Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Schlosse, und haben da die verwittibte
Gräsin von Sch*, welche immer da
wohnt, zwey andere Damen von der
Nachbarschaft, und zu meiner unbeschreib-
lichen Freude den Herrn ** gefunden,
dessen vortreffliche Schriften ich schon ge-
lesen, und so viel Feines für mein Herz
und meinen Geschmack daraus erlernt hat-
te. Der ungezwungene ruhige Ton sei-
nes Umgangs, unter welchen er seinen
Scharfsinn und seine Wissenschaft ver-
birgt; und die Gelassenheit, mit welcher
er sich in Zeitvertreibe und Unterredungen
einflechten ließ, die der Größe feines Ge-
nies und seiner Kenntnisse ganz unwür-
dig waren, erregten in mir für seinen
leutseligen Charakter die nehmliche Be-
wunderung, welche die übrige Welt sei-
nem Geiste widmet. Jmmer hoffte ich
auf einen Anlaß, den man ihm geben wür-
de, uns allen etwas nützliches von den
schönen Wissenschaften, von guten Bü-
chern, besonders von der deutschen Litera-
tur zu sagen, wodurch unsere Kenntnisse
und unser Geschmack hätte verbessert wer-

den

Schloſſe, und haben da die verwittibte
Graͤſin von Sch*, welche immer da
wohnt, zwey andere Damen von der
Nachbarſchaft, und zu meiner unbeſchreib-
lichen Freude den Herrn ** gefunden,
deſſen vortreffliche Schriften ich ſchon ge-
leſen, und ſo viel Feines fuͤr mein Herz
und meinen Geſchmack daraus erlernt hat-
te. Der ungezwungene ruhige Ton ſei-
nes Umgangs, unter welchen er ſeinen
Scharfſinn und ſeine Wiſſenſchaft ver-
birgt; und die Gelaſſenheit, mit welcher
er ſich in Zeitvertreibe und Unterredungen
einflechten ließ, die der Groͤße feines Ge-
nies und ſeiner Kenntniſſe ganz unwuͤr-
dig waren, erregten in mir fuͤr ſeinen
leutſeligen Charakter die nehmliche Be-
wunderung, welche die uͤbrige Welt ſei-
nem Geiſte widmet. Jmmer hoffte ich
auf einen Anlaß, den man ihm geben wuͤr-
de, uns allen etwas nuͤtzliches von den
ſchoͤnen Wiſſenſchaften, von guten Buͤ-
chern, beſonders von der deutſchen Litera-
tur zu ſagen, wodurch unſere Kenntniſſe
und unſer Geſchmack haͤtte verbeſſert wer-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="218"/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e, und haben da die verwittibte<lb/>
Gra&#x0364;&#x017F;in von Sch*, welche immer da<lb/>
wohnt, zwey andere Damen von der<lb/>
Nachbar&#x017F;chaft, und zu meiner unbe&#x017F;chreib-<lb/>
lichen Freude den Herrn ** gefunden,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en vortreffliche Schriften ich &#x017F;chon ge-<lb/>
le&#x017F;en, und &#x017F;o viel Feines fu&#x0364;r mein Herz<lb/>
und meinen Ge&#x017F;chmack daraus erlernt hat-<lb/>
te. Der ungezwungene ruhige Ton &#x017F;ei-<lb/>
nes Umgangs, unter welchen er &#x017F;einen<lb/>
Scharf&#x017F;inn und &#x017F;eine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft ver-<lb/>
birgt; und die Gela&#x017F;&#x017F;enheit, mit welcher<lb/>
er &#x017F;ich in Zeitvertreibe und Unterredungen<lb/>
einflechten ließ, die der Gro&#x0364;ße feines Ge-<lb/>
nies und &#x017F;einer Kenntni&#x017F;&#x017F;e ganz unwu&#x0364;r-<lb/>
dig waren, erregten in mir fu&#x0364;r &#x017F;einen<lb/>
leut&#x017F;eligen Charakter die nehmliche Be-<lb/>
wunderung, welche die u&#x0364;brige Welt &#x017F;ei-<lb/>
nem Gei&#x017F;te widmet. Jmmer hoffte ich<lb/>
auf einen Anlaß, den man ihm geben wu&#x0364;r-<lb/>
de, uns allen etwas nu&#x0364;tzliches von den<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, von guten Bu&#x0364;-<lb/>
chern, be&#x017F;onders von der deut&#x017F;chen Litera-<lb/>
tur zu &#x017F;agen, wodurch un&#x017F;ere Kenntni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und un&#x017F;er Ge&#x017F;chmack ha&#x0364;tte verbe&#x017F;&#x017F;ert wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0244] Schloſſe, und haben da die verwittibte Graͤſin von Sch*, welche immer da wohnt, zwey andere Damen von der Nachbarſchaft, und zu meiner unbeſchreib- lichen Freude den Herrn ** gefunden, deſſen vortreffliche Schriften ich ſchon ge- leſen, und ſo viel Feines fuͤr mein Herz und meinen Geſchmack daraus erlernt hat- te. Der ungezwungene ruhige Ton ſei- nes Umgangs, unter welchen er ſeinen Scharfſinn und ſeine Wiſſenſchaft ver- birgt; und die Gelaſſenheit, mit welcher er ſich in Zeitvertreibe und Unterredungen einflechten ließ, die der Groͤße feines Ge- nies und ſeiner Kenntniſſe ganz unwuͤr- dig waren, erregten in mir fuͤr ſeinen leutſeligen Charakter die nehmliche Be- wunderung, welche die uͤbrige Welt ſei- nem Geiſte widmet. Jmmer hoffte ich auf einen Anlaß, den man ihm geben wuͤr- de, uns allen etwas nuͤtzliches von den ſchoͤnen Wiſſenſchaften, von guten Buͤ- chern, beſonders von der deutſchen Litera- tur zu ſagen, wodurch unſere Kenntniſſe und unſer Geſchmack haͤtte verbeſſert wer- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/244
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/244>, abgerufen am 24.11.2024.