Das Fräulein R* betrachtete sie auf eine beleidigende Weise, und meine Göt- tin mochte unsere Verlegenheit gemerkt haben, denn sie schwieg, wie wir, in ei- nem fort, bis wir wieder zu Hause ka- men. Jch eilte Abends fort, um meine Nachrichten zu hören. Da erzählte mir mein Kerl; Er hätte die Wirthin und die Frau heulend über die Güte des Fräu- leins angetroffen; die Frau sey dem Fräu- lein ganz fremd gewesen, hätte sich über das Anreden dieser Dame verwundert, und wäre ihr mit sorgsamem Gesicht in die Stube gefolgt, wohin sie sie mit den Kindern geführt. Da hätte ihr das Fräulein zugesprochen, sie um Ver- gebung über ihr Zudringen gebeten, und Hülfe angeboten, auch würklich Geld gegeben, und nachdem sie erfah- ren, daß sie nach D* gehe, und dort wohne, hätte sie ihren Nahmen und Aufenthalt der Frau aufgeschrieben, und ihr auf das liebreichste fernere Dienste versichert, auch bey der Wir- thin eine gute Kutsche bestellt, welche
die
Das Fraͤulein R* betrachtete ſie auf eine beleidigende Weiſe, und meine Goͤt- tin mochte unſere Verlegenheit gemerkt haben, denn ſie ſchwieg, wie wir, in ei- nem fort, bis wir wieder zu Hauſe ka- men. Jch eilte Abends fort, um meine Nachrichten zu hoͤren. Da erzaͤhlte mir mein Kerl; Er haͤtte die Wirthin und die Frau heulend uͤber die Guͤte des Fraͤu- leins angetroffen; die Frau ſey dem Fraͤu- lein ganz fremd geweſen, haͤtte ſich uͤber das Anreden dieſer Dame verwundert, und waͤre ihr mit ſorgſamem Geſicht in die Stube gefolgt, wohin ſie ſie mit den Kindern gefuͤhrt. Da haͤtte ihr das Fraͤulein zugeſprochen, ſie um Ver- gebung uͤber ihr Zudringen gebeten, und Huͤlfe angeboten, auch wuͤrklich Geld gegeben, und nachdem ſie erfah- ren, daß ſie nach D* gehe, und dort wohne, haͤtte ſie ihren Nahmen und Aufenthalt der Frau aufgeſchrieben, und ihr auf das liebreichſte fernere Dienſte verſichert, auch bey der Wir- thin eine gute Kutſche beſtellt, welche
die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0240"n="214"/><p>Das Fraͤulein R* betrachtete ſie auf<lb/>
eine beleidigende Weiſe, und meine Goͤt-<lb/>
tin mochte unſere Verlegenheit gemerkt<lb/>
haben, denn ſie ſchwieg, wie wir, in ei-<lb/>
nem fort, bis wir wieder zu Hauſe ka-<lb/>
men. Jch eilte Abends fort, um meine<lb/>
Nachrichten zu hoͤren. Da erzaͤhlte mir<lb/>
mein Kerl; Er haͤtte die Wirthin und die<lb/>
Frau heulend uͤber die Guͤte des Fraͤu-<lb/>
leins angetroffen; die Frau ſey dem Fraͤu-<lb/>
lein ganz fremd geweſen, haͤtte ſich uͤber<lb/>
das Anreden dieſer Dame verwundert,<lb/>
und waͤre ihr mit ſorgſamem Geſicht in<lb/>
die Stube gefolgt, wohin ſie ſie mit den<lb/>
Kindern gefuͤhrt. Da haͤtte ihr das<lb/>
Fraͤulein zugeſprochen, ſie um Ver-<lb/>
gebung uͤber ihr Zudringen gebeten,<lb/>
und Huͤlfe angeboten, auch wuͤrklich<lb/>
Geld gegeben, und nachdem ſie erfah-<lb/>
ren, daß ſie nach D* gehe, und dort<lb/>
wohne, haͤtte ſie ihren Nahmen und<lb/>
Aufenthalt der Frau aufgeſchrieben,<lb/>
und ihr auf das liebreichſte fernere<lb/>
Dienſte verſichert, auch bey der Wir-<lb/>
thin eine gute Kutſche beſtellt, welche<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214/0240]
Das Fraͤulein R* betrachtete ſie auf
eine beleidigende Weiſe, und meine Goͤt-
tin mochte unſere Verlegenheit gemerkt
haben, denn ſie ſchwieg, wie wir, in ei-
nem fort, bis wir wieder zu Hauſe ka-
men. Jch eilte Abends fort, um meine
Nachrichten zu hoͤren. Da erzaͤhlte mir
mein Kerl; Er haͤtte die Wirthin und die
Frau heulend uͤber die Guͤte des Fraͤu-
leins angetroffen; die Frau ſey dem Fraͤu-
lein ganz fremd geweſen, haͤtte ſich uͤber
das Anreden dieſer Dame verwundert,
und waͤre ihr mit ſorgſamem Geſicht in
die Stube gefolgt, wohin ſie ſie mit den
Kindern gefuͤhrt. Da haͤtte ihr das
Fraͤulein zugeſprochen, ſie um Ver-
gebung uͤber ihr Zudringen gebeten,
und Huͤlfe angeboten, auch wuͤrklich
Geld gegeben, und nachdem ſie erfah-
ren, daß ſie nach D* gehe, und dort
wohne, haͤtte ſie ihren Nahmen und
Aufenthalt der Frau aufgeſchrieben,
und ihr auf das liebreichſte fernere
Dienſte verſichert, auch bey der Wir-
thin eine gute Kutſche beſtellt, welche
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/240>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.