Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Persern ist dann das Spiel thatsächlich zu den Arabern ge-
kommen, und diese haben es schnell dem europäischen Westen
überbracht. Schon Carl der Grosse soll vom Kalifen Harun
al Raschid unter anderen kostbaren Ehrengaben ein elfen-
beinernes Schachspiel erhalten haben, von welchem einzelne
Figuren noch heute im Museum zu Paris aufbewahrt werden,
wohin sie die Revolution von St. Denis aus entführte. Andere
nennen die Kaiserin Irene oder ihren Nachfolger Nicephorus
als Schenker. Wahrscheinlich ist das Spiel auch in Frank-
reich durch Vermittelung der Mauren, welche Carl Martel
bei Poitiers im Herzen Frankreichs schlug, heimisch ge-
worden. Nach England aber scheint es durch Wilhelm den
Eroberer gelangt zu sein. In Deutschland muss es ebenfalls
vor dem Jahre 1000 bekannt gewesen sein, indem mehrere
deutsche Familien aus so alter Zeit Schachfelder oder ganze
Bretter in ihrem Wappen führen. So haben z. B. die Hohen-
zollern ein roth und weisses Brett, die Stadt Aschersleben
führt ein vollständiges Brett im Wappen und das anhaltische
Fürstenhaus einen Theil desselben. Die Russen endlich
haben wahrscheinlich, wie alle Slaven und die Griechen, das
Schach direct aus dem Orient erhalten.

§. 154. Die allgemeinere Verbreitung des Spieles be-
ginnt aber erst seit der Zeit der Kreuzzüge. Auf ihren hei-
ligen Zügen lernten es die Kreuzeskämpfer näher kennen,
und mit dem schnell wachsenden Handelsverkehr fand auch
das Schachspiel allgemeinere Anerkennung. So erwähnt der
Mönch Robert von St. Remy auf dem ersten Zuge 1095
bereits der Scacci unter den Vergnügungen des Heeres, und
Richard I. nahm in Palästina eine Caravane von Babylon
gefangen, welche unter anderen Handelsgegenständen auch
"uteres et scaccaria", d. h. Schläuche und Schachspielmate-
rial, geladen hatte.


Persern ist dann das Spiel thatsächlich zu den Arabern ge-
kommen, und diese haben es schnell dem europäischen Westen
überbracht. Schon Carl der Grosse soll vom Kalifen Harun
al Raschid unter anderen kostbaren Ehrengaben ein elfen-
beinernes Schachspiel erhalten haben, von welchem einzelne
Figuren noch heute im Museum zu Paris aufbewahrt werden,
wohin sie die Revolution von St. Denis aus entführte. Andere
nennen die Kaiserin Irene oder ihren Nachfolger Nicephorus
als Schenker. Wahrscheinlich ist das Spiel auch in Frank-
reich durch Vermittelung der Mauren, welche Carl Martel
bei Poitiers im Herzen Frankreichs schlug, heimisch ge-
worden. Nach England aber scheint es durch Wilhelm den
Eroberer gelangt zu sein. In Deutschland muss es ebenfalls
vor dem Jahre 1000 bekannt gewesen sein, indem mehrere
deutsche Familien aus so alter Zeit Schachfelder oder ganze
Bretter in ihrem Wappen führen. So haben z. B. die Hohen-
zollern ein roth und weisses Brett, die Stadt Aschersleben
führt ein vollständiges Brett im Wappen und das anhaltische
Fürstenhaus einen Theil desselben. Die Russen endlich
haben wahrscheinlich, wie alle Slaven und die Griechen, das
Schach direct aus dem Orient erhalten.

§. 154. Die allgemeinere Verbreitung des Spieles be-
ginnt aber erst seit der Zeit der Kreuzzüge. Auf ihren hei-
ligen Zügen lernten es die Kreuzeskämpfer näher kennen,
und mit dem schnell wachsenden Handelsverkehr fand auch
das Schachspiel allgemeinere Anerkennung. So erwähnt der
Mönch Robert von St. Rémy auf dem ersten Zuge 1095
bereits der Scacci unter den Vergnügungen des Heeres, und
Richard I. nahm in Palästina eine Caravane von Babylon
gefangen, welche unter anderen Handelsgegenständen auch
„uteres et scaccaria“, d. h. Schläuche und Schachspielmate-
rial, geladen hatte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0113" n="101"/>
Persern ist dann das Spiel thatsächlich zu den Arabern ge-<lb/>
kommen, und diese haben es schnell dem europäischen Westen<lb/>
überbracht. Schon Carl der Grosse soll vom Kalifen Harun<lb/>
al Raschid unter anderen kostbaren Ehrengaben ein elfen-<lb/>
beinernes Schachspiel erhalten haben, von welchem einzelne<lb/>
Figuren noch heute im Museum zu Paris aufbewahrt werden,<lb/>
wohin sie die Revolution von St. Denis aus entführte. Andere<lb/>
nennen die Kaiserin Irene oder ihren Nachfolger Nicephorus<lb/>
als Schenker. Wahrscheinlich ist das Spiel auch in Frank-<lb/>
reich durch Vermittelung der Mauren, welche Carl Martel<lb/>
bei Poitiers im Herzen Frankreichs schlug, heimisch ge-<lb/>
worden. Nach England aber scheint es durch Wilhelm den<lb/>
Eroberer gelangt zu sein. In Deutschland muss es ebenfalls<lb/>
vor dem Jahre 1000 bekannt gewesen sein, indem mehrere<lb/>
deutsche Familien aus so alter Zeit Schachfelder oder ganze<lb/>
Bretter in ihrem Wappen führen. So haben z. B. die Hohen-<lb/>
zollern ein roth und weisses Brett, die Stadt Aschersleben<lb/>
führt ein vollständiges Brett im Wappen und das anhaltische<lb/>
Fürstenhaus einen Theil desselben. Die Russen endlich<lb/>
haben wahrscheinlich, wie alle Slaven und die Griechen, das<lb/>
Schach direct aus dem Orient erhalten.</p><lb/>
                <p>§. 154. Die allgemeinere Verbreitung des Spieles be-<lb/>
ginnt aber erst seit der Zeit der Kreuzzüge. Auf ihren hei-<lb/>
ligen Zügen lernten es die Kreuzeskämpfer näher kennen,<lb/>
und mit dem schnell wachsenden Handelsverkehr fand auch<lb/>
das Schachspiel allgemeinere Anerkennung. So erwähnt der<lb/>
Mönch Robert von St. Rémy auf dem ersten Zuge 1095<lb/>
bereits der Scacci unter den Vergnügungen des Heeres, und<lb/>
Richard I. nahm in Palästina eine Caravane von Babylon<lb/>
gefangen, welche unter anderen Handelsgegenständen auch<lb/>
&#x201E;uteres et scaccaria&#x201C;, d. h. Schläuche und Schachspielmate-<lb/>
rial, geladen hatte.</p>
              </div><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0113] Persern ist dann das Spiel thatsächlich zu den Arabern ge- kommen, und diese haben es schnell dem europäischen Westen überbracht. Schon Carl der Grosse soll vom Kalifen Harun al Raschid unter anderen kostbaren Ehrengaben ein elfen- beinernes Schachspiel erhalten haben, von welchem einzelne Figuren noch heute im Museum zu Paris aufbewahrt werden, wohin sie die Revolution von St. Denis aus entführte. Andere nennen die Kaiserin Irene oder ihren Nachfolger Nicephorus als Schenker. Wahrscheinlich ist das Spiel auch in Frank- reich durch Vermittelung der Mauren, welche Carl Martel bei Poitiers im Herzen Frankreichs schlug, heimisch ge- worden. Nach England aber scheint es durch Wilhelm den Eroberer gelangt zu sein. In Deutschland muss es ebenfalls vor dem Jahre 1000 bekannt gewesen sein, indem mehrere deutsche Familien aus so alter Zeit Schachfelder oder ganze Bretter in ihrem Wappen führen. So haben z. B. die Hohen- zollern ein roth und weisses Brett, die Stadt Aschersleben führt ein vollständiges Brett im Wappen und das anhaltische Fürstenhaus einen Theil desselben. Die Russen endlich haben wahrscheinlich, wie alle Slaven und die Griechen, das Schach direct aus dem Orient erhalten. §. 154. Die allgemeinere Verbreitung des Spieles be- ginnt aber erst seit der Zeit der Kreuzzüge. Auf ihren hei- ligen Zügen lernten es die Kreuzeskämpfer näher kennen, und mit dem schnell wachsenden Handelsverkehr fand auch das Schachspiel allgemeinere Anerkennung. So erwähnt der Mönch Robert von St. Rémy auf dem ersten Zuge 1095 bereits der Scacci unter den Vergnügungen des Heeres, und Richard I. nahm in Palästina eine Caravane von Babylon gefangen, welche unter anderen Handelsgegenständen auch „uteres et scaccaria“, d. h. Schläuche und Schachspielmate- rial, geladen hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/113
Zitationshilfe: Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/113>, abgerufen am 02.05.2024.