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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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malie übersehen, die in den herrschenden Zuständen liegt,
in der Leitung ihres eigenen Geschlechts die erste
und nicht die vierte Stelle, die ihr sowohl die Weimarer
Beschlüsse als die Augustkonferenz zuweisen1); diese erste
Stelle wird ihr, wenn auch in noch so ferner Zukunft,
einmal werden, und muß ihr werden, wenn tüchtige Frauen
von feiner Empfindung und weiblicher Sitte, von thatbereiter
Menschenliebe erzogen werden sollen. Wir haben für
unsere Ansicht eine Autorität aufzuführen, der kein Mann
die Anerkennung versagen wird. Es ist kein Geringerer
als Robert von Mohl, der in seinem Aufsatz über dieAnsichten Robert von
Mohls über Mädchen-
bildung. Er will, da es
sich bei den Mädchen in
erster Linie um Erziehung
handelt, die oberste Lei-
tung und ganze innere
Führung von Mädchen-
schulen Frauen gegeben
wissen.

Erziehung des weiblichen Geschlechts auf das Entschiedenste
betont, daß die oberste Leitung sowohl als die ganze
innere Führung
von Mädchenschulen einer Vorsteherin
übertragen werden müsse2), obwohl er weiblichen Unter-
richt im ganzen nicht hoch schätzt und sich das Lehrer-
kollegium zum großen Teil aus Männern bestehend denkt,
und zwar leiten ihn dabei folgende Gedanken: "Es kann
ja immerhin sein, daß bei der Verwendung von Frauen
zu Lehrerinnen zwar der eigentliche Unterricht schwächer
ist, allein mit ihrer Verwendung zur Erziehung von Mäd-
chen so große anderweitige Vorteile verbunden sind, daß
eine Berücksichtigung dieser Umstände den Ausschlag zu
geben hat. Irren wir uns nun nicht, so ist dem wirklich
so. Die Erziehung im engeren Sinne des Wortes, der

1) These VI der Denkschrift sagt: Das Lehrerkollegium besteht aus
einem wissenschaftlich gebildeten Direktor, wissenschaftlich gebildeten Lehrern,
aus erprobten Elementarlehrern und geprüften Lehrerinnen. Ebenso wer-
den in den Protokollen die Lehrerinnen selbst den seminaristisch gebildeten
Lehrern nachgestellt. -- Dem männlichen Einfluß gebührt freilich -- aber
erst nach dem weiblichen -- sein Recht; wir halten ihn, und nehmen
nochmals Gelegenheit, es ausdrücklich zu erklären, an rechter Stelle
für durchaus notwendig; da aber diese Notwendigkeit von keiner Seite
bestritten wird, so haben wir nicht geglaubt, sie in dieser Schrift ein-
gehend begründen zu müssen.
2) Politik. Monographien von Robert von Mohl. Tübingen
1869. 2 Bd. S. 289

malie übersehen, die in den herrschenden Zuständen liegt,
in der Leitung ihres eigenen Geschlechts die erste
und nicht die vierte Stelle, die ihr sowohl die Weimarer
Beschlüsse als die Augustkonferenz zuweisen1); diese erste
Stelle wird ihr, wenn auch in noch so ferner Zukunft,
einmal werden, und muß ihr werden, wenn tüchtige Frauen
von feiner Empfindung und weiblicher Sitte, von thatbereiter
Menschenliebe erzogen werden sollen. Wir haben für
unsere Ansicht eine Autorität aufzuführen, der kein Mann
die Anerkennung versagen wird. Es ist kein Geringerer
als Robert von Mohl, der in seinem Aufsatz über dieAnsichten Robert von
Mohls über Mädchen-
bildung. Er will, da es
sich bei den Mädchen in
erster Linie um Erziehung
handelt, die oberste Lei-
tung und ganze innere
Führung von Mädchen-
schulen Frauen gegeben
wissen.

Erziehung des weiblichen Geschlechts auf das Entschiedenste
betont, daß die oberste Leitung sowohl als die ganze
innere Führung
von Mädchenschulen einer Vorsteherin
übertragen werden müsse2), obwohl er weiblichen Unter-
richt im ganzen nicht hoch schätzt und sich das Lehrer-
kollegium zum großen Teil aus Männern bestehend denkt,
und zwar leiten ihn dabei folgende Gedanken: „Es kann
ja immerhin sein, daß bei der Verwendung von Frauen
zu Lehrerinnen zwar der eigentliche Unterricht schwächer
ist, allein mit ihrer Verwendung zur Erziehung von Mäd-
chen so große anderweitige Vorteile verbunden sind, daß
eine Berücksichtigung dieser Umstände den Ausschlag zu
geben hat. Irren wir uns nun nicht, so ist dem wirklich
so. Die Erziehung im engeren Sinne des Wortes, der

1) These VI der Denkschrift sagt: Das Lehrerkollegium besteht aus
einem wissenschaftlich gebildeten Direktor, wissenschaftlich gebildeten Lehrern,
aus erprobten Elementarlehrern und geprüften Lehrerinnen. Ebenso wer-
den in den Protokollen die Lehrerinnen selbst den seminaristisch gebildeten
Lehrern nachgestellt. — Dem männlichen Einfluß gebührt freilich — aber
erst nach dem weiblichen — sein Recht; wir halten ihn, und nehmen
nochmals Gelegenheit, es ausdrücklich zu erklären, an rechter Stelle
für durchaus notwendig; da aber diese Notwendigkeit von keiner Seite
bestritten wird, so haben wir nicht geglaubt, sie in dieser Schrift ein-
gehend begründen zu müssen.
2) Politik. Monographien von Robert von Mohl. Tübingen
1869. 2 Bd. S. 289
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[35/0036] malie übersehen, die in den herrschenden Zuständen liegt, in der Leitung ihres eigenen Geschlechts die erste und nicht die vierte Stelle, die ihr sowohl die Weimarer Beschlüsse als die Augustkonferenz zuweisen 1); diese erste Stelle wird ihr, wenn auch in noch so ferner Zukunft, einmal werden, und muß ihr werden, wenn tüchtige Frauen von feiner Empfindung und weiblicher Sitte, von thatbereiter Menschenliebe erzogen werden sollen. Wir haben für unsere Ansicht eine Autorität aufzuführen, der kein Mann die Anerkennung versagen wird. Es ist kein Geringerer als Robert von Mohl, der in seinem Aufsatz über die Erziehung des weiblichen Geschlechts auf das Entschiedenste betont, daß die oberste Leitung sowohl als die ganze innere Führung von Mädchenschulen einer Vorsteherin übertragen werden müsse 2), obwohl er weiblichen Unter- richt im ganzen nicht hoch schätzt und sich das Lehrer- kollegium zum großen Teil aus Männern bestehend denkt, und zwar leiten ihn dabei folgende Gedanken: „Es kann ja immerhin sein, daß bei der Verwendung von Frauen zu Lehrerinnen zwar der eigentliche Unterricht schwächer ist, allein mit ihrer Verwendung zur Erziehung von Mäd- chen so große anderweitige Vorteile verbunden sind, daß eine Berücksichtigung dieser Umstände den Ausschlag zu geben hat. Irren wir uns nun nicht, so ist dem wirklich so. Die Erziehung im engeren Sinne des Wortes, der Ansichten Robert von Mohls über Mädchen- bildung. Er will, da es sich bei den Mädchen in erster Linie um Erziehung handelt, die oberste Lei- tung und ganze innere Führung von Mädchen- schulen Frauen gegeben wissen. 1) These VI der Denkschrift sagt: Das Lehrerkollegium besteht aus einem wissenschaftlich gebildeten Direktor, wissenschaftlich gebildeten Lehrern, aus erprobten Elementarlehrern und geprüften Lehrerinnen. Ebenso wer- den in den Protokollen die Lehrerinnen selbst den seminaristisch gebildeten Lehrern nachgestellt. — Dem männlichen Einfluß gebührt freilich — aber erst nach dem weiblichen — sein Recht; wir halten ihn, und nehmen nochmals Gelegenheit, es ausdrücklich zu erklären, an rechter Stelle für durchaus notwendig; da aber diese Notwendigkeit von keiner Seite bestritten wird, so haben wir nicht geglaubt, sie in dieser Schrift ein- gehend begründen zu müssen. 2) Politik. Monographien von Robert von Mohl. Tübingen 1869. 2 Bd. S. 289

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/36>, abgerufen am 24.04.2024.