Lehrsatz des extremen Realismus gebracht, daß die Univer- salien diese Existenz vor derjenigen der Individuen besäßen. Der gemäßigte Realismus, mehr aristotelischen Einflüssen nach- gebend, formuliert den Satz Universalia in re, d. h. die all- gemeinen Begriffe existieren zwar real, aber nur in den Indi- viduen. Beiden gegenüber tritt der Nominalismus, welcher behauptet, daß die allgemeinen Begriffe nur gemeinsame Namen für die gleichartigen Individuen seien, die unter denselben zusammengefaßt werden; nur die Individuen existieren real, die Universalia post rem.
Der extreme Realismus während der ersten Periode des mittelalterlichen Denkens vermag zur Entwickelung des Kör- perbegriffs nichts weiter beizutragen, während die einzelnen Wendungen des vermittelnden Realismus mit seinen zum Teil nominalistischen Neigungen Gelegenheit geben, auch das Wesen des Einzelkörpers der Betrachtung zu unterziehen. In neuer Weise fördernd tritt erst der Nominalismus auf. Denn indem die Realität lediglich in die Individuen verlegt wird, die allgemeinen Begriffe zu Abstraktionsresultaten des denkenden Menschen werden, zu bloßen Namen, so gewinnt wieder das einzelne Naturobjekt volle Geltung, die Sinnlichkeit tritt in ihre Rechte; die Realität beruft sich auf die Wahrnehmung, und die Erfahrung lenkt die Aufmerksamkeit auf ihre uner- schöpflichen Thatsachen. Darum geht das Anwachsen des Nominalismus Hand in Hand mit dem naturwissenschaftlichen Interesse.1 Aber in der ersten Periode der Scholastik ist die Entwickelung soweit noch nicht fortgeschritten. Erst mußte die Physik des Aristoteles, erst die Naturwissenschaft der Araber bekannt sein, bis die selbständigen Regungen empiri- schen Naturerkennens mit dem Bedürfnis nominalistischer Be- griffsfassung sich lebenskräftig zeigen konnte. Noch herrscht das theologische Interesse ausschließlich, und ihm konnte nur mit dem Realismus gedient sein, der die Einheit des höchsten Begriffs, die Realität des dreieinigen Gottes gewährleistete. Der Nominalismus scheiterte, weil nach Roscellins nomina- listischer Theorie die drei Personen in Gott als einzelne Reali-
1 Vgl. auch F. Schultze, Phil. d. Naturw. I S. 221 u. a.
Nominalismus und Naturwissenschaft.
Lehrsatz des extremen Realismus gebracht, daß die Univer- salien diese Existenz vor derjenigen der Individuen besäßen. Der gemäßigte Realismus, mehr aristotelischen Einflüssen nach- gebend, formuliert den Satz Universalia in re, d. h. die all- gemeinen Begriffe existieren zwar real, aber nur in den Indi- viduen. Beiden gegenüber tritt der Nominalismus, welcher behauptet, daß die allgemeinen Begriffe nur gemeinsame Namen für die gleichartigen Individuen seien, die unter denselben zusammengefaßt werden; nur die Individuen existieren real, die Universalia post rem.
Der extreme Realismus während der ersten Periode des mittelalterlichen Denkens vermag zur Entwickelung des Kör- perbegriffs nichts weiter beizutragen, während die einzelnen Wendungen des vermittelnden Realismus mit seinen zum Teil nominalistischen Neigungen Gelegenheit geben, auch das Wesen des Einzelkörpers der Betrachtung zu unterziehen. In neuer Weise fördernd tritt erst der Nominalismus auf. Denn indem die Realität lediglich in die Individuen verlegt wird, die allgemeinen Begriffe zu Abstraktionsresultaten des denkenden Menschen werden, zu bloßen Namen, so gewinnt wieder das einzelne Naturobjekt volle Geltung, die Sinnlichkeit tritt in ihre Rechte; die Realität beruft sich auf die Wahrnehmung, und die Erfahrung lenkt die Aufmerksamkeit auf ihre uner- schöpflichen Thatsachen. Darum geht das Anwachsen des Nominalismus Hand in Hand mit dem naturwissenschaftlichen Interesse.1 Aber in der ersten Periode der Scholastik ist die Entwickelung soweit noch nicht fortgeschritten. Erst mußte die Physik des Aristoteles, erst die Naturwissenschaft der Araber bekannt sein, bis die selbständigen Regungen empiri- schen Naturerkennens mit dem Bedürfnis nominalistischer Be- griffsfassung sich lebenskräftig zeigen konnte. Noch herrscht das theologische Interesse ausschließlich, und ihm konnte nur mit dem Realismus gedient sein, der die Einheit des höchsten Begriffs, die Realität des dreieinigen Gottes gewährleistete. Der Nominalismus scheiterte, weil nach Roscellins nomina- listischer Theorie die drei Personen in Gott als einzelne Reali-
1 Vgl. auch F. Schultze, Phil. d. Naturw. I S. 221 u. a.
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Nominalismus und Naturwissenschaft.
Lehrsatz des extremen Realismus gebracht, daß die Univer-
salien diese Existenz vor derjenigen der Individuen besäßen.
Der gemäßigte Realismus, mehr aristotelischen Einflüssen nach-
gebend, formuliert den Satz Universalia in re, d. h. die all-
gemeinen Begriffe existieren zwar real, aber nur in den Indi-
viduen. Beiden gegenüber tritt der Nominalismus, welcher
behauptet, daß die allgemeinen Begriffe nur gemeinsame Namen
für die gleichartigen Individuen seien, die unter denselben
zusammengefaßt werden; nur die Individuen existieren real,
die Universalia post rem.
Der extreme Realismus während der ersten Periode des
mittelalterlichen Denkens vermag zur Entwickelung des Kör-
perbegriffs nichts weiter beizutragen, während die einzelnen
Wendungen des vermittelnden Realismus mit seinen zum Teil
nominalistischen Neigungen Gelegenheit geben, auch das Wesen
des Einzelkörpers der Betrachtung zu unterziehen. In neuer
Weise fördernd tritt erst der Nominalismus auf. Denn indem
die Realität lediglich in die Individuen verlegt wird, die
allgemeinen Begriffe zu Abstraktionsresultaten des denkenden
Menschen werden, zu bloßen Namen, so gewinnt wieder das
einzelne Naturobjekt volle Geltung, die Sinnlichkeit tritt in
ihre Rechte; die Realität beruft sich auf die Wahrnehmung,
und die Erfahrung lenkt die Aufmerksamkeit auf ihre uner-
schöpflichen Thatsachen. Darum geht das Anwachsen des
Nominalismus Hand in Hand mit dem naturwissenschaftlichen
Interesse. 1 Aber in der ersten Periode der Scholastik ist die
Entwickelung soweit noch nicht fortgeschritten. Erst mußte
die Physik des Aristoteles, erst die Naturwissenschaft der
Araber bekannt sein, bis die selbständigen Regungen empiri-
schen Naturerkennens mit dem Bedürfnis nominalistischer Be-
griffsfassung sich lebenskräftig zeigen konnte. Noch herrscht
das theologische Interesse ausschließlich, und ihm konnte nur
mit dem Realismus gedient sein, der die Einheit des höchsten
Begriffs, die Realität des dreieinigen Gottes gewährleistete.
Der Nominalismus scheiterte, weil nach Roscellins nomina-
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1 Vgl. auch F. Schultze, Phil. d. Naturw. I S. 221 u. a.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/76>, abgerufen am 25.11.2024.
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