Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

chen war gerührt. Mädchen seben die
Gewalt der Liebe gerne; sie nehmen An-
theil an der Macht, die ihr Geschlecht
über uns ausübt, und helfen mit Ver-
gnügen an den Kränzen flechten, womit
unsre Beständigkeit belohnt wird. Sie
sagte mir den folgenden Abend eine zweyte
Unterredung zu, und ich gieng recht mun-
ter und voller Anschläge zu Bette.

Meine Hauptsorge war, dem pinsel-
haften Seymour den Widerstand des
Fräuleins und die heroisch ausgezeichne-
te Würkung seiner unartigen Vorwürfe zu
verbergen. Aber da ich nicht erfahren
konnte, wo er sich aufhielt, mußte ich mei-
ne Guineen zu Hülfe nehmen, und einen
Post-Officier gewinnen, der mir alle
Briefe zu liefern versprochen hat, die an
das Fräulein, an Löbau und an alle Be-
kannten des Seymour einlaufen werden.
Daß sie in ihrem eignen Hause keine bekom-
men kann, bin ich sicher. Sie wollte zwar
unverzüglich auf ihre Güter; aber ihr
Oncle erklärte, daß er sie nicht reisen
lasse. Jhr Fieber dauert; sie wünscht zu

sterben;

chen war geruͤhrt. Maͤdchen ſeben die
Gewalt der Liebe gerne; ſie nehmen An-
theil an der Macht, die ihr Geſchlecht
uͤber uns ausuͤbt, und helfen mit Ver-
gnuͤgen an den Kraͤnzen flechten, womit
unſre Beſtaͤndigkeit belohnt wird. Sie
ſagte mir den folgenden Abend eine zweyte
Unterredung zu, und ich gieng recht mun-
ter und voller Anſchlaͤge zu Bette.

Meine Hauptſorge war, dem pinſel-
haften Seymour den Widerſtand des
Fraͤuleins und die heroiſch ausgezeichne-
te Wuͤrkung ſeiner unartigen Vorwuͤrfe zu
verbergen. Aber da ich nicht erfahren
konnte, wo er ſich aufhielt, mußte ich mei-
ne Guineen zu Huͤlfe nehmen, und einen
Poſt-Officier gewinnen, der mir alle
Briefe zu liefern verſprochen hat, die an
das Fraͤulein, an Loͤbau und an alle Be-
kannten des Seymour einlaufen werden.
Daß ſie in ihrem eignen Hauſe keine bekom-
men kann, bin ich ſicher. Sie wollte zwar
unverzuͤglich auf ihre Guͤter; aber ihr
Oncle erklaͤrte, daß er ſie nicht reiſen
laſſe. Jhr Fieber dauert; ſie wuͤnſcht zu

ſterben;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0377" n="351"/>
chen war geru&#x0364;hrt. Ma&#x0364;dchen &#x017F;eben die<lb/>
Gewalt der Liebe gerne; &#x017F;ie nehmen An-<lb/>
theil an der Macht, die ihr Ge&#x017F;chlecht<lb/>
u&#x0364;ber uns ausu&#x0364;bt, und helfen mit Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen an den Kra&#x0364;nzen flechten, womit<lb/>
un&#x017F;re Be&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit belohnt wird. Sie<lb/>
&#x017F;agte mir den folgenden Abend eine zweyte<lb/>
Unterredung zu, und ich gieng recht mun-<lb/>
ter und voller An&#x017F;chla&#x0364;ge zu Bette.</p><lb/>
          <p>Meine Haupt&#x017F;orge war, dem pin&#x017F;el-<lb/>
haften Seymour den Wider&#x017F;tand des<lb/>
Fra&#x0364;uleins und die heroi&#x017F;ch ausgezeichne-<lb/>
te Wu&#x0364;rkung &#x017F;einer unartigen Vorwu&#x0364;rfe zu<lb/>
verbergen. Aber da ich nicht erfahren<lb/>
konnte, wo er &#x017F;ich aufhielt, mußte ich mei-<lb/>
ne Guineen zu Hu&#x0364;lfe nehmen, und einen<lb/>
Po&#x017F;t-Officier gewinnen, der mir alle<lb/>
Briefe zu liefern ver&#x017F;prochen hat, die an<lb/>
das Fra&#x0364;ulein, an Lo&#x0364;bau und an alle Be-<lb/>
kannten des Seymour einlaufen werden.<lb/>
Daß &#x017F;ie in ihrem eignen Hau&#x017F;e keine bekom-<lb/>
men kann, bin ich &#x017F;icher. Sie wollte zwar<lb/>
unverzu&#x0364;glich auf ihre Gu&#x0364;ter; aber ihr<lb/>
Oncle erkla&#x0364;rte, daß er &#x017F;ie nicht rei&#x017F;en<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e. Jhr Fieber dauert; &#x017F;ie wu&#x0364;n&#x017F;cht zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;terben;</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0377] chen war geruͤhrt. Maͤdchen ſeben die Gewalt der Liebe gerne; ſie nehmen An- theil an der Macht, die ihr Geſchlecht uͤber uns ausuͤbt, und helfen mit Ver- gnuͤgen an den Kraͤnzen flechten, womit unſre Beſtaͤndigkeit belohnt wird. Sie ſagte mir den folgenden Abend eine zweyte Unterredung zu, und ich gieng recht mun- ter und voller Anſchlaͤge zu Bette. Meine Hauptſorge war, dem pinſel- haften Seymour den Widerſtand des Fraͤuleins und die heroiſch ausgezeichne- te Wuͤrkung ſeiner unartigen Vorwuͤrfe zu verbergen. Aber da ich nicht erfahren konnte, wo er ſich aufhielt, mußte ich mei- ne Guineen zu Huͤlfe nehmen, und einen Poſt-Officier gewinnen, der mir alle Briefe zu liefern verſprochen hat, die an das Fraͤulein, an Loͤbau und an alle Be- kannten des Seymour einlaufen werden. Daß ſie in ihrem eignen Hauſe keine bekom- men kann, bin ich ſicher. Sie wollte zwar unverzuͤglich auf ihre Guͤter; aber ihr Oncle erklaͤrte, daß er ſie nicht reiſen laſſe. Jhr Fieber dauert; ſie wuͤnſcht zu ſterben;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/377
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/377>, abgerufen am 06.05.2024.