Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Gorlaeus: Schwere. Bewegung.
daß man das Trockene im Wasser unter Umständen nicht
mehr sieht; denn es ist nicht deshalb unsichtbar, weil es nicht
mehr ist, sondern weil seine kleinsten Teile durch die Kraft
des Feuchten voneinander getrennt werden und nun ihrer
Kleinheit wegen nicht mehr in die Sinne fallen.1

Zu diesen den Atomen inhärenten Eigenschaften sind auch
Schwere und Leichtigkeit zu zählen, jedoch sind sie nicht
eigentlich Eigenschaften, sondern die Schwere ist eine den
Atomen innewohnende Kraft, die Leichtigkeit nur die Pri-
vation der Schwere. Jedenfalls sind sie nicht aus der Lage
der Atome entstanden, vielmehr ist jedes Atom schwer und
behält seine Schwere, während der ganze Körper schwerer
oder leichter wird. Die Schwere ist eine gewisse, von Gott
den Dingen, als sie geschaffen wurden, eingeprägte (impressa)
Kraft, durch welche sie abwärts bewegt werden.2 Die Erhal-
tung der Bewegung geworfener Körper ist nicht auf die Wir-
kung des Mittels (der Luft) zurückzuführen. Alle räumliche
Bewegung beruht vielmehr darauf, daß sie durch eine gewisse
Kraft eingeprägt wird, und zwar dem bewegten vom bewe-
genden Körper, eine Art Gewicht oder Schwere, welche auf
das Ding einen Druck ausübt. Man könne diese Thatsache
nicht gut anders beschreiben. Die Beschleunigung der fallen-
den Körper wird dadurch erzeugt, daß die Kraft bei der
eigenen Bewegung sich vermehrt und der fallende Körper
sich selbst immer neue Kraft eindrückt.3 Es ist dies die Auf-
fassung der Bewegung als eine innere, sich erhaltende und selbst
vermehrende Kraft, als eine intensive Größe, wie sie sich schon
bei Benedetti (vgl. 3. Buch) findet und implicite den Satz
von der Erhaltung der Bewegung umfaßt.

Der Raum ist weder die Oberfläche des begrenzenden
Körpers, noch der Körper selbst, sondern das reine Nichts und
gleichbedeutend mit dem Vacuum.4 Innerhalb der Welt gibt
es actu kein Vacuum, wohl aber außerhalb derselben.5 Die Zeit
besteht actu aus unteilbaren Momenten, das Jetzt (#) ist

1 A. a. O. p. 145.
2 A. a. O. p. 146--148. Id. phys. p. 68.
3 Exerc. p. 192--198. Id. phys. p. 26--28.
4 Exerc. p. 214. Id. phys. p. 29.
5 Id. phys. p. 30.

Gorlaeus: Schwere. Bewegung.
daß man das Trockene im Wasser unter Umständen nicht
mehr sieht; denn es ist nicht deshalb unsichtbar, weil es nicht
mehr ist, sondern weil seine kleinsten Teile durch die Kraft
des Feuchten voneinander getrennt werden und nun ihrer
Kleinheit wegen nicht mehr in die Sinne fallen.1

Zu diesen den Atomen inhärenten Eigenschaften sind auch
Schwere und Leichtigkeit zu zählen, jedoch sind sie nicht
eigentlich Eigenschaften, sondern die Schwere ist eine den
Atomen innewohnende Kraft, die Leichtigkeit nur die Pri-
vation der Schwere. Jedenfalls sind sie nicht aus der Lage
der Atome entstanden, vielmehr ist jedes Atom schwer und
behält seine Schwere, während der ganze Körper schwerer
oder leichter wird. Die Schwere ist eine gewisse, von Gott
den Dingen, als sie geschaffen wurden, eingeprägte (impressa)
Kraft, durch welche sie abwärts bewegt werden.2 Die Erhal-
tung der Bewegung geworfener Körper ist nicht auf die Wir-
kung des Mittels (der Luft) zurückzuführen. Alle räumliche
Bewegung beruht vielmehr darauf, daß sie durch eine gewisse
Kraft eingeprägt wird, und zwar dem bewegten vom bewe-
genden Körper, eine Art Gewicht oder Schwere, welche auf
das Ding einen Druck ausübt. Man könne diese Thatsache
nicht gut anders beschreiben. Die Beschleunigung der fallen-
den Körper wird dadurch erzeugt, daß die Kraft bei der
eigenen Bewegung sich vermehrt und der fallende Körper
sich selbst immer neue Kraft eindrückt.3 Es ist dies die Auf-
fassung der Bewegung als eine innere, sich erhaltende und selbst
vermehrende Kraft, als eine intensive Größe, wie sie sich schon
bei Benedetti (vgl. 3. Buch) findet und implicite den Satz
von der Erhaltung der Bewegung umfaßt.

Der Raum ist weder die Oberfläche des begrenzenden
Körpers, noch der Körper selbst, sondern das reine Nichts und
gleichbedeutend mit dem Vacuum.4 Innerhalb der Welt gibt
es actu kein Vacuum, wohl aber außerhalb derselben.5 Die Zeit
besteht actu aus unteilbaren Momenten, das Jetzt (#) ist

1 A. a. O. p. 145.
2 A. a. O. p. 146—148. Id. phys. p. 68.
3 Exerc. p. 192—198. Id. phys. p. 26—28.
4 Exerc. p. 214. Id. phys. p. 29.
5 Id. phys. p. 30.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0476" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Gorlaeus</hi>: Schwere. Bewegung.</fw><lb/>
daß man das Trockene im Wasser unter Umständen nicht<lb/>
mehr sieht; denn es ist nicht deshalb unsichtbar, weil es nicht<lb/>
mehr ist, sondern weil seine kleinsten Teile durch die Kraft<lb/>
des Feuchten voneinander getrennt werden und nun ihrer<lb/>
Kleinheit wegen nicht mehr in die Sinne fallen.<note place="foot" n="1">A. a. O. p. 145.</note></p><lb/>
          <p>Zu diesen den Atomen inhärenten Eigenschaften sind auch<lb/>
Schwere und Leichtigkeit zu zählen, jedoch sind sie nicht<lb/>
eigentlich Eigenschaften, sondern die Schwere ist eine den<lb/>
Atomen innewohnende Kraft, die Leichtigkeit nur die Pri-<lb/>
vation der Schwere. Jedenfalls sind sie nicht aus der Lage<lb/>
der Atome entstanden, vielmehr ist jedes Atom schwer und<lb/>
behält seine Schwere, während der ganze Körper schwerer<lb/>
oder leichter wird. Die Schwere ist eine gewisse, von Gott<lb/>
den Dingen, als sie geschaffen wurden, eingeprägte (impressa)<lb/>
Kraft, durch welche sie abwärts bewegt werden.<note place="foot" n="2">A. a. O. p. 146&#x2014;148. <hi rendition="#i">Id. phys.</hi> p. 68.</note> Die Erhal-<lb/>
tung der Bewegung geworfener Körper ist nicht auf die Wir-<lb/>
kung des Mittels (der Luft) zurückzuführen. Alle räumliche<lb/>
Bewegung beruht vielmehr darauf, daß sie durch eine gewisse<lb/>
Kraft eingeprägt wird, und zwar dem bewegten vom bewe-<lb/>
genden Körper, eine Art Gewicht oder Schwere, welche auf<lb/>
das Ding einen Druck ausübt. Man könne diese Thatsache<lb/>
nicht gut anders beschreiben. Die Beschleunigung der fallen-<lb/>
den Körper wird dadurch erzeugt, daß die Kraft bei der<lb/>
eigenen Bewegung sich vermehrt und der fallende Körper<lb/>
sich selbst immer neue Kraft eindrückt.<note place="foot" n="3"><hi rendition="#i">Exerc.</hi> p. 192&#x2014;198. <hi rendition="#i">Id. phys.</hi> p. 26&#x2014;28.</note> Es ist dies die Auf-<lb/>
fassung der Bewegung als eine innere, sich erhaltende und selbst<lb/>
vermehrende Kraft, als eine intensive Größe, wie sie sich schon<lb/>
bei <hi rendition="#k">Benedetti</hi> (vgl. 3. Buch) findet und implicite den Satz<lb/>
von der Erhaltung der Bewegung umfaßt.</p><lb/>
          <p>Der Raum ist weder die Oberfläche des begrenzenden<lb/>
Körpers, noch der Körper selbst, sondern das reine Nichts und<lb/>
gleichbedeutend mit dem <hi rendition="#i">Vacuum.</hi><note place="foot" n="4"><hi rendition="#i">Exerc.</hi> p. 214. <hi rendition="#i">Id. phys.</hi> p. 29.</note> Innerhalb der Welt gibt<lb/>
es <hi rendition="#i">actu</hi> kein Vacuum, wohl aber außerhalb derselben.<note place="foot" n="5"><hi rendition="#i">Id. phys.</hi> p. 30.</note> Die Zeit<lb/>
besteht <hi rendition="#i">actu</hi> aus unteilbaren Momenten, das Jetzt <hi rendition="#i">(</hi>#<hi rendition="#i">)</hi> ist<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0476] Gorlaeus: Schwere. Bewegung. daß man das Trockene im Wasser unter Umständen nicht mehr sieht; denn es ist nicht deshalb unsichtbar, weil es nicht mehr ist, sondern weil seine kleinsten Teile durch die Kraft des Feuchten voneinander getrennt werden und nun ihrer Kleinheit wegen nicht mehr in die Sinne fallen. 1 Zu diesen den Atomen inhärenten Eigenschaften sind auch Schwere und Leichtigkeit zu zählen, jedoch sind sie nicht eigentlich Eigenschaften, sondern die Schwere ist eine den Atomen innewohnende Kraft, die Leichtigkeit nur die Pri- vation der Schwere. Jedenfalls sind sie nicht aus der Lage der Atome entstanden, vielmehr ist jedes Atom schwer und behält seine Schwere, während der ganze Körper schwerer oder leichter wird. Die Schwere ist eine gewisse, von Gott den Dingen, als sie geschaffen wurden, eingeprägte (impressa) Kraft, durch welche sie abwärts bewegt werden. 2 Die Erhal- tung der Bewegung geworfener Körper ist nicht auf die Wir- kung des Mittels (der Luft) zurückzuführen. Alle räumliche Bewegung beruht vielmehr darauf, daß sie durch eine gewisse Kraft eingeprägt wird, und zwar dem bewegten vom bewe- genden Körper, eine Art Gewicht oder Schwere, welche auf das Ding einen Druck ausübt. Man könne diese Thatsache nicht gut anders beschreiben. Die Beschleunigung der fallen- den Körper wird dadurch erzeugt, daß die Kraft bei der eigenen Bewegung sich vermehrt und der fallende Körper sich selbst immer neue Kraft eindrückt. 3 Es ist dies die Auf- fassung der Bewegung als eine innere, sich erhaltende und selbst vermehrende Kraft, als eine intensive Größe, wie sie sich schon bei Benedetti (vgl. 3. Buch) findet und implicite den Satz von der Erhaltung der Bewegung umfaßt. Der Raum ist weder die Oberfläche des begrenzenden Körpers, noch der Körper selbst, sondern das reine Nichts und gleichbedeutend mit dem Vacuum. 4 Innerhalb der Welt gibt es actu kein Vacuum, wohl aber außerhalb derselben. 5 Die Zeit besteht actu aus unteilbaren Momenten, das Jetzt (#) ist 1 A. a. O. p. 145. 2 A. a. O. p. 146—148. Id. phys. p. 68. 3 Exerc. p. 192—198. Id. phys. p. 26—28. 4 Exerc. p. 214. Id. phys. p. 29. 5 Id. phys. p. 30.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/476
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/476>, abgerufen am 22.11.2024.