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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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ren Fingern gemacht hatte. Mein Kopf
fieng an warm zu werden, und ich em-
pfahl meinem Freunde John, dem Se-
cretair von Milord G., seine Aufmerksam-
keit zu verdoppeln, weil mein aufkochen-
des Blut nicht mehr Ruhe genug dazu
hatte. Doch machte ich noch in Zeiten
die Anmerkung, daß unser Gesicht, und
das was man Physionomie nennt, ganz
eigentlich der Ausdruck unsrer Seele ist.
Denn ohne Masque war meine Stern-
heim allezeit das Bild der sitttlichen
Schönheit, indem ihre Miene und der
Blick ihrer Augen, eine Hoheit und Rei-
nigkeit der Seele über ihre ganze Person
auszugießen schien, wodurch alle Begier-
den, die sie einflößte, in den Schranken
der Ehrerbietung gehalten wurden. Aber
nun waren ihre Augenbraunen, Schläfe
und halbe Backen gedeckt, und ihre Seele
gleichsam unsichtbar gemacht; sie verlohr
dadurch die sittliche eharakteristische Züge
ihrer Annehmlichkeiten, und sank zu der
allgemeinen Jdee eines Mädchens herab.
Der Gedanke, daß sie ihren ganzen An-

zug

ren Fingern gemacht hatte. Mein Kopf
fieng an warm zu werden, und ich em-
pfahl meinem Freunde John, dem Se-
cretair von Milord G., ſeine Aufmerkſam-
keit zu verdoppeln, weil mein aufkochen-
des Blut nicht mehr Ruhe genug dazu
hatte. Doch machte ich noch in Zeiten
die Anmerkung, daß unſer Geſicht, und
das was man Phyſionomie nennt, ganz
eigentlich der Ausdruck unſrer Seele iſt.
Denn ohne Masque war meine Stern-
heim allezeit das Bild der ſitttlichen
Schoͤnheit, indem ihre Miene und der
Blick ihrer Augen, eine Hoheit und Rei-
nigkeit der Seele uͤber ihre ganze Perſon
auszugießen ſchien, wodurch alle Begier-
den, die ſie einfloͤßte, in den Schranken
der Ehrerbietung gehalten wurden. Aber
nun waren ihre Augenbraunen, Schlaͤfe
und halbe Backen gedeckt, und ihre Seele
gleichſam unſichtbar gemacht; ſie verlohr
dadurch die ſittliche eharakteriſtiſche Zuͤge
ihrer Annehmlichkeiten, und ſank zu der
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Der Gedanke, daß ſie ihren ganzen An-

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[340/0366] ren Fingern gemacht hatte. Mein Kopf fieng an warm zu werden, und ich em- pfahl meinem Freunde John, dem Se- cretair von Milord G., ſeine Aufmerkſam- keit zu verdoppeln, weil mein aufkochen- des Blut nicht mehr Ruhe genug dazu hatte. Doch machte ich noch in Zeiten die Anmerkung, daß unſer Geſicht, und das was man Phyſionomie nennt, ganz eigentlich der Ausdruck unſrer Seele iſt. Denn ohne Masque war meine Stern- heim allezeit das Bild der ſitttlichen Schoͤnheit, indem ihre Miene und der Blick ihrer Augen, eine Hoheit und Rei- nigkeit der Seele uͤber ihre ganze Perſon auszugießen ſchien, wodurch alle Begier- den, die ſie einfloͤßte, in den Schranken der Ehrerbietung gehalten wurden. Aber nun waren ihre Augenbraunen, Schlaͤfe und halbe Backen gedeckt, und ihre Seele gleichſam unſichtbar gemacht; ſie verlohr dadurch die ſittliche eharakteriſtiſche Zuͤge ihrer Annehmlichkeiten, und ſank zu der allgemeinen Jdee eines Maͤdchens herab. Der Gedanke, daß ſie ihren ganzen An- zug

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/366>, abgerufen am 18.12.2024.