sterben; sie läßt niemand als den Doctor und ihre Katze vor sich. Die letzte habe ich ganz gewonnen; ich sehe sie alle Nacht, wo ich viel von den Tugenden ihres Fräu- leins muß erzählen hören: "Sie ist sehr "zärtlich, aber sie wird niemand als "einen Gemahl lieben."
Merkst du den Wink?
Hat sie niemals geliebt? fragte ich un- schuldig.
Nein; ich hörte sie nicht einmal davon reden, oder einen Cavalier loben, als im Anfang unsers Hierseyns den Lord Sey- mour; aber schon lange nennt sie ihn nicht mehr. Von Euer Gnaden Wohl- thätigkeit hält sie viel.
Jch that sehr bescheiden und vertraut gegen das Thierchen; und da sie mir im Nahmen ihres Fräuleins, alle Vertheidi- gung ihrer Ehre, die ich ihr angeboten, untersagte, so setzte ich kläglich hinzu: Wird sie meine Anwerbung auch verwer- fen? Ungeachtet ich sie auch wider den Willen des Lord G. machen müßte, so würde ich doch alles wagen, um sie aus
den
ſterben; ſie laͤßt niemand als den Doctor und ihre Katze vor ſich. Die letzte habe ich ganz gewonnen; ich ſehe ſie alle Nacht, wo ich viel von den Tugenden ihres Fraͤu- leins muß erzaͤhlen hoͤren: „Sie iſt ſehr „zaͤrtlich, aber ſie wird niemand als „einen Gemahl lieben.“
Merkſt du den Wink?
Hat ſie niemals geliebt? fragte ich un- ſchuldig.
Nein; ich hoͤrte ſie nicht einmal davon reden, oder einen Cavalier loben, als im Anfang unſers Hierſeyns den Lord Sey- mour; aber ſchon lange nennt ſie ihn nicht mehr. Von Euer Gnaden Wohl- thaͤtigkeit haͤlt ſie viel.
Jch that ſehr beſcheiden und vertraut gegen das Thierchen; und da ſie mir im Nahmen ihres Fraͤuleins, alle Vertheidi- gung ihrer Ehre, die ich ihr angeboten, unterſagte, ſo ſetzte ich klaͤglich hinzu: Wird ſie meine Anwerbung auch verwer- fen? Ungeachtet ich ſie auch wider den Willen des Lord G. machen muͤßte, ſo wuͤrde ich doch alles wagen, um ſie aus
den
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ſterben; ſie laͤßt niemand als den Doctor
und ihre Katze vor ſich. Die letzte habe
ich ganz gewonnen; ich ſehe ſie alle Nacht,
wo ich viel von den Tugenden ihres Fraͤu-
leins muß erzaͤhlen hoͤren: „Sie iſt ſehr
„zaͤrtlich, aber ſie wird niemand als
„einen Gemahl lieben.“
Merkſt du den Wink?
Hat ſie niemals geliebt? fragte ich un-
ſchuldig.
Nein; ich hoͤrte ſie nicht einmal davon
reden, oder einen Cavalier loben, als im
Anfang unſers Hierſeyns den Lord Sey-
mour; aber ſchon lange nennt ſie ihn
nicht mehr. Von Euer Gnaden Wohl-
thaͤtigkeit haͤlt ſie viel.
Jch that ſehr beſcheiden und vertraut
gegen das Thierchen; und da ſie mir im
Nahmen ihres Fraͤuleins, alle Vertheidi-
gung ihrer Ehre, die ich ihr angeboten,
unterſagte, ſo ſetzte ich klaͤglich hinzu:
Wird ſie meine Anwerbung auch verwer-
fen? Ungeachtet ich ſie auch wider den
Willen des Lord G. machen muͤßte, ſo
wuͤrde ich doch alles wagen, um ſie aus
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/378>, abgerufen am 06.05.2024.
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