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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Cardano. Telesio.
meine und systematische Einteilung aller Naturerscheinungen
zu geben, worauf jedoch hier nicht eingegangen werden kann.
Die Wirksamkeit Cardanos für die Erneuerung der Korpus-
kulartheorie liegt in der Bedeutung, welche er der Bewegung
selbst als einem Mittel der Veränderung beilegt, und in seiner
Kritik der aristotelischen Elementenlehre, indem er das Feuer
aus der Zahl der Elemente ausschließt. Freilich steht er noch
unter der Herrschaft der substanziellen Formen. Die Frage
nach den Teilen der Materie läßt er unerörtert und betont
nur die selbstthätige Wirksamkeit derselben. Dies thun zwar
Telesio und Patrizzi in noch höherem Maße, diese sind aber
als Philosophen bereits so selbständig, daß sie nicht mehr
bloß gegen Aristoteles wirken, sondern auch der Atomistik
entgegengesetzte Vorstellungen von der Materie direkt ver-
teidigen, begründen und in Schwung bringen. Ihre phan-
tastische Naturanschauung liegt soweit von der stufenweise
fortschreitenden Entwickelung der allgemeinen Physik ab,
daß sie hier im wesentlichen nur als Zeichen der schon ge-
schilderten Zeitbestrebungen und als Vorläufer anderer, na-
mentlich Giordano Brunos, in Betracht zu ziehen sind.

3. Telesio und Patrizzi.

Bernardinus Telesius (1508--1588)1 schließt seine Welt-
anschauung an die des Parmenides an. Wie Paracelsus und
Cardano unterscheidet auch er einen Gegensatz zwischen
irdischen und himmlischen Eigenschaften, aber derselbe ver-
körpert sich bei ihm in den örtlichen Unterschied zwischen
Erde und Sonne. Die Erde ist kalt, die Sonne warm, und
so nimmt er zwei unkörperliche Prinzipien als die weltbe-
wegenden Kräfte an, Wärme und Kälte, die eine von der
Sonne, die andre von der Erde aus wirkend. Ihr gegenseitiger
Kampf bewirkt den Weltprozeß. Das Kampffeld, auf welchem
sie sich bethätigen, ist der Stoff (moles), die passive Materie.
Dieselbe erfüllt den gesamten Raum, so daß ein Körper
den andren berührt und bloß an der Oberfläche der Körper

1 Rixner und Siber, H. 3. Carriere, Reformationszeit, II S. 34 ff.
Ritter IX S. 561 ff. Harms Einl. S. 255 f. Windelband I S. 59 ff.

Cardano. Telesio.
meine und systematische Einteilung aller Naturerscheinungen
zu geben, worauf jedoch hier nicht eingegangen werden kann.
Die Wirksamkeit Cardanos für die Erneuerung der Korpus-
kulartheorie liegt in der Bedeutung, welche er der Bewegung
selbst als einem Mittel der Veränderung beilegt, und in seiner
Kritik der aristotelischen Elementenlehre, indem er das Feuer
aus der Zahl der Elemente ausschließt. Freilich steht er noch
unter der Herrschaft der substanziellen Formen. Die Frage
nach den Teilen der Materie läßt er unerörtert und betont
nur die selbstthätige Wirksamkeit derselben. Dies thun zwar
Telesio und Patrizzi in noch höherem Maße, diese sind aber
als Philosophen bereits so selbständig, daß sie nicht mehr
bloß gegen Aristoteles wirken, sondern auch der Atomistik
entgegengesetzte Vorstellungen von der Materie direkt ver-
teidigen, begründen und in Schwung bringen. Ihre phan-
tastische Naturanschauung liegt soweit von der stufenweise
fortschreitenden Entwickelung der allgemeinen Physik ab,
daß sie hier im wesentlichen nur als Zeichen der schon ge-
schilderten Zeitbestrebungen und als Vorläufer anderer, na-
mentlich Giordano Brunos, in Betracht zu ziehen sind.

3. Telesio und Patrizzi.

Bernardinus Telesius (1508—1588)1 schließt seine Welt-
anschauung an die des Parmenides an. Wie Paracelsus und
Cardano unterscheidet auch er einen Gegensatz zwischen
irdischen und himmlischen Eigenschaften, aber derselbe ver-
körpert sich bei ihm in den örtlichen Unterschied zwischen
Erde und Sonne. Die Erde ist kalt, die Sonne warm, und
so nimmt er zwei unkörperliche Prinzipien als die weltbe-
wegenden Kräfte an, Wärme und Kälte, die eine von der
Sonne, die andre von der Erde aus wirkend. Ihr gegenseitiger
Kampf bewirkt den Weltprozeß. Das Kampffeld, auf welchem
sie sich bethätigen, ist der Stoff (moles), die passive Materie.
Dieselbe erfüllt den gesamten Raum, so daß ein Körper
den andren berührt und bloß an der Oberfläche der Körper

1 Rixner und Siber, H. 3. Carrière, Reformationszeit, II S. 34 ff.
Ritter IX S. 561 ff. Harms Einl. S. 255 f. Windelband I S. 59 ff.
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[312/0330] Cardano. Telesio. meine und systematische Einteilung aller Naturerscheinungen zu geben, worauf jedoch hier nicht eingegangen werden kann. Die Wirksamkeit Cardanos für die Erneuerung der Korpus- kulartheorie liegt in der Bedeutung, welche er der Bewegung selbst als einem Mittel der Veränderung beilegt, und in seiner Kritik der aristotelischen Elementenlehre, indem er das Feuer aus der Zahl der Elemente ausschließt. Freilich steht er noch unter der Herrschaft der substanziellen Formen. Die Frage nach den Teilen der Materie läßt er unerörtert und betont nur die selbstthätige Wirksamkeit derselben. Dies thun zwar Telesio und Patrizzi in noch höherem Maße, diese sind aber als Philosophen bereits so selbständig, daß sie nicht mehr bloß gegen Aristoteles wirken, sondern auch der Atomistik entgegengesetzte Vorstellungen von der Materie direkt ver- teidigen, begründen und in Schwung bringen. Ihre phan- tastische Naturanschauung liegt soweit von der stufenweise fortschreitenden Entwickelung der allgemeinen Physik ab, daß sie hier im wesentlichen nur als Zeichen der schon ge- schilderten Zeitbestrebungen und als Vorläufer anderer, na- mentlich Giordano Brunos, in Betracht zu ziehen sind. 3. Telesio und Patrizzi. Bernardinus Telesius (1508—1588) 1 schließt seine Welt- anschauung an die des Parmenides an. Wie Paracelsus und Cardano unterscheidet auch er einen Gegensatz zwischen irdischen und himmlischen Eigenschaften, aber derselbe ver- körpert sich bei ihm in den örtlichen Unterschied zwischen Erde und Sonne. Die Erde ist kalt, die Sonne warm, und so nimmt er zwei unkörperliche Prinzipien als die weltbe- wegenden Kräfte an, Wärme und Kälte, die eine von der Sonne, die andre von der Erde aus wirkend. Ihr gegenseitiger Kampf bewirkt den Weltprozeß. Das Kampffeld, auf welchem sie sich bethätigen, ist der Stoff (moles), die passive Materie. Dieselbe erfüllt den gesamten Raum, so daß ein Körper den andren berührt und bloß an der Oberfläche der Körper 1 Rixner und Siber, H. 3. Carrière, Reformationszeit, II S. 34 ff. Ritter IX S. 561 ff. Harms Einl. S. 255 f. Windelband I S. 59 ff.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/330>, abgerufen am 22.11.2024.