Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

rer Nachbarschaft hinzubringen. -- O
Jhre Nachbarschaft ist mir lieber, als Sie
sich vorstellen können! -- Jch habe eine
Leidenschaft zu bekämpfen, die mein Herz
zum erstenmal angefallen hat. Jch hoffte,
vernünftig und edelmüthig zu seyn; aber
ich bin es noch nicht in aller der Stärke,
welche der Zustand meiner Seele erfodert.
Doch ist es nicht möglich, daß ich mit Jh-
nen davon spreche; mein Herz und die Ein-
samkeit sind die einzigen Vertrauten, die
ich haben kann.

Der Baron drückte ihn an seine
Brust; ich weiß, sagte er, daß Sie in
allem wahrhaft sind, ich zweifle also nicht
an den Versicherungen Jhrer alten Freund-
schaft. Aber warum kommen Sie so sel-
ten zu mir? warum eilen Sie so kalt
wieder aus meinem Hause?

"Kalt, mein Freund! Kalt eile ich
aus Jhrem Hause? O P.; Wenn Sie
das brennende Verlangen kennten, das
mich zu Jhnen führt; das mich Stunden
lang an meinem Fenster hält, wo ich das
geliebte Haus sehe, in welchem alle mein

Wünschen

rer Nachbarſchaft hinzubringen. — O
Jhre Nachbarſchaft iſt mir lieber, als Sie
ſich vorſtellen koͤnnen! — Jch habe eine
Leidenſchaft zu bekaͤmpfen, die mein Herz
zum erſtenmal angefallen hat. Jch hoffte,
vernuͤnftig und edelmuͤthig zu ſeyn; aber
ich bin es noch nicht in aller der Staͤrke,
welche der Zuſtand meiner Seele erfodert.
Doch iſt es nicht moͤglich, daß ich mit Jh-
nen davon ſpreche; mein Herz und die Ein-
ſamkeit ſind die einzigen Vertrauten, die
ich haben kann.

Der Baron druͤckte ihn an ſeine
Bruſt; ich weiß, ſagte er, daß Sie in
allem wahrhaft ſind, ich zweifle alſo nicht
an den Verſicherungen Jhrer alten Freund-
ſchaft. Aber warum kommen Sie ſo ſel-
ten zu mir? warum eilen Sie ſo kalt
wieder aus meinem Hauſe?

„Kalt, mein Freund! Kalt eile ich
aus Jhrem Hauſe? O P.; Wenn Sie
das brennende Verlangen kennten, das
mich zu Jhnen fuͤhrt; das mich Stunden
lang an meinem Fenſter haͤlt, wo ich das
geliebte Haus ſehe, in welchem alle mein

Wuͤnſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0039" n="13"/>
rer Nachbar&#x017F;chaft hinzubringen. &#x2014; O<lb/>
Jhre Nachbar&#x017F;chaft i&#x017F;t mir lieber, als Sie<lb/>
&#x017F;ich vor&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen! &#x2014; Jch habe eine<lb/>
Leiden&#x017F;chaft zu beka&#x0364;mpfen, die mein Herz<lb/>
zum er&#x017F;tenmal angefallen hat. Jch hoffte,<lb/>
vernu&#x0364;nftig und edelmu&#x0364;thig zu &#x017F;eyn; aber<lb/>
ich bin es noch nicht in aller der Sta&#x0364;rke,<lb/>
welche der Zu&#x017F;tand meiner Seele erfodert.<lb/>
Doch i&#x017F;t es nicht mo&#x0364;glich, daß ich mit Jh-<lb/>
nen davon &#x017F;preche; mein Herz und die Ein-<lb/>
&#x017F;amkeit &#x017F;ind die einzigen Vertrauten, die<lb/>
ich haben kann.</p><lb/>
        <p>Der Baron dru&#x0364;ckte ihn an &#x017F;eine<lb/>
Bru&#x017F;t; ich weiß, &#x017F;agte er, daß Sie in<lb/>
allem wahrhaft &#x017F;ind, ich zweifle al&#x017F;o nicht<lb/>
an den Ver&#x017F;icherungen Jhrer alten Freund-<lb/>
&#x017F;chaft. Aber warum kommen Sie &#x017F;o &#x017F;el-<lb/>
ten zu mir? warum eilen Sie &#x017F;o kalt<lb/>
wieder aus meinem Hau&#x017F;e?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kalt, mein Freund! Kalt eile ich<lb/>
aus Jhrem Hau&#x017F;e? O P.; Wenn Sie<lb/>
das brennende Verlangen kennten, das<lb/>
mich zu Jhnen fu&#x0364;hrt; das mich Stunden<lb/>
lang an meinem Fen&#x017F;ter ha&#x0364;lt, wo ich das<lb/>
geliebte Haus &#x017F;ehe, in welchem alle mein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wu&#x0364;n&#x017F;chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0039] rer Nachbarſchaft hinzubringen. — O Jhre Nachbarſchaft iſt mir lieber, als Sie ſich vorſtellen koͤnnen! — Jch habe eine Leidenſchaft zu bekaͤmpfen, die mein Herz zum erſtenmal angefallen hat. Jch hoffte, vernuͤnftig und edelmuͤthig zu ſeyn; aber ich bin es noch nicht in aller der Staͤrke, welche der Zuſtand meiner Seele erfodert. Doch iſt es nicht moͤglich, daß ich mit Jh- nen davon ſpreche; mein Herz und die Ein- ſamkeit ſind die einzigen Vertrauten, die ich haben kann. Der Baron druͤckte ihn an ſeine Bruſt; ich weiß, ſagte er, daß Sie in allem wahrhaft ſind, ich zweifle alſo nicht an den Verſicherungen Jhrer alten Freund- ſchaft. Aber warum kommen Sie ſo ſel- ten zu mir? warum eilen Sie ſo kalt wieder aus meinem Hauſe? „Kalt, mein Freund! Kalt eile ich aus Jhrem Hauſe? O P.; Wenn Sie das brennende Verlangen kennten, das mich zu Jhnen fuͤhrt; das mich Stunden lang an meinem Fenſter haͤlt, wo ich das geliebte Haus ſehe, in welchem alle mein Wuͤnſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/39
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/39>, abgerufen am 19.03.2024.