am besten beweisen kann." -- Mit diesem Gespräche kamen wir zur Gesellschaft an. Alle suchten etwas in den Gesichtszügen des Fürsten zu lesen; er war sehr höflich gegen sie; gieng aber bald darauf weg, und sagte mir noch mit Lächeln: ich möch- te seinen Rath nicht vergessen. Jch re- dete meiner Tante ernsthaft von den Ge- sinnungen, die ich bemerkt hätte, und daß ich in keinem Menschen Liebe sehen und ernähren würde, die ich nicht billigen könnte; daß ich also auf dem Bal nicht singen wollte, und sie bäte mich nach Sternheim zurück zu lassen.
Da war Jammer über meine zuweitge- triebne grillenhafte Jdeen, die nicht einmal eine zärtliche Höflichkeit ertragen könnten; ich möchte doch um des Himmels und ihrer Kinder willen die Bal-Partie nicht verschlagen; wenn ich nach diesem unzu- frieden wäre, so versprach sie mir, mich nach Sternheim zu begleiten, und den Ue- berrest des Jahres dort zu bleiben. Bey diesem Versprechen hielt ich sie und erneuer- te ihr das meinige. Dies ist also die letzte
Tyrannie,
am beſten beweiſen kann.“ — Mit dieſem Geſpraͤche kamen wir zur Geſellſchaft an. Alle ſuchten etwas in den Geſichtszuͤgen des Fuͤrſten zu leſen; er war ſehr hoͤflich gegen ſie; gieng aber bald darauf weg, und ſagte mir noch mit Laͤcheln: ich moͤch- te ſeinen Rath nicht vergeſſen. Jch re- dete meiner Tante ernſthaft von den Ge- ſinnungen, die ich bemerkt haͤtte, und daß ich in keinem Menſchen Liebe ſehen und ernaͤhren wuͤrde, die ich nicht billigen koͤnnte; daß ich alſo auf dem Bal nicht ſingen wollte, und ſie baͤte mich nach Sternheim zuruͤck zu laſſen.
Da war Jammer uͤber meine zuweitge- triebne grillenhafte Jdeen, die nicht einmal eine zaͤrtliche Hoͤflichkeit ertragen koͤnnten; ich moͤchte doch um des Himmels und ihrer Kinder willen die Bal-Partie nicht verſchlagen; wenn ich nach dieſem unzu- frieden waͤre, ſo verſprach ſie mir, mich nach Sternheim zu begleiten, und den Ue- berreſt des Jahres dort zu bleiben. Bey dieſem Verſprechen hielt ich ſie und erneuer- te ihr das meinige. Dies iſt alſo die letzte
Tyrannie,
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am beſten beweiſen kann.“ — Mit dieſem
Geſpraͤche kamen wir zur Geſellſchaft an.
Alle ſuchten etwas in den Geſichtszuͤgen
des Fuͤrſten zu leſen; er war ſehr hoͤflich
gegen ſie; gieng aber bald darauf weg,
und ſagte mir noch mit Laͤcheln: ich moͤch-
te ſeinen Rath nicht vergeſſen. Jch re-
dete meiner Tante ernſthaft von den Ge-
ſinnungen, die ich bemerkt haͤtte, und daß
ich in keinem Menſchen Liebe ſehen und
ernaͤhren wuͤrde, die ich nicht billigen
koͤnnte; daß ich alſo auf dem Bal nicht
ſingen wollte, und ſie baͤte mich nach
Sternheim zuruͤck zu laſſen.
Da war Jammer uͤber meine zuweitge-
triebne grillenhafte Jdeen, die nicht einmal
eine zaͤrtliche Hoͤflichkeit ertragen koͤnnten;
ich moͤchte doch um des Himmels und
ihrer Kinder willen die Bal-Partie nicht
verſchlagen; wenn ich nach dieſem unzu-
frieden waͤre, ſo verſprach ſie mir, mich
nach Sternheim zu begleiten, und den Ue-
berreſt des Jahres dort zu bleiben. Bey
dieſem Verſprechen hielt ich ſie und erneuer-
te ihr das meinige. Dies iſt alſo die letzte
Tyrannie,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/359>, abgerufen am 06.05.2024.
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