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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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verständlich der Frau aus ihrer weiblichen Denk- und
Empfindungsweise heraus viel leichter, das Wort zu finden,
das den Mädchen den jedesmaligen Gedankenkreis erschließt,
der ihnen vorgeführt werden soll; es ist endlich nur der
Frau möglich, Resultate für das tägliche Leben, für den
nur ihr genau bekannten Pflichtenkreis ihrer Schülerinnen,
für das wiederum nur ihr völlig bekannte innere Leben der-
selben aus den Lehrstoffen zu gewinnen, besonders aus den
Religions- und den deutschen Stunden, die der Mann sehr
oft "interessant", aber, wie schon oben erwähnt, bei seiner
sehr mangelhaften Kenntnis weiblichen Lebens, weiblicher
Schwächen und weiblicher Stärke sehr selten fruchtbar zu
machen versteht. Endlich wird wohl niemand leugnen, daßDie Frau vermag weit
eher als der Mann den
Mädchen warme Religio-
sität mit in das Leben zu
geben.

die Frau weit eher als der Mann imstande ist, den Mäd-
chen die warme religiöse Empfindung mit ins Leben zu
geben, ohne die die echte Erzieherin nicht denkbar ist. Und
davon hängt mehr ab, als viele denken. "Wenn die
Frauenbildung zunimmt an Schlichtheit und Wahrhaftig-
keit, an Tiefe und Frömmigkeit, dann wird auch unser
Volk wieder innerlich erstarken und gesunden und das
junge Geschlecht deutsches Wesen und Gemütsleben, deutsche
Innigkeit und Sinnigkeit liebgewinnen und zu religiöser
Vertiefung und frommem Glaubensleben zurückgeführt
werden1)."

Wir fassen zusammen: "Wie das Menschengeschlecht
die Aufgabe seiner Bildung aus der Hand der Natur in
seine Hand nehmen muß, wenn es seine Bestimmung er-
reichen soll, so muß das weibliche Geschlecht die Aufgabe
seiner Bildung aus der Hand der Männer in seine
eigene nehmen, um seine Bestimmung zu erreichen2)." Da-

art der weiblichen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten nicht nur durch
theoretische Studien, sondern durch langjährige Praxis vertraut geworden
sind."
1) A. Dammann, a. a. D. S. 12.
2) Rosette Niederer, Blicke in das Wesen der weiblichen Erziehung.
Berlin, Rücker, 1828. S. 11.

verständlich der Frau aus ihrer weiblichen Denk- und
Empfindungsweise heraus viel leichter, das Wort zu finden,
das den Mädchen den jedesmaligen Gedankenkreis erschließt,
der ihnen vorgeführt werden soll; es ist endlich nur der
Frau möglich, Resultate für das tägliche Leben, für den
nur ihr genau bekannten Pflichtenkreis ihrer Schülerinnen,
für das wiederum nur ihr völlig bekannte innere Leben der-
selben aus den Lehrstoffen zu gewinnen, besonders aus den
Religions- und den deutschen Stunden, die der Mann sehr
oft „interessant“, aber, wie schon oben erwähnt, bei seiner
sehr mangelhaften Kenntnis weiblichen Lebens, weiblicher
Schwächen und weiblicher Stärke sehr selten fruchtbar zu
machen versteht. Endlich wird wohl niemand leugnen, daßDie Frau vermag weit
eher als der Mann den
Mädchen warme Religio-
sität mit in das Leben zu
geben.

die Frau weit eher als der Mann imstande ist, den Mäd-
chen die warme religiöse Empfindung mit ins Leben zu
geben, ohne die die echte Erzieherin nicht denkbar ist. Und
davon hängt mehr ab, als viele denken. „Wenn die
Frauenbildung zunimmt an Schlichtheit und Wahrhaftig-
keit, an Tiefe und Frömmigkeit, dann wird auch unser
Volk wieder innerlich erstarken und gesunden und das
junge Geschlecht deutsches Wesen und Gemütsleben, deutsche
Innigkeit und Sinnigkeit liebgewinnen und zu religiöser
Vertiefung und frommem Glaubensleben zurückgeführt
werden1).“

Wir fassen zusammen: „Wie das Menschengeschlecht
die Aufgabe seiner Bildung aus der Hand der Natur in
seine Hand nehmen muß, wenn es seine Bestimmung er-
reichen soll, so muß das weibliche Geschlecht die Aufgabe
seiner Bildung aus der Hand der Männer in seine
eigene nehmen, um seine Bestimmung zu erreichen2).“ Da-

art der weiblichen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten nicht nur durch
theoretische Studien, sondern durch langjährige Praxis vertraut geworden
sind.“
1) A. Dammann, a. a. D. S. 12.
2) Rosette Niederer, Blicke in das Wesen der weiblichen Erziehung.
Berlin, Rücker, 1828. S. 11.
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[33/0034] verständlich der Frau aus ihrer weiblichen Denk- und Empfindungsweise heraus viel leichter, das Wort zu finden, das den Mädchen den jedesmaligen Gedankenkreis erschließt, der ihnen vorgeführt werden soll; es ist endlich nur der Frau möglich, Resultate für das tägliche Leben, für den nur ihr genau bekannten Pflichtenkreis ihrer Schülerinnen, für das wiederum nur ihr völlig bekannte innere Leben der- selben aus den Lehrstoffen zu gewinnen, besonders aus den Religions- und den deutschen Stunden, die der Mann sehr oft „interessant“, aber, wie schon oben erwähnt, bei seiner sehr mangelhaften Kenntnis weiblichen Lebens, weiblicher Schwächen und weiblicher Stärke sehr selten fruchtbar zu machen versteht. Endlich wird wohl niemand leugnen, daß die Frau weit eher als der Mann imstande ist, den Mäd- chen die warme religiöse Empfindung mit ins Leben zu geben, ohne die die echte Erzieherin nicht denkbar ist. Und davon hängt mehr ab, als viele denken. „Wenn die Frauenbildung zunimmt an Schlichtheit und Wahrhaftig- keit, an Tiefe und Frömmigkeit, dann wird auch unser Volk wieder innerlich erstarken und gesunden und das junge Geschlecht deutsches Wesen und Gemütsleben, deutsche Innigkeit und Sinnigkeit liebgewinnen und zu religiöser Vertiefung und frommem Glaubensleben zurückgeführt werden 1).“ Die Frau vermag weit eher als der Mann den Mädchen warme Religio- sität mit in das Leben zu geben. Wir fassen zusammen: „Wie das Menschengeschlecht die Aufgabe seiner Bildung aus der Hand der Natur in seine Hand nehmen muß, wenn es seine Bestimmung er- reichen soll, so muß das weibliche Geschlecht die Aufgabe seiner Bildung aus der Hand der Männer in seine eigene nehmen, um seine Bestimmung zu erreichen 2).“ Da- 1) 1) A. Dammann, a. a. D. S. 12. 2) Rosette Niederer, Blicke in das Wesen der weiblichen Erziehung. Berlin, Rücker, 1828. S. 11. 1) art der weiblichen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten nicht nur durch theoretische Studien, sondern durch langjährige Praxis vertraut geworden sind.“

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/34>, abgerufen am 19.04.2024.