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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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Vergleicht man die deutschen Zustände mit den eng-
lischen und schwedischen, so kommt man zu dem betrüben-
den Schlusse, daß sie sich in einer vollkommen parallelen
Richtung entwickeln. - Sämtliche Parteien haben ihre
Frauen organisiert, d. h. mit anderen Worten, die
Stimmrechtlerinnen haben es verstanden, in sämt-
liche Parteien einzudringen und sind dort an
der Arbeit
. Am klarsten liegen die Dinge für die
Sozialdemokratie, bei der das Parteiprogramm das Frauen-
programm einschließt und die von der Partei selbst hinzu-
gezogenen Frauen keiner gesonderten Organisation be-
dürfen.- Die bürgerlichen Parteien haben es nicht recht-
zeitig erkannt, daß die Frauenstimmrechtsbewegung für
jedes andere Parteiprogramm außer dem sozialdemokrati-
schen als zersetzendes Gift wirkt und haben, die eine nach
der andern, geglaubt, dem Feminismus nachlaufen zu
müssen. - Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen sind heute
unter sich noch nicht einig darüber, was für sie höher
einzuschätzen ist: die bisherige unbedingte Solidarität aller
organisierten Frauen oder die Zersplitterung zum Zwecke
der Gewinnung der politischen Parteien. Die Führerinnen
suchen beides zu vereinigen, was um so leichter möglich
sein dürfte, da der Solidaritätsgedanke bei einer echten
Stimmrechtlerin die politische Parteistellung ausschlaggebend
zu bestimmen pflegt. - Was von der politischen Über-
zeugungstreue der Rechtlerinnen zu halten ist, dafür gibt
es schlagende Beispiele bei uns und im Auslande. Die
englischen Rechtlerinnen, liberale und konservative, haben
die Parole ausgegeben, bei den Wahlen keine der beiden
Parteien zu unterstützen, sondern nur der Arbeiterpartei

Vergleicht man die deutschen Zustände mit den eng-
lischen und schwedischen, so kommt man zu dem betrüben-
den Schlusse, daß sie sich in einer vollkommen parallelen
Richtung entwickeln. – Sämtliche Parteien haben ihre
Frauen organisiert, d. h. mit anderen Worten, die
Stimmrechtlerinnen haben es verstanden, in sämt-
liche Parteien einzudringen und sind dort an
der Arbeit
. Am klarsten liegen die Dinge für die
Sozialdemokratie, bei der das Parteiprogramm das Frauen-
programm einschließt und die von der Partei selbst hinzu-
gezogenen Frauen keiner gesonderten Organisation be-
dürfen.– Die bürgerlichen Parteien haben es nicht recht-
zeitig erkannt, daß die Frauenstimmrechtsbewegung für
jedes andere Parteiprogramm außer dem sozialdemokrati-
schen als zersetzendes Gift wirkt und haben, die eine nach
der andern, geglaubt, dem Feminismus nachlaufen zu
müssen. – Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen sind heute
unter sich noch nicht einig darüber, was für sie höher
einzuschätzen ist: die bisherige unbedingte Solidarität aller
organisierten Frauen oder die Zersplitterung zum Zwecke
der Gewinnung der politischen Parteien. Die Führerinnen
suchen beides zu vereinigen, was um so leichter möglich
sein dürfte, da der Solidaritätsgedanke bei einer echten
Stimmrechtlerin die politische Parteistellung ausschlaggebend
zu bestimmen pflegt. – Was von der politischen Über-
zeugungstreue der Rechtlerinnen zu halten ist, dafür gibt
es schlagende Beispiele bei uns und im Auslande. Die
englischen Rechtlerinnen, liberale und konservative, haben
die Parole ausgegeben, bei den Wahlen keine der beiden
Parteien zu unterstützen, sondern nur der Arbeiterpartei

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[66/0068] Vergleicht man die deutschen Zustände mit den eng- lischen und schwedischen, so kommt man zu dem betrüben- den Schlusse, daß sie sich in einer vollkommen parallelen Richtung entwickeln. – Sämtliche Parteien haben ihre Frauen organisiert, d. h. mit anderen Worten, die Stimmrechtlerinnen haben es verstanden, in sämt- liche Parteien einzudringen und sind dort an der Arbeit. Am klarsten liegen die Dinge für die Sozialdemokratie, bei der das Parteiprogramm das Frauen- programm einschließt und die von der Partei selbst hinzu- gezogenen Frauen keiner gesonderten Organisation be- dürfen.– Die bürgerlichen Parteien haben es nicht recht- zeitig erkannt, daß die Frauenstimmrechtsbewegung für jedes andere Parteiprogramm außer dem sozialdemokrati- schen als zersetzendes Gift wirkt und haben, die eine nach der andern, geglaubt, dem Feminismus nachlaufen zu müssen. – Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen sind heute unter sich noch nicht einig darüber, was für sie höher einzuschätzen ist: die bisherige unbedingte Solidarität aller organisierten Frauen oder die Zersplitterung zum Zwecke der Gewinnung der politischen Parteien. Die Führerinnen suchen beides zu vereinigen, was um so leichter möglich sein dürfte, da der Solidaritätsgedanke bei einer echten Stimmrechtlerin die politische Parteistellung ausschlaggebend zu bestimmen pflegt. – Was von der politischen Über- zeugungstreue der Rechtlerinnen zu halten ist, dafür gibt es schlagende Beispiele bei uns und im Auslande. Die englischen Rechtlerinnen, liberale und konservative, haben die Parole ausgegeben, bei den Wahlen keine der beiden Parteien zu unterstützen, sondern nur der Arbeiterpartei

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/68>, abgerufen am 28.04.2024.