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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Stockung i. d. Entwickelung der Korpuskulartheorie.
Teil der Entwickelung der Korpuskulartheorie verbirgt sich im
zweiten Viertel des Jahrhunderts in dem privaten Verkehr der
Gelehrten untereinander, als dessen Mittelpunkt wohl am besten
Mersenne (1588--1648) bezeichnet werden darf. Der Ursprung
der Korpuskulartheorien Gassendis und Descartes' aber ist am
Ende des ersten Viertels des 17. Jahrhunderts zu suchen. Zwan-
zig Jahre vergehen seit der Verweisung der disputationssüch-
tigen Atomisten aus Paris, in denen in Frankreich kein Buch
erscheint, welches korpuskulartheoretische Ansichten vortrüge,
und doch sind es gerade diese zwanzig Jahre, während welcher
in dem Gedankenkreise der bahnbrechenden Naturphilosophen
die Überzeugung sich festigt, daß die Physik nur auf korpus-
kulare Grundlage mit Erfolg zu stützen sei. Was Basso in
seinem 1621 erschienenen Buche als ein erster Vorkämpfer der
Atomistik noch unvollkommen vorträgt, tritt uns dann um die
Mitte des Jahrhunderts, zu durchgearbeitetem Systeme gereift
und gestützt auf den inzwischen mächtig erfolgten Fortschritt
der experimentierenden Physik, mit umwälzender Gewalt ent-
gegen. Die äußere Unterdrückung hat die innere Reife der
Korpuskularphilosophie bewirkt.



Neunter Abschnitt.
Die Erneuerung der Korpuskulartheorie in Italien.


1. Berigard.

Ungefähr zu derselben Zeit, in welcher Descartes und
Gassendi mit ihren vollständigen und durchgreifenden Theorien
der Materie an die Öffentlichkeit treten, finden wir in Italien
Berigard und Magnenus, ebenfalls zwei Franzosen von Geburt,
als Vertreter einer ausführlichen Korpuskularphysik. Die von
ihnen vorgetragenen korpuskulartheoretischen Lehren sind jedoch
keineswegs konsequent durchgebildet und tragen einen so
eklektischen Charakter, daß sie höchstens mit den in Deutsch-

Stockung i. d. Entwickelung der Korpuskulartheorie.
Teil der Entwickelung der Korpuskulartheorie verbirgt sich im
zweiten Viertel des Jahrhunderts in dem privaten Verkehr der
Gelehrten untereinander, als dessen Mittelpunkt wohl am besten
Mersenne (1588—1648) bezeichnet werden darf. Der Ursprung
der Korpuskulartheorien Gassendis und Descartes’ aber ist am
Ende des ersten Viertels des 17. Jahrhunderts zu suchen. Zwan-
zig Jahre vergehen seit der Verweisung der disputationssüch-
tigen Atomisten aus Paris, in denen in Frankreich kein Buch
erscheint, welches korpuskulartheoretische Ansichten vortrüge,
und doch sind es gerade diese zwanzig Jahre, während welcher
in dem Gedankenkreise der bahnbrechenden Naturphilosophen
die Überzeugung sich festigt, daß die Physik nur auf korpus-
kulare Grundlage mit Erfolg zu stützen sei. Was Basso in
seinem 1621 erschienenen Buche als ein erster Vorkämpfer der
Atomistik noch unvollkommen vorträgt, tritt uns dann um die
Mitte des Jahrhunderts, zu durchgearbeitetem Systeme gereift
und gestützt auf den inzwischen mächtig erfolgten Fortschritt
der experimentierenden Physik, mit umwälzender Gewalt ent-
gegen. Die äußere Unterdrückung hat die innere Reife der
Korpuskularphilosophie bewirkt.



Neunter Abschnitt.
Die Erneuerung der Korpuskulartheorie in Italien.


1. Berigard.

Ungefähr zu derselben Zeit, in welcher Descartes und
Gassendi mit ihren vollständigen und durchgreifenden Theorien
der Materie an die Öffentlichkeit treten, finden wir in Italien
Berigard und Magnenus, ebenfalls zwei Franzosen von Geburt,
als Vertreter einer ausführlichen Korpuskularphysik. Die von
ihnen vorgetragenen korpuskulartheoretischen Lehren sind jedoch
keineswegs konsequent durchgebildet und tragen einen so
eklektischen Charakter, daß sie höchstens mit den in Deutsch-

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[487/0505] Stockung i. d. Entwickelung der Korpuskulartheorie. Teil der Entwickelung der Korpuskulartheorie verbirgt sich im zweiten Viertel des Jahrhunderts in dem privaten Verkehr der Gelehrten untereinander, als dessen Mittelpunkt wohl am besten Mersenne (1588—1648) bezeichnet werden darf. Der Ursprung der Korpuskulartheorien Gassendis und Descartes’ aber ist am Ende des ersten Viertels des 17. Jahrhunderts zu suchen. Zwan- zig Jahre vergehen seit der Verweisung der disputationssüch- tigen Atomisten aus Paris, in denen in Frankreich kein Buch erscheint, welches korpuskulartheoretische Ansichten vortrüge, und doch sind es gerade diese zwanzig Jahre, während welcher in dem Gedankenkreise der bahnbrechenden Naturphilosophen die Überzeugung sich festigt, daß die Physik nur auf korpus- kulare Grundlage mit Erfolg zu stützen sei. Was Basso in seinem 1621 erschienenen Buche als ein erster Vorkämpfer der Atomistik noch unvollkommen vorträgt, tritt uns dann um die Mitte des Jahrhunderts, zu durchgearbeitetem Systeme gereift und gestützt auf den inzwischen mächtig erfolgten Fortschritt der experimentierenden Physik, mit umwälzender Gewalt ent- gegen. Die äußere Unterdrückung hat die innere Reife der Korpuskularphilosophie bewirkt. Neunter Abschnitt. Die Erneuerung der Korpuskulartheorie in Italien. 1. Berigard. Ungefähr zu derselben Zeit, in welcher Descartes und Gassendi mit ihren vollständigen und durchgreifenden Theorien der Materie an die Öffentlichkeit treten, finden wir in Italien Berigard und Magnenus, ebenfalls zwei Franzosen von Geburt, als Vertreter einer ausführlichen Korpuskularphysik. Die von ihnen vorgetragenen korpuskulartheoretischen Lehren sind jedoch keineswegs konsequent durchgebildet und tragen einen so eklektischen Charakter, daß sie höchstens mit den in Deutsch-

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/505>, abgerufen am 04.05.2024.