Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Dreiundvierzigstes Kapitel.
des Gebäudes. Er nahm den Hut ab und trocknete
die Stirn. Sein Gesicht war tief gebräunt und trug
die Spuren harter Entbehrungen und schwerer Sorgen,
die ihm das Haar gebleicht hatten. Mit einem plötz-
lichen Entschluß zog er die Klingel.

Es dauerte lange, ehe sich ein Schritt hören ließ.
Ein junger Hausbursche öffnete die Thür.

"Jst der Herr Direktor zu sprechen?" fragte der
Fremde mit tiefer Stimme.

"Der Herr Doktor Grunthe ist ausgegangen,"
antwortete der Diener. "Aber um halb neun kommt
er wieder."

"Jst denn Herr Dr. Ell nicht mehr hier?"

"Den kenne ich nicht. Oder -- Sie meinen doch
nicht etwa -- aber das wissen Sie ja --"

"Jch meine den Herrn Dr. Ell, der die Stern-
warte gebaut hat."

"Ja -- der Herr Kultor residieren doch in Berlin --"

Der Fremde schüttelte den Kopf. "Jch werde in
einer Stunde wiederkommen", sagte er dann kurz.

Er wandte sich um und ging. Der Herr Kultor?
Was sollte das heißen? Er wußte es nicht. Gleichviel,
er würde ihn finden. Also Grunthe war hier. Das
war ihm lieb, bei ihm konnte er Auskunft erhalten.
Aber wohin inzwischen?

Einige Häuser weiter, in einem Nebengäßchen,
leuchtete eine rote Laterne. Er fühlte das Bedürfnis
nach Speise und Trank. Er wußte, die Laterne be-
zeichnete ein untergeordnetes Vorstadtlokal; von den
Gästen, die dort verkehrten, kannte ihn gewiß niemand,

Dreiundvierzigſtes Kapitel.
des Gebäudes. Er nahm den Hut ab und trocknete
die Stirn. Sein Geſicht war tief gebräunt und trug
die Spuren harter Entbehrungen und ſchwerer Sorgen,
die ihm das Haar gebleicht hatten. Mit einem plötz-
lichen Entſchluß zog er die Klingel.

Es dauerte lange, ehe ſich ein Schritt hören ließ.
Ein junger Hausburſche öffnete die Thür.

„Jſt der Herr Direktor zu ſprechen?‟ fragte der
Fremde mit tiefer Stimme.

„Der Herr Doktor Grunthe iſt ausgegangen,‟
antwortete der Diener. „Aber um halb neun kommt
er wieder.‟

„Jſt denn Herr Dr. Ell nicht mehr hier?‟

„Den kenne ich nicht. Oder — Sie meinen doch
nicht etwa — aber das wiſſen Sie ja —‟

„Jch meine den Herrn Dr. Ell, der die Stern-
warte gebaut hat.‟

„Ja — der Herr Kultor reſidieren doch in Berlin —‟

Der Fremde ſchüttelte den Kopf. „Jch werde in
einer Stunde wiederkommen‟, ſagte er dann kurz.

Er wandte ſich um und ging. Der Herr Kultor?
Was ſollte das heißen? Er wußte es nicht. Gleichviel,
er würde ihn finden. Alſo Grunthe war hier. Das
war ihm lieb, bei ihm konnte er Auskunft erhalten.
Aber wohin inzwiſchen?

Einige Häuſer weiter, in einem Nebengäßchen,
leuchtete eine rote Laterne. Er fühlte das Bedürfnis
nach Speiſe und Trank. Er wußte, die Laterne be-
zeichnete ein untergeordnetes Vorſtadtlokal; von den
Gäſten, die dort verkehrten, kannte ihn gewiß niemand,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0254" n="246"/><fw place="top" type="header">Dreiundvierzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
des Gebäudes. Er nahm den Hut ab und trocknete<lb/>
die Stirn. Sein Ge&#x017F;icht war tief gebräunt und trug<lb/>
die Spuren harter Entbehrungen und &#x017F;chwerer Sorgen,<lb/>
die ihm das Haar gebleicht hatten. Mit einem plötz-<lb/>
lichen Ent&#x017F;chluß zog er die Klingel.</p><lb/>
          <p>Es dauerte lange, ehe &#x017F;ich ein Schritt hören ließ.<lb/>
Ein junger Hausbur&#x017F;che öffnete die Thür.</p><lb/>
          <p>&#x201E;J&#x017F;t der Herr Direktor zu &#x017F;prechen?&#x201F; fragte der<lb/>
Fremde mit tiefer Stimme.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Herr Doktor Grunthe i&#x017F;t ausgegangen,&#x201F;<lb/>
antwortete der Diener. &#x201E;Aber um halb neun kommt<lb/>
er wieder.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;J&#x017F;t denn Herr Dr. Ell nicht mehr hier?&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Den kenne ich nicht. Oder &#x2014; Sie meinen doch<lb/>
nicht etwa &#x2014; aber das wi&#x017F;&#x017F;en Sie ja &#x2014;&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch meine den Herrn Dr. Ell, der die Stern-<lb/>
warte gebaut hat.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja &#x2014; der Herr Kultor re&#x017F;idieren doch in Berlin &#x2014;&#x201F;</p><lb/>
          <p>Der Fremde &#x017F;chüttelte den Kopf. &#x201E;Jch werde in<lb/>
einer Stunde wiederkommen&#x201F;, &#x017F;agte er dann kurz.</p><lb/>
          <p>Er wandte &#x017F;ich um und ging. Der Herr Kultor?<lb/>
Was &#x017F;ollte das heißen? Er wußte es nicht. Gleichviel,<lb/>
er würde ihn finden. Al&#x017F;o Grunthe war hier. Das<lb/>
war ihm lieb, bei ihm konnte er Auskunft erhalten.<lb/>
Aber wohin inzwi&#x017F;chen?</p><lb/>
          <p>Einige Häu&#x017F;er weiter, in einem Nebengäßchen,<lb/>
leuchtete eine rote Laterne. Er fühlte das Bedürfnis<lb/>
nach Spei&#x017F;e und Trank. Er wußte, die Laterne be-<lb/>
zeichnete ein untergeordnetes Vor&#x017F;tadtlokal; von den<lb/>&#x017F;ten, die dort verkehrten, kannte ihn gewiß niemand,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0254] Dreiundvierzigſtes Kapitel. des Gebäudes. Er nahm den Hut ab und trocknete die Stirn. Sein Geſicht war tief gebräunt und trug die Spuren harter Entbehrungen und ſchwerer Sorgen, die ihm das Haar gebleicht hatten. Mit einem plötz- lichen Entſchluß zog er die Klingel. Es dauerte lange, ehe ſich ein Schritt hören ließ. Ein junger Hausburſche öffnete die Thür. „Jſt der Herr Direktor zu ſprechen?‟ fragte der Fremde mit tiefer Stimme. „Der Herr Doktor Grunthe iſt ausgegangen,‟ antwortete der Diener. „Aber um halb neun kommt er wieder.‟ „Jſt denn Herr Dr. Ell nicht mehr hier?‟ „Den kenne ich nicht. Oder — Sie meinen doch nicht etwa — aber das wiſſen Sie ja —‟ „Jch meine den Herrn Dr. Ell, der die Stern- warte gebaut hat.‟ „Ja — der Herr Kultor reſidieren doch in Berlin —‟ Der Fremde ſchüttelte den Kopf. „Jch werde in einer Stunde wiederkommen‟, ſagte er dann kurz. Er wandte ſich um und ging. Der Herr Kultor? Was ſollte das heißen? Er wußte es nicht. Gleichviel, er würde ihn finden. Alſo Grunthe war hier. Das war ihm lieb, bei ihm konnte er Auskunft erhalten. Aber wohin inzwiſchen? Einige Häuſer weiter, in einem Nebengäßchen, leuchtete eine rote Laterne. Er fühlte das Bedürfnis nach Speiſe und Trank. Er wußte, die Laterne be- zeichnete ein untergeordnetes Vorſtadtlokal; von den Gäſten, die dort verkehrten, kannte ihn gewiß niemand,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/254
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/254>, abgerufen am 23.11.2024.