Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Cardano: Sein Einfluß. Theorie der Flamme.
Qualitäten. Aber den Begriff des Elementes behält er im
ganzen bei, die Begriffe der Materie und Form beeinflussen
den Gang seiner Vorstellungen, und die Weltseele, die himm-
lische Wärme, wirkt nicht als formgebend und bestimmend,
sondern nur als die Einwirkung der geformten Materien ver-
mittelnd. Da aber Cardano lateinisch schrieb, als Mann von
großer Gelehrsamkeit auftrat und sich in Aufsehen erregende
wissenschaftliche Streitigkeiten -- sein Gegner war der be-
rühmte Julius Cäsar Scaliger (1484--1558) -- verwickelt
sah, so wurde sein Einfluß auf die gelehrte Welt, der Para-
celsus
zu roh und abstoßend erschien, ein sehr bedeutender.
Sein Ruf als Arzt und namentlich auch als Mathematiker war
groß, und selbst in der praktischen Physik hat er einiges ge-
leistet durch Anstellen von Messungen über die Dichtigkeit
der Körper und Angabe verschiedener Maschinen. Einen Fort-
schritt, der hier erwähnt zu werden verdient, bildet seine
Theorie der Flamme. Da das Feuer bei ihm durch Bewegung
entsteht, so ist die Flamme in fortwährender Bewegung, und
zwar ist sie nichts anderes, als entzündete Luft. Die Flamme
bedarf zu ihrer Erhaltung der Nahrung und der Luft. Sie
bleibt nicht dieselbe, sondern sie ist in unablässiger Erneuerung
begriffen, einer Flamme folgt sofort eine andere nach, indem
jede die nächst gelegene Luft verbrennt und eine neue Flamme
nach sich zieht. Das Produkt der Verbrennung ist ein doppel-
ter Rauch, ein sehr feiner, nicht qualmender und die Augen
nicht brennender, welcher sehr leicht in Luft übergeht und
nur wärmt und trocknet, und ein dichterer, der nicht so leicht
in Luft übergeht. Der erstere ist ein notwendiges Produkt
jeder Verbrennung, denn die Flamme wird beim Verbrennen
in diesen feinen Rauch verwandelt; der letztere entsteht
namentlich bei schlechten Kohlen und feuchtem Holze.1 Man
bemerkt, daß hier einige Erscheinungen der Verbrennung
richtig beobachtet sind: der notwendige Verbrauch von Luft
und die Entstehung eines luftförmigen Verbrennungsproduktes.

Im übrigen stellt Cardano sehr zahlreiche Erklärungsver-
suche physikalischer Erscheinungen auf, ohne gerade glücklich
darin zu sein. Verdienstvoller ist sein Bestreben, eine allge-

1 De subtil. l. II. p. 44, 45.

Cardano: Sein Einfluß. Theorie der Flamme.
Qualitäten. Aber den Begriff des Elementes behält er im
ganzen bei, die Begriffe der Materie und Form beeinflussen
den Gang seiner Vorstellungen, und die Weltseele, die himm-
lische Wärme, wirkt nicht als formgebend und bestimmend,
sondern nur als die Einwirkung der geformten Materien ver-
mittelnd. Da aber Cardano lateinisch schrieb, als Mann von
großer Gelehrsamkeit auftrat und sich in Aufsehen erregende
wissenschaftliche Streitigkeiten — sein Gegner war der be-
rühmte Julius Cäsar Scaliger (1484—1558) — verwickelt
sah, so wurde sein Einfluß auf die gelehrte Welt, der Para-
celsus
zu roh und abstoßend erschien, ein sehr bedeutender.
Sein Ruf als Arzt und namentlich auch als Mathematiker war
groß, und selbst in der praktischen Physik hat er einiges ge-
leistet durch Anstellen von Messungen über die Dichtigkeit
der Körper und Angabe verschiedener Maschinen. Einen Fort-
schritt, der hier erwähnt zu werden verdient, bildet seine
Theorie der Flamme. Da das Feuer bei ihm durch Bewegung
entsteht, so ist die Flamme in fortwährender Bewegung, und
zwar ist sie nichts anderes, als entzündete Luft. Die Flamme
bedarf zu ihrer Erhaltung der Nahrung und der Luft. Sie
bleibt nicht dieselbe, sondern sie ist in unablässiger Erneuerung
begriffen, einer Flamme folgt sofort eine andere nach, indem
jede die nächst gelegene Luft verbrennt und eine neue Flamme
nach sich zieht. Das Produkt der Verbrennung ist ein doppel-
ter Rauch, ein sehr feiner, nicht qualmender und die Augen
nicht brennender, welcher sehr leicht in Luft übergeht und
nur wärmt und trocknet, und ein dichterer, der nicht so leicht
in Luft übergeht. Der erstere ist ein notwendiges Produkt
jeder Verbrennung, denn die Flamme wird beim Verbrennen
in diesen feinen Rauch verwandelt; der letztere entsteht
namentlich bei schlechten Kohlen und feuchtem Holze.1 Man
bemerkt, daß hier einige Erscheinungen der Verbrennung
richtig beobachtet sind: der notwendige Verbrauch von Luft
und die Entstehung eines luftförmigen Verbrennungsproduktes.

Im übrigen stellt Cardano sehr zahlreiche Erklärungsver-
suche physikalischer Erscheinungen auf, ohne gerade glücklich
darin zu sein. Verdienstvoller ist sein Bestreben, eine allge-

1 De subtil. l. II. p. 44, 45.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0329" n="311"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Cardano</hi>: Sein Einfluß. Theorie der Flamme.</fw><lb/>
Qualitäten. Aber den Begriff des Elementes behält er im<lb/>
ganzen bei, die Begriffe der Materie und Form beeinflussen<lb/>
den Gang seiner Vorstellungen, und die Weltseele, die himm-<lb/>
lische Wärme, wirkt nicht als formgebend und bestimmend,<lb/>
sondern nur als die Einwirkung der geformten Materien ver-<lb/>
mittelnd. Da aber <hi rendition="#k">Cardano</hi> lateinisch schrieb, als Mann von<lb/>
großer Gelehrsamkeit auftrat und sich in Aufsehen erregende<lb/>
wissenschaftliche Streitigkeiten &#x2014; sein Gegner war der be-<lb/>
rühmte <hi rendition="#k">Julius Cäsar Scaliger</hi> (1484&#x2014;1558) &#x2014; verwickelt<lb/>
sah, so wurde sein Einfluß auf die gelehrte Welt, der <hi rendition="#k">Para-<lb/>
celsus</hi> zu roh und abstoßend erschien, ein sehr bedeutender.<lb/>
Sein Ruf als Arzt und namentlich auch als Mathematiker war<lb/>
groß, und selbst in der praktischen Physik hat er einiges ge-<lb/>
leistet durch Anstellen von Messungen über die Dichtigkeit<lb/>
der Körper und Angabe verschiedener Maschinen. Einen Fort-<lb/>
schritt, der hier erwähnt zu werden verdient, bildet seine<lb/>
Theorie der <hi rendition="#g">Flamme</hi>. Da das Feuer bei ihm durch Bewegung<lb/>
entsteht, so ist die Flamme in fortwährender Bewegung, und<lb/>
zwar ist sie nichts anderes, als entzündete Luft. Die Flamme<lb/>
bedarf zu ihrer Erhaltung der Nahrung und der Luft. Sie<lb/>
bleibt nicht dieselbe, sondern sie ist in unablässiger Erneuerung<lb/>
begriffen, einer Flamme folgt sofort eine andere nach, indem<lb/>
jede die nächst gelegene Luft verbrennt und eine neue Flamme<lb/>
nach sich zieht. Das Produkt der Verbrennung ist ein doppel-<lb/>
ter Rauch, ein sehr feiner, nicht qualmender und die Augen<lb/>
nicht brennender, welcher sehr leicht in Luft übergeht und<lb/>
nur wärmt und trocknet, und ein dichterer, der nicht so leicht<lb/>
in Luft übergeht. Der erstere ist ein notwendiges Produkt<lb/>
jeder Verbrennung, denn die Flamme wird beim Verbrennen<lb/>
in diesen feinen Rauch verwandelt; der letztere entsteht<lb/>
namentlich bei schlechten Kohlen und feuchtem Holze.<note place="foot" n="1"><hi rendition="#i">De subtil.</hi> l. II. p. 44, 45.</note> Man<lb/>
bemerkt, daß hier einige Erscheinungen der Verbrennung<lb/>
richtig beobachtet sind: der notwendige Verbrauch von Luft<lb/>
und die Entstehung eines luftförmigen Verbrennungsproduktes.</p><lb/>
            <p>Im übrigen stellt <hi rendition="#k">Cardano</hi> sehr zahlreiche Erklärungsver-<lb/>
suche physikalischer Erscheinungen auf, ohne gerade glücklich<lb/>
darin zu sein. Verdienstvoller ist sein Bestreben, eine allge-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0329] Cardano: Sein Einfluß. Theorie der Flamme. Qualitäten. Aber den Begriff des Elementes behält er im ganzen bei, die Begriffe der Materie und Form beeinflussen den Gang seiner Vorstellungen, und die Weltseele, die himm- lische Wärme, wirkt nicht als formgebend und bestimmend, sondern nur als die Einwirkung der geformten Materien ver- mittelnd. Da aber Cardano lateinisch schrieb, als Mann von großer Gelehrsamkeit auftrat und sich in Aufsehen erregende wissenschaftliche Streitigkeiten — sein Gegner war der be- rühmte Julius Cäsar Scaliger (1484—1558) — verwickelt sah, so wurde sein Einfluß auf die gelehrte Welt, der Para- celsus zu roh und abstoßend erschien, ein sehr bedeutender. Sein Ruf als Arzt und namentlich auch als Mathematiker war groß, und selbst in der praktischen Physik hat er einiges ge- leistet durch Anstellen von Messungen über die Dichtigkeit der Körper und Angabe verschiedener Maschinen. Einen Fort- schritt, der hier erwähnt zu werden verdient, bildet seine Theorie der Flamme. Da das Feuer bei ihm durch Bewegung entsteht, so ist die Flamme in fortwährender Bewegung, und zwar ist sie nichts anderes, als entzündete Luft. Die Flamme bedarf zu ihrer Erhaltung der Nahrung und der Luft. Sie bleibt nicht dieselbe, sondern sie ist in unablässiger Erneuerung begriffen, einer Flamme folgt sofort eine andere nach, indem jede die nächst gelegene Luft verbrennt und eine neue Flamme nach sich zieht. Das Produkt der Verbrennung ist ein doppel- ter Rauch, ein sehr feiner, nicht qualmender und die Augen nicht brennender, welcher sehr leicht in Luft übergeht und nur wärmt und trocknet, und ein dichterer, der nicht so leicht in Luft übergeht. Der erstere ist ein notwendiges Produkt jeder Verbrennung, denn die Flamme wird beim Verbrennen in diesen feinen Rauch verwandelt; der letztere entsteht namentlich bei schlechten Kohlen und feuchtem Holze. 1 Man bemerkt, daß hier einige Erscheinungen der Verbrennung richtig beobachtet sind: der notwendige Verbrauch von Luft und die Entstehung eines luftförmigen Verbrennungsproduktes. Im übrigen stellt Cardano sehr zahlreiche Erklärungsver- suche physikalischer Erscheinungen auf, ohne gerade glücklich darin zu sein. Verdienstvoller ist sein Bestreben, eine allge- 1 De subtil. l. II. p. 44, 45.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/329
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/329>, abgerufen am 18.05.2024.