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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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lichen Liebe diese Ueberbleibsel deiner un-
glücklichen Sophie. Auf meinem Grabe
wirst du sie nicht weinen können; denn
ich werde das Schlachtopfer seyn, wel-
ches die Bosheit des Derby hier ver-
scharret; und da der Gedanke an Tod
und Ewigkeit, meine Klagen und Wün-
sche endiget, so will ich dir noch den jä-
hen Umsturz beschreiben, der mich in meine
frühe Grube bringt. Jch konnte es nicht
eher thun; ich wurde zu sehr erschüttert,
so oft ich daran dachte.



Halb leblos bin ich hier angelangt,
und drey Wochen in einer Gemüthsver-
fassung gewesen, die ich nicht beschreiben
kann; was ich in dem zweyten und drit-
ten Monat meines Aufenthalts war, zei-
gen die Stücke, die ich in meinen Er-
quickungsstunden schrieb. Urtheilen Sie
aber, Emilia, von der Zerrüttung mei-
ner Empfindnisse, weil ich nicht beten
konnte; ich rief auch den Tod nicht, aber
in dem vollen Gefühl des Uebermaaß es von

Unglück,

lichen Liebe dieſe Ueberbleibſel deiner un-
gluͤcklichen Sophie. Auf meinem Grabe
wirſt du ſie nicht weinen koͤnnen; denn
ich werde das Schlachtopfer ſeyn, wel-
ches die Bosheit des Derby hier ver-
ſcharret; und da der Gedanke an Tod
und Ewigkeit, meine Klagen und Wuͤn-
ſche endiget, ſo will ich dir noch den jaͤ-
hen Umſturz beſchreiben, der mich in meine
fruͤhe Grube bringt. Jch konnte es nicht
eher thun; ich wurde zu ſehr erſchuͤttert,
ſo oft ich daran dachte.



Halb leblos bin ich hier angelangt,
und drey Wochen in einer Gemuͤthsver-
faſſung geweſen, die ich nicht beſchreiben
kann; was ich in dem zweyten und drit-
ten Monat meines Aufenthalts war, zei-
gen die Stuͤcke, die ich in meinen Er-
quickungsſtunden ſchrieb. Urtheilen Sie
aber, Emilia, von der Zerruͤttung mei-
ner Empfindniſſe, weil ich nicht beten
konnte; ich rief auch den Tod nicht, aber
in dem vollen Gefuͤhl des Uebermaaß es von

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[218/0224] lichen Liebe dieſe Ueberbleibſel deiner un- gluͤcklichen Sophie. Auf meinem Grabe wirſt du ſie nicht weinen koͤnnen; denn ich werde das Schlachtopfer ſeyn, wel- ches die Bosheit des Derby hier ver- ſcharret; und da der Gedanke an Tod und Ewigkeit, meine Klagen und Wuͤn- ſche endiget, ſo will ich dir noch den jaͤ- hen Umſturz beſchreiben, der mich in meine fruͤhe Grube bringt. Jch konnte es nicht eher thun; ich wurde zu ſehr erſchuͤttert, ſo oft ich daran dachte. Halb leblos bin ich hier angelangt, und drey Wochen in einer Gemuͤthsver- faſſung geweſen, die ich nicht beſchreiben kann; was ich in dem zweyten und drit- ten Monat meines Aufenthalts war, zei- gen die Stuͤcke, die ich in meinen Er- quickungsſtunden ſchrieb. Urtheilen Sie aber, Emilia, von der Zerruͤttung mei- ner Empfindniſſe, weil ich nicht beten konnte; ich rief auch den Tod nicht, aber in dem vollen Gefuͤhl des Uebermaaß es von Ungluͤck,

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/224>, abgerufen am 24.11.2024.