Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

sich fassen möchte, der Doctor sollte sie
begleiten.

Sie gab dem Alten ihre Hand, nach-
dem sie ihr Halstuch um ihren Hals ge-
legt hatte, und gieng mit wankenden Füs-
sen aus dem Zimmer. Jhre Tante blieb
und fieng an über das Mädchen zu re-
den. Der Fürst hieß sie schweigen, und
sagte ihr mit Zorn: sie hätten ihm alle
eine falsche Jdee von dem Charakter des
Fräuleins gegeben, und ihn lauter ver-
kehrte Wege geführt. Damit gieng er
fort, die Gräfin auch, und John wurde
seines Gefängnisses erlediget.

Jm Saal hatte man fortgetanzt, aber
daneben viel von der Begebenheit gezischelt.
Fast bey allen wurde die Aufführung des
Fräuleins als ein übertriebenes Geziere
getadelt. "Man kann tugendhaft seyn,
"ohne ein großes Geräusch zu machen.
"Sollte man nicht denken, der Fürst hät-
"te noch keine Dame als sie geliebt? aber
"es giebt eine sanftere und edlere Art von
"Vertheidigung seiner Ehre, zu der man

"just

ſich faſſen moͤchte, der Doctor ſollte ſie
begleiten.

Sie gab dem Alten ihre Hand, nach-
dem ſie ihr Halstuch um ihren Hals ge-
legt hatte, und gieng mit wankenden Fuͤſ-
ſen aus dem Zimmer. Jhre Tante blieb
und fieng an uͤber das Maͤdchen zu re-
den. Der Fuͤrſt hieß ſie ſchweigen, und
ſagte ihr mit Zorn: ſie haͤtten ihm alle
eine falſche Jdee von dem Charakter des
Fraͤuleins gegeben, und ihn lauter ver-
kehrte Wege gefuͤhrt. Damit gieng er
fort, die Graͤfin auch, und John wurde
ſeines Gefaͤngniſſes erlediget.

Jm Saal hatte man fortgetanzt, aber
daneben viel von der Begebenheit geziſchelt.
Faſt bey allen wurde die Auffuͤhrung des
Fraͤuleins als ein uͤbertriebenes Geziere
getadelt. „Man kann tugendhaft ſeyn,
„ohne ein großes Geraͤuſch zu machen.
„Sollte man nicht denken, der Fuͤrſt haͤt-
„te noch keine Dame als ſie geliebt? aber
„es giebt eine ſanftere und edlere Art von
„Vertheidigung ſeiner Ehre, zu der man

„juſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0372" n="346"/>
&#x017F;ich fa&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte, der Doctor &#x017F;ollte &#x017F;ie<lb/>
begleiten.</p><lb/>
          <p>Sie gab dem Alten ihre Hand, nach-<lb/>
dem &#x017F;ie ihr Halstuch um ihren Hals ge-<lb/>
legt hatte, und gieng mit wankenden Fu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en aus dem Zimmer. Jhre Tante blieb<lb/>
und fieng an u&#x0364;ber das Ma&#x0364;dchen zu re-<lb/>
den. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t hieß &#x017F;ie &#x017F;chweigen, und<lb/>
&#x017F;agte ihr mit Zorn: &#x017F;ie ha&#x0364;tten ihm alle<lb/>
eine fal&#x017F;che Jdee von dem Charakter des<lb/>
Fra&#x0364;uleins gegeben, und ihn lauter ver-<lb/>
kehrte Wege gefu&#x0364;hrt. Damit gieng er<lb/>
fort, die Gra&#x0364;fin auch, und John wurde<lb/>
&#x017F;eines Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;es erlediget.</p><lb/>
          <p>Jm Saal hatte man fortgetanzt, aber<lb/>
daneben viel von der Begebenheit gezi&#x017F;chelt.<lb/>
Fa&#x017F;t bey allen wurde die Auffu&#x0364;hrung des<lb/>
Fra&#x0364;uleins als ein u&#x0364;bertriebenes Geziere<lb/>
getadelt. &#x201E;Man kann tugendhaft &#x017F;eyn,<lb/>
&#x201E;ohne ein großes Gera&#x0364;u&#x017F;ch zu machen.<lb/>
&#x201E;Sollte man nicht denken, der Fu&#x0364;r&#x017F;t ha&#x0364;t-<lb/>
&#x201E;te noch keine Dame als &#x017F;ie geliebt? aber<lb/>
&#x201E;es giebt eine &#x017F;anftere und edlere Art von<lb/>
&#x201E;Vertheidigung &#x017F;einer Ehre, zu der man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;ju&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0372] ſich faſſen moͤchte, der Doctor ſollte ſie begleiten. Sie gab dem Alten ihre Hand, nach- dem ſie ihr Halstuch um ihren Hals ge- legt hatte, und gieng mit wankenden Fuͤſ- ſen aus dem Zimmer. Jhre Tante blieb und fieng an uͤber das Maͤdchen zu re- den. Der Fuͤrſt hieß ſie ſchweigen, und ſagte ihr mit Zorn: ſie haͤtten ihm alle eine falſche Jdee von dem Charakter des Fraͤuleins gegeben, und ihn lauter ver- kehrte Wege gefuͤhrt. Damit gieng er fort, die Graͤfin auch, und John wurde ſeines Gefaͤngniſſes erlediget. Jm Saal hatte man fortgetanzt, aber daneben viel von der Begebenheit geziſchelt. Faſt bey allen wurde die Auffuͤhrung des Fraͤuleins als ein uͤbertriebenes Geziere getadelt. „Man kann tugendhaft ſeyn, „ohne ein großes Geraͤuſch zu machen. „Sollte man nicht denken, der Fuͤrſt haͤt- „te noch keine Dame als ſie geliebt? aber „es giebt eine ſanftere und edlere Art von „Vertheidigung ſeiner Ehre, zu der man „juſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/372
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/372>, abgerufen am 06.05.2024.