihren gewohnten Beſchäftigungen, in der Arbeit des<lb/>
Tages, andere mit dem Ausdruck des Leidens und den<lb/>
Mängeln der Wirklichkeit. Aber in der Mitte empor-<lb/>
wallende Nebel umhüllten dieſe Figuren und hoben ſie<lb/>
langſam in die Höhe. Je höher ſie emporſtiegen, um<lb/>ſo mehr verſchwand der Nebel und löſte ſich nach oben<lb/>
in immer helleres Licht auf. Die Geſtalten wechſelten<lb/>
ihren Ausdruck, ihre Blicke wurden frei, ihre Mienen<lb/>
verklärt, ſie waren zu Werken der Kunſt, zu reinen<lb/>
Formen geworden. Sie ſchienen zu ruhen und doch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[36]/0044]
[Abbildung]
Neunundzwanzigſtes Kapitel.
Das heimliche Frühſtück.
Jsma und Ell ſtanden vor einem prachtvollen
Portale, das die Aufſchrift trug: „Muſeum der
ſchönen Künſte.‟ Es führte auf eine kreisförmige
Galerie, die eine mächtige Rotunde umſchloß. Der
Blick öffnete ſich ſowohl nach unten wie noch oben.
Man glaubte unten in das Gewühl des wirklichen
Lebens zu blicken, in raſcher Veränderung, von den
Seiten immer neu herandrängend, ſah man Geſtalten
in ihren gewohnten Beſchäftigungen, in der Arbeit des
Tages, andere mit dem Ausdruck des Leidens und den
Mängeln der Wirklichkeit. Aber in der Mitte empor-
wallende Nebel umhüllten dieſe Figuren und hoben ſie
langſam in die Höhe. Je höher ſie emporſtiegen, um
ſo mehr verſchwand der Nebel und löſte ſich nach oben
in immer helleres Licht auf. Die Geſtalten wechſelten
ihren Ausdruck, ihre Blicke wurden frei, ihre Mienen
verklärt, ſie waren zu Werken der Kunſt, zu reinen
Formen geworden. Sie ſchienen zu ruhen und doch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. [36]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/44>, abgerufen am 31.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.