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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Der Gesandte hätte kein Franzose und
kein Gesandter seyn müssen, wenn er es
nicht bekräftiget hätte, wäre er auch nicht
davon überzeugt gewesen; und meine
Sternheim glühete von Schöhnheit und
Unzufriedenheit. Denn die Blicke des
Fürsten mögen noch lebhafter gewesen
seyn, als der Ton, mit welchem er redete.
Mein Mädchen mischte die Karte mit nie-
dergeschlagenem Auge fort. Als sie selbi-
ge austheilte, machte ich eine Wendung;
sie blickte mich an; ich zeigte ihr ein nach-
denkendes trauriges Gesichte, mit welchem
ich sie ansah, meine Augen auf den Für-
sten heftete und mit schnellem Schritte
mich an den Pharao-Tisch begab, wo sie
mich spielen sehen konnte. Jch setzte
stark, und spielte zerstreut; meine Absicht
war, die Sternheim denken zu machen,
daß meine Beobachtung der Liebe des Für-
sten gegen sie Ursache an der Nachlässig-
keit für mein Glück, und der scheinbaren
Zerstreuung meiner Gedanken sey. Die-
ses konnte sie nicht anders als der Stärke
meiner Leidenschaft für sie zuschreiben,

und

Der Geſandte haͤtte kein Franzoſe und
kein Geſandter ſeyn muͤſſen, wenn er es
nicht bekraͤftiget haͤtte, waͤre er auch nicht
davon uͤberzeugt geweſen; und meine
Sternheim gluͤhete von Schoͤhnheit und
Unzufriedenheit. Denn die Blicke des
Fuͤrſten moͤgen noch lebhafter geweſen
ſeyn, als der Ton, mit welchem er redete.
Mein Maͤdchen miſchte die Karte mit nie-
dergeſchlagenem Auge fort. Als ſie ſelbi-
ge austheilte, machte ich eine Wendung;
ſie blickte mich an; ich zeigte ihr ein nach-
denkendes trauriges Geſichte, mit welchem
ich ſie anſah, meine Augen auf den Fuͤr-
ſten heftete und mit ſchnellem Schritte
mich an den Pharao-Tiſch begab, wo ſie
mich ſpielen ſehen konnte. Jch ſetzte
ſtark, und ſpielte zerſtreut; meine Abſicht
war, die Sternheim denken zu machen,
daß meine Beobachtung der Liebe des Fuͤr-
ſten gegen ſie Urſache an der Nachlaͤſſig-
keit fuͤr mein Gluͤck, und der ſcheinbaren
Zerſtreuung meiner Gedanken ſey. Die-
ſes konnte ſie nicht anders als der Staͤrke
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[308/0334] Der Geſandte haͤtte kein Franzoſe und kein Geſandter ſeyn muͤſſen, wenn er es nicht bekraͤftiget haͤtte, waͤre er auch nicht davon uͤberzeugt geweſen; und meine Sternheim gluͤhete von Schoͤhnheit und Unzufriedenheit. Denn die Blicke des Fuͤrſten moͤgen noch lebhafter geweſen ſeyn, als der Ton, mit welchem er redete. Mein Maͤdchen miſchte die Karte mit nie- dergeſchlagenem Auge fort. Als ſie ſelbi- ge austheilte, machte ich eine Wendung; ſie blickte mich an; ich zeigte ihr ein nach- denkendes trauriges Geſichte, mit welchem ich ſie anſah, meine Augen auf den Fuͤr- ſten heftete und mit ſchnellem Schritte mich an den Pharao-Tiſch begab, wo ſie mich ſpielen ſehen konnte. Jch ſetzte ſtark, und ſpielte zerſtreut; meine Abſicht war, die Sternheim denken zu machen, daß meine Beobachtung der Liebe des Fuͤr- ſten gegen ſie Urſache an der Nachlaͤſſig- keit fuͤr mein Gluͤck, und der ſcheinbaren Zerſtreuung meiner Gedanken ſey. Die- ſes konnte ſie nicht anders als der Staͤrke meiner Leidenſchaft fuͤr ſie zuſchreiben, und

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/334>, abgerufen am 22.11.2024.