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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Wünschen, all mein Vergnügen wohnt;
Ach P.! --"

Der Baron P. wurde unruhig, weil
ihm auf einige Augenblicke der Gedanke
kam, sein Freund möchte vielleicht seine
Gemahlin lieben, und meide deswegen
sein Haus, weil er sich zu bestreiten suche.
Er beschloß, achtsam und zurückhaltend
zu seyn. Der Oberste hatte still gesessen,
und der Baron war auch aus seiner Fas-
sung. Endlich fieng der letztere an:
Mein Freund, Jhr Geheimniß ist mir hei-
lig; ich will es nicht aus Jhrer Brust er-
pressen. Aber Sie haben mir Ursache
gegeben zu denken, daß ein Theil dieses
Geheimnisses mein Haus angehe: Darf
ich nicht nach diesem Theile fragen?

Nein! Nein, fragen Sie nichts, und
überlassen Sie mich mir selbst -- Der
Baron schwieg, und reiste traurig und
tiefsinnig fort.

Den andern Tag kam der Oberste,
bat den Baron um Vergebung, daß er
ihn gestern so trocken heimreisen lassen, und
sagte, daß es ihn den ganzen Abend ge-

quält

Wuͤnſchen, all mein Vergnuͤgen wohnt;
Ach P.! —“

Der Baron P. wurde unruhig, weil
ihm auf einige Augenblicke der Gedanke
kam, ſein Freund moͤchte vielleicht ſeine
Gemahlin lieben, und meide deswegen
ſein Haus, weil er ſich zu beſtreiten ſuche.
Er beſchloß, achtſam und zuruͤckhaltend
zu ſeyn. Der Oberſte hatte ſtill geſeſſen,
und der Baron war auch aus ſeiner Faſ-
ſung. Endlich fieng der letztere an:
Mein Freund, Jhr Geheimniß iſt mir hei-
lig; ich will es nicht aus Jhrer Bruſt er-
preſſen. Aber Sie haben mir Urſache
gegeben zu denken, daß ein Theil dieſes
Geheimniſſes mein Haus angehe: Darf
ich nicht nach dieſem Theile fragen?

Nein! Nein, fragen Sie nichts, und
uͤberlaſſen Sie mich mir ſelbſt — Der
Baron ſchwieg, und reiſte traurig und
tiefſinnig fort.

Den andern Tag kam der Oberſte,
bat den Baron um Vergebung, daß er
ihn geſtern ſo trocken heimreiſen laſſen, und
ſagte, daß es ihn den ganzen Abend ge-

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[14/0040] Wuͤnſchen, all mein Vergnuͤgen wohnt; Ach P.! —“ Der Baron P. wurde unruhig, weil ihm auf einige Augenblicke der Gedanke kam, ſein Freund moͤchte vielleicht ſeine Gemahlin lieben, und meide deswegen ſein Haus, weil er ſich zu beſtreiten ſuche. Er beſchloß, achtſam und zuruͤckhaltend zu ſeyn. Der Oberſte hatte ſtill geſeſſen, und der Baron war auch aus ſeiner Faſ- ſung. Endlich fieng der letztere an: Mein Freund, Jhr Geheimniß iſt mir hei- lig; ich will es nicht aus Jhrer Bruſt er- preſſen. Aber Sie haben mir Urſache gegeben zu denken, daß ein Theil dieſes Geheimniſſes mein Haus angehe: Darf ich nicht nach dieſem Theile fragen? Nein! Nein, fragen Sie nichts, und uͤberlaſſen Sie mich mir ſelbſt — Der Baron ſchwieg, und reiſte traurig und tiefſinnig fort. Den andern Tag kam der Oberſte, bat den Baron um Vergebung, daß er ihn geſtern ſo trocken heimreiſen laſſen, und ſagte, daß es ihn den ganzen Abend ge- quaͤlt

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/40>, abgerufen am 19.03.2024.