sten Freuden unsers Herzens! -- Lange fehlte mir nichts als Jhre Gegenwart; nun seh' ich Sie; ich habe Sie in meinen Armen, und sehe Sie traurig! Jhr Herz, Jhr Vertrauen ist nicht mehr für mich; haben Sie vielleicht der Freundschaft zu viel nachgegeben, indem Sie hier einen Wohnsitz nehmen?" -- Liebster bester Freund! quälen Sie sich nicht; Jhr Ver- gnügen ist mir theurer als mein eignes, ich nehme das Guth wieder an; es wird mir werth seyn, weil es mir Jhr schätz- bares Andenken, und ihr Bild an allen Orten erneuern wird."
Hier hielt er inne; Thränen füllten sein Auge, welches auf dem Gesicht seines Freundes geheftet war -- Er sah die größte Bewegung der Seele in demselben ausgedrückt.
Der Oberste stund auf, und umfaßte den Baron. "Edler P. glauben Sie ja nicht, daß meine Freundschaft, mein Vertrauen gegen Sie vermindert sey; noch weniger denken Sie, daß mich die Entschließung gereue, meine Tage in Jh-
rer
ſten Freuden unſers Herzens! — Lange fehlte mir nichts als Jhre Gegenwart; nun ſeh’ ich Sie; ich habe Sie in meinen Armen, und ſehe Sie traurig! Jhr Herz, Jhr Vertrauen iſt nicht mehr fuͤr mich; haben Sie vielleicht der Freundſchaft zu viel nachgegeben, indem Sie hier einen Wohnſitz nehmen?“ — Liebſter beſter Freund! quaͤlen Sie ſich nicht; Jhr Ver- gnuͤgen iſt mir theurer als mein eignes, ich nehme das Guth wieder an; es wird mir werth ſeyn, weil es mir Jhr ſchaͤtz- bares Andenken, und ihr Bild an allen Orten erneuern wird.“
Hier hielt er inne; Thraͤnen fuͤllten ſein Auge, welches auf dem Geſicht ſeines Freundes geheftet war — Er ſah die groͤßte Bewegung der Seele in demſelben ausgedruͤckt.
Der Oberſte ſtund auf, und umfaßte den Baron. „Edler P. glauben Sie ja nicht, daß meine Freundſchaft, mein Vertrauen gegen Sie vermindert ſey; noch weniger denken Sie, daß mich die Entſchließung gereue, meine Tage in Jh-
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ſten Freuden unſers Herzens! — Lange
fehlte mir nichts als Jhre Gegenwart;
nun ſeh’ ich Sie; ich habe Sie in meinen
Armen, und ſehe Sie traurig! Jhr Herz,
Jhr Vertrauen iſt nicht mehr fuͤr mich;
haben Sie vielleicht der Freundſchaft zu
viel nachgegeben, indem Sie hier einen
Wohnſitz nehmen?“ — Liebſter beſter
Freund! quaͤlen Sie ſich nicht; Jhr Ver-
gnuͤgen iſt mir theurer als mein eignes,
ich nehme das Guth wieder an; es wird
mir werth ſeyn, weil es mir Jhr ſchaͤtz-
bares Andenken, und ihr Bild an allen
Orten erneuern wird.“
Hier hielt er inne; Thraͤnen fuͤllten
ſein Auge, welches auf dem Geſicht ſeines
Freundes geheftet war — Er ſah die
groͤßte Bewegung der Seele in demſelben
ausgedruͤckt.
Der Oberſte ſtund auf, und umfaßte
den Baron. „Edler P. glauben Sie ja
nicht, daß meine Freundſchaft, mein
Vertrauen gegen Sie vermindert ſey;
noch weniger denken Sie, daß mich die
Entſchließung gereue, meine Tage in Jh-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/38>, abgerufen am 03.12.2024.
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