dadurch gewonnen hat, daß alle diejenigen, welche die Natur der Verbindungen theoretisch klarstellen wollten, bei dieser Frage den stärksten Anstoß an Aristoteles nahmen und von ihr aus den Eingang zur Atomistik gewannen. Es ist dies der Grund, warum die Theorie der "Mischung" hier so aus- führlich gegeben werden muss.
Eine zweite Schwierigkeit, welche mit der eben erledigten zusammenhängt, ist die, ob die Mischung bloß für die Sinnes- wahrnehmung existiert, nämlich ob sie nur darin besteht, daß die Bestandteile in so kleine Partikeln zerfallen und derartig nebeneinander gelegt werden, daß die einzelnen nicht mehr sinnlich wahrnehmbar sind. Es fragt sich, ob damit schon die Mischung als chemische Verbindung vor sich gegangen ist, oder ob die bloße Nebeneinanderlegung der Teilchen nur eine (mechanische) Mischung in der Art liefert, wie man auch von einer Mischung von Gerste und Weizen spricht. Es müßte aber, sollte die Nebeneinanderlagerung schon Mischung sein, wirklich jedes Teilchen neben jedes kommen; das ist jedoch wegen der Teilbarkeit der Körper ins Unend- liche nicht möglich. Demnach ist Zusammensetzung (#) nicht dasselbe wie Mischung, und man darf von den Bestand- teilen eines Körpers, so lange sie in ihren kleinen Teilchen unversehrt erhalten bleiben, nicht sagen, daß sie schon gemischt seien;1 auch würde dann das Ganze nicht zu demselben Begriffe wie jedes seiner Teilchen gehören. Aristoteles behauptet vielmehr, daß die Mischung etwas Ho- mogenes (#) sei, gleichartig in allen seinen Teilen, so wie Wasser in allen seinen Teilen Wasser ist. Wäre die Mischung nur Zusammensetzung nach kleinen Teilen, so wäre sie nicht eine homogene Masse, sondern erschiene den Sinnen nur relativ als solche, so daß für den Scharfsichtigeren das nicht mehr Mischung wäre, was es dem weniger Scharfsichtigen noch ist, und für einen Lynkeus überhaupt keine Mischung existierte. Sie existiert aber alsdann auch nicht für die Tei-
1 S. 328 a, 5--12. #.
Aristoteles: Zusammensetzung und Mischung.
dadurch gewonnen hat, daß alle diejenigen, welche die Natur der Verbindungen theoretisch klarstellen wollten, bei dieser Frage den stärksten Anstoß an Aristoteles nahmen und von ihr aus den Eingang zur Atomistik gewannen. Es ist dies der Grund, warum die Theorie der „Mischung‟ hier so aus- führlich gegeben werden muss.
Eine zweite Schwierigkeit, welche mit der eben erledigten zusammenhängt, ist die, ob die Mischung bloß für die Sinnes- wahrnehmung existiert, nämlich ob sie nur darin besteht, daß die Bestandteile in so kleine Partikeln zerfallen und derartig nebeneinander gelegt werden, daß die einzelnen nicht mehr sinnlich wahrnehmbar sind. Es fragt sich, ob damit schon die Mischung als chemische Verbindung vor sich gegangen ist, oder ob die bloße Nebeneinanderlegung der Teilchen nur eine (mechanische) Mischung in der Art liefert, wie man auch von einer Mischung von Gerste und Weizen spricht. Es müßte aber, sollte die Nebeneinanderlagerung schon Mischung sein, wirklich jedes Teilchen neben jedes kommen; das ist jedoch wegen der Teilbarkeit der Körper ins Unend- liche nicht möglich. Demnach ist Zusammensetzung (#) nicht dasselbe wie Mischung, und man darf von den Bestand- teilen eines Körpers, so lange sie in ihren kleinen Teilchen unversehrt erhalten bleiben, nicht sagen, daß sie schon gemischt seien;1 auch würde dann das Ganze nicht zu demselben Begriffe wie jedes seiner Teilchen gehören. Aristoteles behauptet vielmehr, daß die Mischung etwas Ho- mogenes (#) sei, gleichartig in allen seinen Teilen, so wie Wasser in allen seinen Teilen Wasser ist. Wäre die Mischung nur Zusammensetzung nach kleinen Teilen, so wäre sie nicht eine homogene Masse, sondern erschiene den Sinnen nur relativ als solche, so daß für den Scharfsichtigeren das nicht mehr Mischung wäre, was es dem weniger Scharfsichtigen noch ist, und für einen Lynkeus überhaupt keine Mischung existierte. Sie existiert aber alsdann auch nicht für die Tei-
1 S. 328 a, 5—12. #.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0145"n="127"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#k">Aristoteles</hi>: Zusammensetzung und Mischung.</fw><lb/>
dadurch gewonnen hat, daß alle diejenigen, welche die Natur<lb/>
der Verbindungen theoretisch klarstellen wollten, bei dieser<lb/>
Frage den stärksten Anstoß an <hirendition="#k">Aristoteles</hi> nahmen und von<lb/>
ihr aus den Eingang zur Atomistik gewannen. Es ist dies<lb/>
der Grund, warum die Theorie der „Mischung‟ hier so aus-<lb/>
führlich gegeben werden muss.</p><lb/><p>Eine zweite Schwierigkeit, welche mit der eben erledigten<lb/>
zusammenhängt, ist die, ob die Mischung bloß für die Sinnes-<lb/>
wahrnehmung existiert, nämlich ob sie nur darin besteht, daß<lb/>
die Bestandteile in so kleine Partikeln zerfallen und derartig<lb/>
nebeneinander gelegt werden, daß die einzelnen nicht mehr<lb/>
sinnlich wahrnehmbar sind. Es fragt sich, ob damit schon<lb/>
die Mischung als chemische Verbindung vor sich gegangen ist,<lb/>
oder ob die bloße Nebeneinanderlegung der Teilchen nur<lb/>
eine (mechanische) Mischung in der Art liefert, wie man<lb/>
auch von einer Mischung von Gerste und Weizen spricht.<lb/>
Es müßte aber, sollte die Nebeneinanderlagerung schon<lb/>
Mischung sein, wirklich jedes Teilchen neben jedes kommen;<lb/>
das ist jedoch wegen der Teilbarkeit der Körper ins Unend-<lb/>
liche nicht möglich. Demnach ist Zusammensetzung <hirendition="#i">(</hi>#<hirendition="#i">)</hi><lb/>
nicht dasselbe wie Mischung, und man darf von den Bestand-<lb/>
teilen eines Körpers, <hirendition="#g">so lange sie in ihren kleinen<lb/>
Teilchen unversehrt erhalten bleiben,</hi> nicht sagen,<lb/>
daß sie schon gemischt seien;<noteplace="foot"n="1">S. 328 a, 5—12. #.</note> auch würde dann das Ganze<lb/>
nicht zu demselben Begriffe wie jedes seiner Teilchen gehören.<lb/><hirendition="#k">Aristoteles</hi> behauptet vielmehr, daß die Mischung etwas Ho-<lb/>
mogenes <hirendition="#i">(</hi>#<hirendition="#i">)</hi> sei, gleichartig in allen seinen Teilen,<lb/>
so wie Wasser in allen seinen Teilen Wasser ist. Wäre die<lb/>
Mischung nur Zusammensetzung nach kleinen Teilen, so wäre<lb/>
sie nicht eine homogene Masse, sondern erschiene den Sinnen<lb/>
nur relativ als solche, so daß für den Scharfsichtigeren das<lb/>
nicht mehr Mischung wäre, was es dem weniger Scharfsichtigen<lb/>
noch ist, und für einen Lynkeus überhaupt keine Mischung<lb/>
existierte. Sie existiert aber alsdann auch nicht für die Tei-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[127/0145]
Aristoteles: Zusammensetzung und Mischung.
dadurch gewonnen hat, daß alle diejenigen, welche die Natur
der Verbindungen theoretisch klarstellen wollten, bei dieser
Frage den stärksten Anstoß an Aristoteles nahmen und von
ihr aus den Eingang zur Atomistik gewannen. Es ist dies
der Grund, warum die Theorie der „Mischung‟ hier so aus-
führlich gegeben werden muss.
Eine zweite Schwierigkeit, welche mit der eben erledigten
zusammenhängt, ist die, ob die Mischung bloß für die Sinnes-
wahrnehmung existiert, nämlich ob sie nur darin besteht, daß
die Bestandteile in so kleine Partikeln zerfallen und derartig
nebeneinander gelegt werden, daß die einzelnen nicht mehr
sinnlich wahrnehmbar sind. Es fragt sich, ob damit schon
die Mischung als chemische Verbindung vor sich gegangen ist,
oder ob die bloße Nebeneinanderlegung der Teilchen nur
eine (mechanische) Mischung in der Art liefert, wie man
auch von einer Mischung von Gerste und Weizen spricht.
Es müßte aber, sollte die Nebeneinanderlagerung schon
Mischung sein, wirklich jedes Teilchen neben jedes kommen;
das ist jedoch wegen der Teilbarkeit der Körper ins Unend-
liche nicht möglich. Demnach ist Zusammensetzung (#)
nicht dasselbe wie Mischung, und man darf von den Bestand-
teilen eines Körpers, so lange sie in ihren kleinen
Teilchen unversehrt erhalten bleiben, nicht sagen,
daß sie schon gemischt seien; 1 auch würde dann das Ganze
nicht zu demselben Begriffe wie jedes seiner Teilchen gehören.
Aristoteles behauptet vielmehr, daß die Mischung etwas Ho-
mogenes (#) sei, gleichartig in allen seinen Teilen,
so wie Wasser in allen seinen Teilen Wasser ist. Wäre die
Mischung nur Zusammensetzung nach kleinen Teilen, so wäre
sie nicht eine homogene Masse, sondern erschiene den Sinnen
nur relativ als solche, so daß für den Scharfsichtigeren das
nicht mehr Mischung wäre, was es dem weniger Scharfsichtigen
noch ist, und für einen Lynkeus überhaupt keine Mischung
existierte. Sie existiert aber alsdann auch nicht für die Tei-
1 S. 328 a, 5—12. #.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/145>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.