Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite


"sie alle Kostbarkeiten von Gold, von Ge-
"schmeide, o, gar viele Sachen legte, die
"er ihr mitgebracht hatte, und die ich
"ihm zurückgeben sollte; denn sie nahm
"nichts davon mit; zween Tage nachdem
"sie weg war, kam wieder ein Brief; er
"wolle kommen, sagte der Mensch; aber
"ich gab ihm seinen Pack Sachen, und
"schaffte ihn aus dem Hause.

Mylord fragte sie noch genauer um
alles was geschehen war; halb hörte ichs,
halb nicht; ich war außer mir; und da
die Frau nicht sagen konnte: wo die Da-
me hingereiset wäre; so war mir am
übrigen nichts gelegen. Jch hatte genug
gehöret, um in Mitleiden zu zerschmelzen,
und das geliebte Bild der leidenden Tu-
gend mit erneuerter Zärtlichkeit in meine
Seele zu fassen. Jch nahm das Zimmer
ihrer Jungfer, weil ich darinn den Platz
bemerket hatte, wo sie geknieet, wo sie den
unaussprechlichen Schmerzen gefühlt hat-
te, betrogen und verlassen zu seyn.
Derbys Schlafzimmer gab mir den nehm-
lichen Abscheu wie ihr selbst, und ich

warf


„ſie alle Koſtbarkeiten von Gold, von Ge-
„ſchmeide, o, gar viele Sachen legte, die
„er ihr mitgebracht hatte, und die ich
„ihm zuruͤckgeben ſollte; denn ſie nahm
„nichts davon mit; zween Tage nachdem
„ſie weg war, kam wieder ein Brief; er
„wolle kommen, ſagte der Menſch; aber
„ich gab ihm ſeinen Pack Sachen, und
„ſchaffte ihn aus dem Hauſe.

Mylord fragte ſie noch genauer um
alles was geſchehen war; halb hoͤrte ichs,
halb nicht; ich war außer mir; und da
die Frau nicht ſagen konnte: wo die Da-
me hingereiſet waͤre; ſo war mir am
uͤbrigen nichts gelegen. Jch hatte genug
gehoͤret, um in Mitleiden zu zerſchmelzen,
und das geliebte Bild der leidenden Tu-
gend mit erneuerter Zaͤrtlichkeit in meine
Seele zu faſſen. Jch nahm das Zimmer
ihrer Jungfer, weil ich darinn den Platz
bemerket hatte, wo ſie geknieet, wo ſie den
unausſprechlichen Schmerzen gefuͤhlt hat-
te, betrogen und verlaſſen zu ſeyn.
Derbys Schlafzimmer gab mir den nehm-
lichen Abſcheu wie ihr ſelbſt, und ich

warf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0131" n="125"/><fw place="top" type="header"><lb/></fw> &#x201E;&#x017F;ie alle Ko&#x017F;tbarkeiten von Gold, von Ge-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chmeide, o, gar viele Sachen legte, die<lb/>
&#x201E;er ihr mitgebracht hatte, und die ich<lb/>
&#x201E;ihm zuru&#x0364;ckgeben &#x017F;ollte; denn &#x017F;ie nahm<lb/>
&#x201E;nichts davon mit; zween Tage nachdem<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie weg war, kam wieder ein Brief; er<lb/>
&#x201E;wolle kommen, &#x017F;agte der Men&#x017F;ch; aber<lb/>
&#x201E;ich gab ihm &#x017F;einen Pack Sachen, und<lb/>
&#x201E;&#x017F;chaffte ihn aus dem Hau&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Mylord fragte &#x017F;ie noch genauer um<lb/>
alles was ge&#x017F;chehen war; halb ho&#x0364;rte ichs,<lb/>
halb nicht; ich war außer mir; und da<lb/>
die Frau nicht &#x017F;agen konnte: wo die Da-<lb/>
me hingerei&#x017F;et wa&#x0364;re; &#x017F;o war mir am<lb/>
u&#x0364;brigen nichts gelegen. Jch hatte genug<lb/>
geho&#x0364;ret, um in Mitleiden zu zer&#x017F;chmelzen,<lb/>
und das geliebte Bild der leidenden Tu-<lb/>
gend mit erneuerter Za&#x0364;rtlichkeit in meine<lb/>
Seele zu fa&#x017F;&#x017F;en. Jch nahm das Zimmer<lb/>
ihrer Jungfer, weil ich darinn den Platz<lb/>
bemerket hatte, wo &#x017F;ie geknieet, wo &#x017F;ie den<lb/>
unaus&#x017F;prechlichen Schmerzen gefu&#x0364;hlt hat-<lb/>
te, betrogen und verla&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;eyn.<lb/>
Derbys Schlafzimmer gab mir den nehm-<lb/>
lichen Ab&#x017F;cheu wie ihr &#x017F;elb&#x017F;t, und ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">warf</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0131] „ſie alle Koſtbarkeiten von Gold, von Ge- „ſchmeide, o, gar viele Sachen legte, die „er ihr mitgebracht hatte, und die ich „ihm zuruͤckgeben ſollte; denn ſie nahm „nichts davon mit; zween Tage nachdem „ſie weg war, kam wieder ein Brief; er „wolle kommen, ſagte der Menſch; aber „ich gab ihm ſeinen Pack Sachen, und „ſchaffte ihn aus dem Hauſe. Mylord fragte ſie noch genauer um alles was geſchehen war; halb hoͤrte ichs, halb nicht; ich war außer mir; und da die Frau nicht ſagen konnte: wo die Da- me hingereiſet waͤre; ſo war mir am uͤbrigen nichts gelegen. Jch hatte genug gehoͤret, um in Mitleiden zu zerſchmelzen, und das geliebte Bild der leidenden Tu- gend mit erneuerter Zaͤrtlichkeit in meine Seele zu faſſen. Jch nahm das Zimmer ihrer Jungfer, weil ich darinn den Platz bemerket hatte, wo ſie geknieet, wo ſie den unausſprechlichen Schmerzen gefuͤhlt hat- te, betrogen und verlaſſen zu ſeyn. Derbys Schlafzimmer gab mir den nehm- lichen Abſcheu wie ihr ſelbſt, und ich warf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/131
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/131>, abgerufen am 04.05.2024.