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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Italienische Naturphilosophen. Fracastoro.
allen Teilen der Wissenschaften Gährungsprozesse erwecken
und seine mystischen Naturlehren selbst auf Theosophen
wie Valentin Weigel (1533--1594) und Jakob Böhme (1575--
1624) ihren Einfluß üben, erstehen in Italien eine Anzahl von
Naturphilosophen, die in systematischer Form dieselben Prin-
zipien der Physik vertreten wie Paracelsus. Unter Betonung
des Wertes der Erfahrung als Erkenntnismittels lehren sie die
allgemeine Belebtheit der Natur und bekämpfen die Einteilung
und Wirksamkeit der aristotelischen Elemente, indem sie sich
in mehr oder weniger bestimmter Weise an einzelne Natur-
philosophen des Altertums anlehnen.



Zweiter Abschnitt.
Angriffe auf die aristotelische Elementenlehre.


1. Fracastoro.

Als ein Zeitgenosse des Paracelsus wirkte zu Verona Girolamo
Fracastoro
(1483--1553), bedeutend als Physiker, Arzt und
Astronom, dessen Einfluß auf die Erneuerung der Wissen-
schaften nicht zu unterschätzen ist. Er bekämpfte die Epicykel-
theorie und deutete bereits auf den Satz von der Zusammen-
setzung der Kräfte hin. Namentlich aber lehrte er eine all-
gemeine Anziehung der Körper und eine Sympathie und
Antipathie zwischen den Dingen, wodurch insbesondere die
organischen Bildungen zustande kommen sollten. Bei der
Untersuchung, wie in der Bildung der Körper die gegenseitige
Einwirkung des Gleichartigen und die Vereinigung des Ver-
wandten sich ermögliche, schreitet er sogar nahe bis zu einem
ausgesprochenen Atomismus fort. Fracastoro bemerkt, daß
viele Körper Einwirkungen auf einander äußern, welche als
eine gegenseitige Anziehung betrachtet werden können, sich
aber nur auf nahe Distanzen bemerkbar machen, wie z. B. die
Anziehung des Magnets auf das Eisen. Um diese Wirkungen

Italienische Naturphilosophen. Fracastoro.
allen Teilen der Wissenschaften Gährungsprozesse erwecken
und seine mystischen Naturlehren selbst auf Theosophen
wie Valentin Weigel (1533—1594) und Jakob Böhme (1575—
1624) ihren Einfluß üben, erstehen in Italien eine Anzahl von
Naturphilosophen, die in systematischer Form dieselben Prin-
zipien der Physik vertreten wie Paracelsus. Unter Betonung
des Wertes der Erfahrung als Erkenntnismittels lehren sie die
allgemeine Belebtheit der Natur und bekämpfen die Einteilung
und Wirksamkeit der aristotelischen Elemente, indem sie sich
in mehr oder weniger bestimmter Weise an einzelne Natur-
philosophen des Altertums anlehnen.



Zweiter Abschnitt.
Angriffe auf die aristotelische Elementenlehre.


1. Fracastoro.

Als ein Zeitgenosse des Paracelsus wirkte zu Verona Girolamo
Fracastoro
(1483—1553), bedeutend als Physiker, Arzt und
Astronom, dessen Einfluß auf die Erneuerung der Wissen-
schaften nicht zu unterschätzen ist. Er bekämpfte die Epicykel-
theorie und deutete bereits auf den Satz von der Zusammen-
setzung der Kräfte hin. Namentlich aber lehrte er eine all-
gemeine Anziehung der Körper und eine Sympathie und
Antipathie zwischen den Dingen, wodurch insbesondere die
organischen Bildungen zustande kommen sollten. Bei der
Untersuchung, wie in der Bildung der Körper die gegenseitige
Einwirkung des Gleichartigen und die Vereinigung des Ver-
wandten sich ermögliche, schreitet er sogar nahe bis zu einem
ausgesprochenen Atomismus fort. Fracastoro bemerkt, daß
viele Körper Einwirkungen auf einander äußern, welche als
eine gegenseitige Anziehung betrachtet werden können, sich
aber nur auf nahe Distanzen bemerkbar machen, wie z. B. die
Anziehung des Magnets auf das Eisen. Um diese Wirkungen

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[306/0324] Italienische Naturphilosophen. Fracastoro. allen Teilen der Wissenschaften Gährungsprozesse erwecken und seine mystischen Naturlehren selbst auf Theosophen wie Valentin Weigel (1533—1594) und Jakob Böhme (1575— 1624) ihren Einfluß üben, erstehen in Italien eine Anzahl von Naturphilosophen, die in systematischer Form dieselben Prin- zipien der Physik vertreten wie Paracelsus. Unter Betonung des Wertes der Erfahrung als Erkenntnismittels lehren sie die allgemeine Belebtheit der Natur und bekämpfen die Einteilung und Wirksamkeit der aristotelischen Elemente, indem sie sich in mehr oder weniger bestimmter Weise an einzelne Natur- philosophen des Altertums anlehnen. Zweiter Abschnitt. Angriffe auf die aristotelische Elementenlehre. 1. Fracastoro. Als ein Zeitgenosse des Paracelsus wirkte zu Verona Girolamo Fracastoro (1483—1553), bedeutend als Physiker, Arzt und Astronom, dessen Einfluß auf die Erneuerung der Wissen- schaften nicht zu unterschätzen ist. Er bekämpfte die Epicykel- theorie und deutete bereits auf den Satz von der Zusammen- setzung der Kräfte hin. Namentlich aber lehrte er eine all- gemeine Anziehung der Körper und eine Sympathie und Antipathie zwischen den Dingen, wodurch insbesondere die organischen Bildungen zustande kommen sollten. Bei der Untersuchung, wie in der Bildung der Körper die gegenseitige Einwirkung des Gleichartigen und die Vereinigung des Ver- wandten sich ermögliche, schreitet er sogar nahe bis zu einem ausgesprochenen Atomismus fort. Fracastoro bemerkt, daß viele Körper Einwirkungen auf einander äußern, welche als eine gegenseitige Anziehung betrachtet werden können, sich aber nur auf nahe Distanzen bemerkbar machen, wie z. B. die Anziehung des Magnets auf das Eisen. Um diese Wirkungen

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/324>, abgerufen am 22.05.2024.