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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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Die Männer sind nicht
vom Unterricht auszu-
schließen. Sie sind da
am Platz, wo es sich rein
oder vorzugsweise um
Verstandeskultur handelt.
mit ist nicht gesagt, daß wir auf die Mitwirkung der
Lehrer an der Mädchenschule verzichten wollen; wir ver-
wahren uns ausdrücklich gegen eine Unterstellung dieser
Art; wir wollen den Männern sogar noch mehr Anteil am
wissenschaftlichen Unterricht der Mädchen einräumen als sie
uns. Der Erziehung wegen wollten wir einen Anteil
am Unterricht haben; daraus folgt, daß in den Fächern,
in welchen die erziehliche Wirkung nicht an eine besondere
Eigenart der Behandlung gebunden ist, der Unter-
richt eben so wohl von einem Manne erteilt werden kann.
Ja, wir sind der Meinung, daß da, wo es sich rein oder
vorzugsweise um Verstandeskultur handelt, in Gram-
matik, Rechnen, Naturwissenschaften, Geographie der Mann
besser am Platz ist, als die Frau, und wir würden um so
weniger anstehen, diese Fächer in seine Hand zu legen, als
von den vorhin berührten Übelständen des Männerunter-
richts hier kaum je die Rede ist1). Um so mehr treten sie
hervor bei den ethischen Fächern, und diese, besonders die
Religion und das Deutsche -- auch die Geschichte,
wenn sich irgend eine geeignete Persönlichkeit findet -- die
Die ethischen Fächer,
in denen erzogen wer-
den soll, gehören in
Frauenhand, ebenso die
Schulleitung.
Fächer, in denen erzogen, und zwar nicht nur im Weibe
der Mensch, sondern auch das Weibliche erzogen wer-
den soll, von denen aus jeder Verirrung des Gefühls und
Gedankens erfolgreich entgegengewirkt werden kann, gehören
eben darum nur in die Hand der Frau. Vor allen Dingen
aber gebührt ihr die Klassen- und Schulleitung; es ge-
bührt ihr -- und nur die Gewohnheit läßt uns die Ano-

1) Als neutrales Gebiet erscheinen uns die fremden Sprachen. Der
Vorzug, den die größere Vertiefung des Studiums dem Manne verleiht,
kommt in der Mädchenschule wenig zur Geltung; ja, diese größere Ver-
tiefung führt sehr leicht zu einer Überspannung der Forderungen. Dieser
Vorzug wird jedenfalls reichlich aufgewogen durch den Umstand, daß die
meisten der unterrichtenden Frauen es sich haben angelegen sein lassen,
die fremde Sprache in lebendigem Umgang, häufig durch Aufenthalt in
dem betr. Lande selbst zu pflegen, was unsere akademisch gebildeten Lehrer
nicht immer für nötig halten.

Die Männer sind nicht
vom Unterricht auszu-
schließen. Sie sind da
am Platz, wo es sich rein
oder vorzugsweise um
Verstandeskultur handelt.
mit ist nicht gesagt, daß wir auf die Mitwirkung der
Lehrer an der Mädchenschule verzichten wollen; wir ver-
wahren uns ausdrücklich gegen eine Unterstellung dieser
Art; wir wollen den Männern sogar noch mehr Anteil am
wissenschaftlichen Unterricht der Mädchen einräumen als sie
uns. Der Erziehung wegen wollten wir einen Anteil
am Unterricht haben; daraus folgt, daß in den Fächern,
in welchen die erziehliche Wirkung nicht an eine besondere
Eigenart der Behandlung gebunden ist, der Unter-
richt eben so wohl von einem Manne erteilt werden kann.
Ja, wir sind der Meinung, daß da, wo es sich rein oder
vorzugsweise um Verstandeskultur handelt, in Gram-
matik, Rechnen, Naturwissenschaften, Geographie der Mann
besser am Platz ist, als die Frau, und wir würden um so
weniger anstehen, diese Fächer in seine Hand zu legen, als
von den vorhin berührten Übelständen des Männerunter-
richts hier kaum je die Rede ist1). Um so mehr treten sie
hervor bei den ethischen Fächern, und diese, besonders die
Religion und das Deutsche — auch die Geschichte,
wenn sich irgend eine geeignete Persönlichkeit findet — die
Die ethischen Fächer,
in denen erzogen wer-
den soll, gehören in
Frauenhand, ebenso die
Schulleitung.
Fächer, in denen erzogen, und zwar nicht nur im Weibe
der Mensch, sondern auch das Weibliche erzogen wer-
den soll, von denen aus jeder Verirrung des Gefühls und
Gedankens erfolgreich entgegengewirkt werden kann, gehören
eben darum nur in die Hand der Frau. Vor allen Dingen
aber gebührt ihr die Klassen- und Schulleitung; es ge-
bührt ihr — und nur die Gewohnheit läßt uns die Ano-

1) Als neutrales Gebiet erscheinen uns die fremden Sprachen. Der
Vorzug, den die größere Vertiefung des Studiums dem Manne verleiht,
kommt in der Mädchenschule wenig zur Geltung; ja, diese größere Ver-
tiefung führt sehr leicht zu einer Überspannung der Forderungen. Dieser
Vorzug wird jedenfalls reichlich aufgewogen durch den Umstand, daß die
meisten der unterrichtenden Frauen es sich haben angelegen sein lassen,
die fremde Sprache in lebendigem Umgang, häufig durch Aufenthalt in
dem betr. Lande selbst zu pflegen, was unsere akademisch gebildeten Lehrer
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[34/0035] mit ist nicht gesagt, daß wir auf die Mitwirkung der Lehrer an der Mädchenschule verzichten wollen; wir ver- wahren uns ausdrücklich gegen eine Unterstellung dieser Art; wir wollen den Männern sogar noch mehr Anteil am wissenschaftlichen Unterricht der Mädchen einräumen als sie uns. Der Erziehung wegen wollten wir einen Anteil am Unterricht haben; daraus folgt, daß in den Fächern, in welchen die erziehliche Wirkung nicht an eine besondere Eigenart der Behandlung gebunden ist, der Unter- richt eben so wohl von einem Manne erteilt werden kann. Ja, wir sind der Meinung, daß da, wo es sich rein oder vorzugsweise um Verstandeskultur handelt, in Gram- matik, Rechnen, Naturwissenschaften, Geographie der Mann besser am Platz ist, als die Frau, und wir würden um so weniger anstehen, diese Fächer in seine Hand zu legen, als von den vorhin berührten Übelständen des Männerunter- richts hier kaum je die Rede ist 1). Um so mehr treten sie hervor bei den ethischen Fächern, und diese, besonders die Religion und das Deutsche — auch die Geschichte, wenn sich irgend eine geeignete Persönlichkeit findet — die Fächer, in denen erzogen, und zwar nicht nur im Weibe der Mensch, sondern auch das Weibliche erzogen wer- den soll, von denen aus jeder Verirrung des Gefühls und Gedankens erfolgreich entgegengewirkt werden kann, gehören eben darum nur in die Hand der Frau. Vor allen Dingen aber gebührt ihr die Klassen- und Schulleitung; es ge- bührt ihr — und nur die Gewohnheit läßt uns die Ano- Die Männer sind nicht vom Unterricht auszu- schließen. Sie sind da am Platz, wo es sich rein oder vorzugsweise um Verstandeskultur handelt. Die ethischen Fächer, in denen erzogen wer- den soll, gehören in Frauenhand, ebenso die Schulleitung. 1) Als neutrales Gebiet erscheinen uns die fremden Sprachen. Der Vorzug, den die größere Vertiefung des Studiums dem Manne verleiht, kommt in der Mädchenschule wenig zur Geltung; ja, diese größere Ver- tiefung führt sehr leicht zu einer Überspannung der Forderungen. Dieser Vorzug wird jedenfalls reichlich aufgewogen durch den Umstand, daß die meisten der unterrichtenden Frauen es sich haben angelegen sein lassen, die fremde Sprache in lebendigem Umgang, häufig durch Aufenthalt in dem betr. Lande selbst zu pflegen, was unsere akademisch gebildeten Lehrer nicht immer für nötig halten.

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/35>, abgerufen am 25.04.2024.