Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.Saadia: Angebliche Weltbildung aus Atomen. sammengesetzten Körper geschaffen. Er behauptet dies, weiles kein Ding gebe, das nicht aus einem Dinge entstanden sei. Da sie (die Anhänger dieser Ansicht) ihr Denken nach oben richteten und sich damit beschäftigten sich vorstellig zu machen, wie der Schöpfer die zusammengesetzten Dinge aus den ideellen geschaffen, sagten sie: Wir stellen uns vor, daß er aus ihnen kleine Punkte zusammenfügte, nämlich Teile, die nicht geteilt werden können. Von diesen haben sie nun die Vorstellung, daß sie außerordentlich fein seien, feiner, als man sich die Staubteilchen denken kann. Aus solchen machte er eine gerade Linie; dann schnitt er diese Linie in zwei gleiche Stücke; dann fügte er das eine mit dem andren dia- gonalisch zusammen, so daß sie die Form eines griechischen # (richtiger: eines griechischen X),1 ähnlich der Form eines arabischen Lam-Elif ohne Untersatz (#) annahmen. Dann schlug er sie fest an dem Orte, wo sie sich durchschnitten, dann schnitt er sie an dem Orte der Festschlagung durch und machte aus dem einen Stück die große höchste Sphäre, und machte aus dem andern die kleineren Sphären. Dann bildete er aus jenen ideellen Teilen eine kreisartige Form und schuf aus ihnen die Sphäre des Feuers; dann bildete er aus ihnen eine achtseitige Form und schuf daraus die Sphäre der Erde; dann bildete er aus ihnen eine zwölfseitige Form und setzte auf sie den Umkreis der Luft; dann bildete er daraus eine zwanzigseitige Form und schuf daraus alle Meere. Solches behaupten sie und darauf setzen sie ihren Glauben. Es brachte sie zu diesem Ausspruche die Nichtanerkennung des Nicht- seienden; diese Formen, mit deren Einführung sie sich mühten, sollten den Formen der vorhandenen Elemente gleichen." Gegen diese Ansichten erhebt Saadia zwölf Einwände: "Zuerst diejenigen vier, die uns belehrten, daß die "Erstens: Sie glauben an etwas, desgleichen nie wahrge- 1 Vgl. Timaeus, p. 36 B, C.
Saadia: Angebliche Weltbildung aus Atomen. sammengesetzten Körper geschaffen. Er behauptet dies, weiles kein Ding gebe, das nicht aus einem Dinge entstanden sei. Da sie (die Anhänger dieser Ansicht) ihr Denken nach oben richteten und sich damit beschäftigten sich vorstellig zu machen, wie der Schöpfer die zusammengesetzten Dinge aus den ideellen geschaffen, sagten sie: Wir stellen uns vor, daß er aus ihnen kleine Punkte zusammenfügte, nämlich Teile, die nicht geteilt werden können. Von diesen haben sie nun die Vorstellung, daß sie außerordentlich fein seien, feiner, als man sich die Staubteilchen denken kann. Aus solchen machte er eine gerade Linie; dann schnitt er diese Linie in zwei gleiche Stücke; dann fügte er das eine mit dem andren dia- gonalisch zusammen, so daß sie die Form eines griechischen # (richtiger: eines griechischen X),1 ähnlich der Form eines arabischen Lam-Elif ohne Untersatz (#) annahmen. Dann schlug er sie fest an dem Orte, wo sie sich durchschnitten, dann schnitt er sie an dem Orte der Festschlagung durch und machte aus dem einen Stück die große höchste Sphäre, und machte aus dem andern die kleineren Sphären. Dann bildete er aus jenen ideellen Teilen eine kreisartige Form und schuf aus ihnen die Sphäre des Feuers; dann bildete er aus ihnen eine achtseitige Form und schuf daraus die Sphäre der Erde; dann bildete er aus ihnen eine zwölfseitige Form und setzte auf sie den Umkreis der Luft; dann bildete er daraus eine zwanzigseitige Form und schuf daraus alle Meere. Solches behaupten sie und darauf setzen sie ihren Glauben. Es brachte sie zu diesem Ausspruche die Nichtanerkennung des Nicht- seienden; diese Formen, mit deren Einführung sie sich mühten, sollten den Formen der vorhandenen Elemente gleichen.‟ Gegen diese Ansichten erhebt Saadia zwölf Einwände: „Zuerst diejenigen vier, die uns belehrten, daß die „Erstens: Sie glauben an etwas, desgleichen nie wahrge- 1 Vgl. Timaeus, p. 36 B, C.
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Saadia: Angebliche Weltbildung aus Atomen.
sammengesetzten Körper geschaffen. Er behauptet dies, weil
es kein Ding gebe, das nicht aus einem Dinge entstanden sei.
Da sie (die Anhänger dieser Ansicht) ihr Denken nach oben
richteten und sich damit beschäftigten sich vorstellig zu
machen, wie der Schöpfer die zusammengesetzten Dinge aus
den ideellen geschaffen, sagten sie: Wir stellen uns vor, daß
er aus ihnen kleine Punkte zusammenfügte, nämlich Teile,
die nicht geteilt werden können. Von diesen haben sie nun
die Vorstellung, daß sie außerordentlich fein seien, feiner, als
man sich die Staubteilchen denken kann. Aus solchen machte
er eine gerade Linie; dann schnitt er diese Linie in zwei
gleiche Stücke; dann fügte er das eine mit dem andren dia-
gonalisch zusammen, so daß sie die Form eines griechischen
# (richtiger: eines griechischen X), 1 ähnlich der Form eines
arabischen Lam-Elif ohne Untersatz (#) annahmen. Dann
schlug er sie fest an dem Orte, wo sie sich durchschnitten,
dann schnitt er sie an dem Orte der Festschlagung durch und
machte aus dem einen Stück die große höchste Sphäre, und
machte aus dem andern die kleineren Sphären. Dann bildete
er aus jenen ideellen Teilen eine kreisartige Form und schuf
aus ihnen die Sphäre des Feuers; dann bildete er aus ihnen
eine achtseitige Form und schuf daraus die Sphäre der Erde;
dann bildete er aus ihnen eine zwölfseitige Form und setzte
auf sie den Umkreis der Luft; dann bildete er daraus eine
zwanzigseitige Form und schuf daraus alle Meere. Solches
behaupten sie und darauf setzen sie ihren Glauben. Es brachte
sie zu diesem Ausspruche die Nichtanerkennung des Nicht-
seienden; diese Formen, mit deren Einführung sie sich mühten,
sollten den Formen der vorhandenen Elemente gleichen.‟
Gegen diese Ansichten erhebt Saadia zwölf Einwände:
„Zuerst diejenigen vier, die uns belehrten, daß die
Dinge einen Anfang haben; ferner die andern (vier), die uns
belehrten, daß der Schöpfer der Dinge sie aus nichts geschaffen
habe. Nachdem sie von diesen acht Einwänden belastet sind, fände
ich noch vier andre Einwände, die sie sich gefallen lassen müssen.
„Erstens: Sie glauben an etwas, desgleichen nie wahrge-
nommen worden, nämlich an die ideellen (Teile), die sie in
1 Vgl. Timaeus, p. 36 B, C.
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