Jhre Köpfe berührten sich. Lange betrachtete La die Gegend, als wollte sie sich jede Einzelheit einprägen. Saltner trat beiseite.
"Jch hab' nun genug geschaut, mir thun die Augen weh", sagte er und zog sich auf einen der Stühle zu- rück. Er bedeckte die Augen mit der Hand und saß schweigend. La setzte sich neben ihn und drückte leise seine Linke.
Nach längerer Pause, während deren Fru die Schattengrenze der Erde betrachten ließ, die jetzt schon bis an den Ural vorgerückt war, sagte La zu Saltner:
"Du möchtest wohl jetzt den Mars nicht mehr sehen?"
"Warum nicht?" entgegnete Saltner. "Jch will ihn auch lieb gewinnen -- aber Du mußt verzeihen! Es ist ein bissel viel auf einmal, was jetzt durch meinen dummen Menschenverstand geht."
"Ja, ihr armen Menschen", sagte La, "es wird wohl noch ein Weilchen dauern, eh' ich recht begreife, wie es in solchem Kopfe aussieht. Die Heimat lieb haben und die Eltern und die Freunde, das ist gut. Und was gut ist, wie kann das traurig machen?"
"Wenn man es nicht hat --"
"Nicht hat? Wie kann man das nicht haben, was doch nur vom Willen abhängt? Wer kann Dir die Treue nehmen, die Du für recht hältst? Diese Liebe hast Du doch, ob hier oder dort, weil Du sie selbst bist."
"Aber La, kennt ihr Nume die Sehnsucht nicht?"
"Die Sehnsucht? Siehst Du, Du thörichter Lieber, was wirfst Du doch durcheinander! Also bist Du gar nicht gut aus reinem Willen, sondern Dich treibt das
Sechzehntes Kapitel.
Jhre Köpfe berührten ſich. Lange betrachtete La die Gegend, als wollte ſie ſich jede Einzelheit einprägen. Saltner trat beiſeite.
„Jch hab’ nun genug geſchaut, mir thun die Augen weh‟, ſagte er und zog ſich auf einen der Stühle zu- rück. Er bedeckte die Augen mit der Hand und ſaß ſchweigend. La ſetzte ſich neben ihn und drückte leiſe ſeine Linke.
Nach längerer Pauſe, während deren Fru die Schattengrenze der Erde betrachten ließ, die jetzt ſchon bis an den Ural vorgerückt war, ſagte La zu Saltner:
„Du möchteſt wohl jetzt den Mars nicht mehr ſehen?‟
„Warum nicht?‟ entgegnete Saltner. „Jch will ihn auch lieb gewinnen — aber Du mußt verzeihen! Es iſt ein biſſel viel auf einmal, was jetzt durch meinen dummen Menſchenverſtand geht.‟
„Ja, ihr armen Menſchen‟, ſagte La, „es wird wohl noch ein Weilchen dauern, eh’ ich recht begreife, wie es in ſolchem Kopfe ausſieht. Die Heimat lieb haben und die Eltern und die Freunde, das iſt gut. Und was gut iſt, wie kann das traurig machen?‟
„Wenn man es nicht hat —‟
„Nicht hat? Wie kann man das nicht haben, was doch nur vom Willen abhängt? Wer kann Dir die Treue nehmen, die Du für recht hältſt? Dieſe Liebe haſt Du doch, ob hier oder dort, weil Du ſie ſelbſt biſt.‟
„Aber La, kennt ihr Nume die Sehnſucht nicht?‟
„Die Sehnſucht? Siehſt Du, Du thörichter Lieber, was wirfſt Du doch durcheinander! Alſo biſt Du gar nicht gut aus reinem Willen, ſondern Dich treibt das
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Sechzehntes Kapitel.
Jhre Köpfe berührten ſich. Lange betrachtete La
die Gegend, als wollte ſie ſich jede Einzelheit einprägen.
Saltner trat beiſeite.
„Jch hab’ nun genug geſchaut, mir thun die Augen
weh‟, ſagte er und zog ſich auf einen der Stühle zu-
rück. Er bedeckte die Augen mit der Hand und ſaß
ſchweigend. La ſetzte ſich neben ihn und drückte leiſe
ſeine Linke.
Nach längerer Pauſe, während deren Fru die
Schattengrenze der Erde betrachten ließ, die jetzt ſchon
bis an den Ural vorgerückt war, ſagte La zu Saltner:
„Du möchteſt wohl jetzt den Mars nicht mehr ſehen?‟
„Warum nicht?‟ entgegnete Saltner. „Jch will
ihn auch lieb gewinnen — aber Du mußt verzeihen!
Es iſt ein biſſel viel auf einmal, was jetzt durch meinen
dummen Menſchenverſtand geht.‟
„Ja, ihr armen Menſchen‟, ſagte La, „es wird
wohl noch ein Weilchen dauern, eh’ ich recht begreife,
wie es in ſolchem Kopfe ausſieht. Die Heimat lieb
haben und die Eltern und die Freunde, das iſt gut.
Und was gut iſt, wie kann das traurig machen?‟
„Wenn man es nicht hat —‟
„Nicht hat? Wie kann man das nicht haben, was
doch nur vom Willen abhängt? Wer kann Dir die
Treue nehmen, die Du für recht hältſt? Dieſe Liebe
haſt Du doch, ob hier oder dort, weil Du ſie ſelbſt biſt.‟
„Aber La, kennt ihr Nume die Sehnſucht nicht?‟
„Die Sehnſucht? Siehſt Du, Du thörichter Lieber,
was wirfſt Du doch durcheinander! Alſo biſt Du gar
nicht gut aus reinem Willen, ſondern Dich treibt das
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/258>, abgerufen am 16.02.2025.
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