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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 3. v. 19. 20.
[Spaltenumbruch] unser Hertz (bey der Beunruhigung) vor ihm
stillen.

2. Der Ordnung nach haben wir alhier
zwey Stücke zu mercken: erstlich den Stand der
Anfechtung;
und hernach wie man darinnen
das beunruhigte Hertz beruhigen könne.
Bey dem ersten Stücke ist folgendes zu mer-
cken:

a. Das Hertz ist alhier das Gewissen des Men-
schen, und zwar eines Gläubigen, wie es im
Stande der Anfechtung nach Verstand und
Willen betrachtet wird: Nach dem Willen
in einer Glaubens-Schwachheit, oder Er-
mangelung der rechten Freudigkeit, welche aus
der befundenen Armuth des Geistes entstehet:
Nach dem Verstande in einem unrichtigen
Urtheil von dem Stande der Gnaden, als ste-
he man nicht darinnen, man sey entweder noch
nicht dazu gekommen, oder man sey daraus
wieder verfallen.
b. Daß die Verdammniß des Hertzens ist das
schon gedachte falsche Urtheil, welches ange-
fochtene von ihrem innerlichen Zustande nach
ihrem irrigen Gewissen also empfinden, daß
sie bey ihrer Selbst-Prüfung in ein Mißtrau-
en gegen GOtt gerathen, sich für verlorne und
verworfene halten, und sich damit selbst äng-
stigen. Um welcher Anfechtung willen in der
heiligen Schrift die verneinende Redens-Ar-
ten nicht verloren werden, nicht zuschan-
den werden,
u. s. w. vorkommen Joh. 3, 16.
1 Joh. 2, 28.

3. Bey dem andern Stücke, wie man das
beunruhigte Hertz vor GOtt stillen, oder
beruhigen solle, ist folgendes zu erwegen:

a. Die zuerkennende, oder mit einer Freudig-
keit zu wissen nöthige Sache ist, ob man aus
der Wahrheit sey, oder nicht?
das ist,
ob man aus GOtt und seinem Evangelio, wel-
ches lauter Kraft-Wahrheit ist, wiedergeboren
sey und im Stande der Gnaden stehe, oder
nicht?
b. Das Kennzeichen davon ist die vorhin be-
schriebene thätige Liebe gegen den Nächsten,
darauf sich der Apostel mit den Worten: kai
en touto, und daran, beziehet. Die Wahr-
nehmung dieses Kennzeichens heißt nun ein
erkennen, nemlich ein solches, daran man eine
gewisse Uberzeugung bekommet.
c. Diese Uberzeugung bringet nun eine solche
Beruhigung mit sich, dadurch das unruhige
Gewissen sich zur Stille giebet, und den Frie-
den GOttes in sich empfindet. Zwar hat
der Mensch die Ursache, und den Grund des
Friedens mit GOtt allein in Christo durch den
Glauben, und kan man in seinen Wercken, wenn
sie auch gleich noch so gut sind, ihrer so grossen
Unvollkommenheit wegen keine Ruhe finden:
allein der Apostel handelt alhier nicht von der
Ursache und von dem eigentlichen Grunde der
Seelen-Ruhe, sondern nur von der Ord-
nung,
in welcher wir sie empfinden können.
Und diese setzet er in der Erneuerung, in welcher
sich das Geschäfte der Liebe recht thätig erwei-
set. Denn gleichwie man an den Früchten
[Spaltenumbruch] den guten Baum erkennet; also erkennet man
auch aus der Ubung der Liebe den Glauben und
vermöge des Glaubens die Wiedergeburt aus
GOtt, und seine Gemeinschaft mit GOTT.
Von dem Verbo poitho in der Bedeutung des
Stillens sehe man Matth. 28, 14. Das Fu-
turum
peisomen hat der sel. Lutherus nicht
uneben durch können stillen übersetzet. Mit
dem Zusatze der Worte vor ihm wird ange-
zeiget, wie man mit seinem Gewissen es vor
dem allwissenden und allsehenden GOTT zu
thun habe.
d. Wie man in der Ordnung der Erneuerung,
oder der thätigen Liebe, zur Beruhigung des
Gewissens komme, das wird mit diesen Wor-
ten angezeiget: daß GOtt grösser ist, denn
unser Hertz, und erkennet alle Dinge.

Welche Worte etwas dunckel lauten, und da-
her folgender gestalt zu erläutern sind:
a. Die Particula, oti, stehet vor den Worten
meizon, u. s. w. überflüßig, in geschehener Wi-
derholung aus dem Anfange des Verses;
und gehet demnach die Construction also:
daß, so uns unser Hertz verdammet,
GOTT grösser ist, denn unser Hertz:

und also kan das letztere daß im Teutschen
füglich ausgelassen werden.
b. Jn den Worten: daß GOtt grösser ist,
denn unser Hertz und erkennet alle Din-
ge,
lieget ein Gegensatz des Urtheils GOttes
gegen des angefochtenen sein eignes Urtheil,
und heißt demnach alhier grösser seyn, denn
des Menschen Hertz,
soviel, als ein richti-
ger und besser Urtheil fällen, nemlich das Ur-
theil der Absolution, da das Hertze sich
selbst das Urtheil der Condemnation
spricht. Und weil denn zwey Gerichte zu-
sammen kommen, das Unter-Gericht des
Menschen, und das Ober-Gericht GOttes,
und nicht jenes, sondern dieses Gerichts Aus-
spruch gelten muß; so nennet der Apostel da-
her GOtt grösser, denn unser Hertz.
g. Und wenn er dazu setzet: und erkennet
alle Dinge,
so verstehet er diese Worte ei-
gentlich von derjenigen Erkenntniß GOttes,
da er den Zustand eines angefochtenen viel
besser und richtiger einsiehet, als jener selbst,
ihn auch daher absolviret, und ihn für sein
Kind erkennet, auch alles das, was mit einem
solchen Menschen vorgehet, nach dem Evan-
gelio in Christo beurtheilet, und wohl weiß,
was er selbst in ihm gewircket, und daß er sein
Werck in ihm habe.
d. Wir haben hiervon einen feinen Parallel-
Ort Joh. 21, 15. u. f. da Petrus, als er von
Christo gefraget wurde, ob er ihn liebe, es
nicht sowol auf seine eigene, als auf Christi
Erkenntniß ankommen ließ, wenn er sagte:
Ja HErr, du weissest alle Dinge, du
weissest, daß ich dich lieb habe.
e. Wenn man nun aber fraget, woher denn ein
angefochtener zur Stillung seines Hertzens
die Versicherung von dem richtigern und gü-
tigern Urtheil GOttes hernehme? so weiset
sie der Apostel an in dem Kennzeichen der
thä-

Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 19. 20.
[Spaltenumbruch] unſer Hertz (bey der Beunruhigung) vor ihm
ſtillen.

2. Der Ordnung nach haben wir alhier
zwey Stuͤcke zu mercken: erſtlich den Stand der
Anfechtung;
und hernach wie man darinnen
das beunruhigte Hertz beruhigen koͤnne.
Bey dem erſten Stuͤcke iſt folgendes zu mer-
cken:

a. Das Hertz iſt alhier das Gewiſſen des Men-
ſchen, und zwar eines Glaͤubigen, wie es im
Stande der Anfechtung nach Verſtand und
Willen betrachtet wird: Nach dem Willen
in einer Glaubens-Schwachheit, oder Er-
mangelung der rechten Freudigkeit, welche aus
der befundenen Armuth des Geiſtes entſtehet:
Nach dem Verſtande in einem unrichtigen
Urtheil von dem Stande der Gnaden, als ſte-
he man nicht darinnen, man ſey entweder noch
nicht dazu gekommen, oder man ſey daraus
wieder verfallen.
b. Daß die Verdammniß des Hertzens iſt das
ſchon gedachte falſche Urtheil, welches ange-
fochtene von ihrem innerlichen Zuſtande nach
ihrem irrigen Gewiſſen alſo empfinden, daß
ſie bey ihrer Selbſt-Pruͤfung in ein Mißtrau-
en gegen GOtt gerathen, ſich fuͤr verlorne und
verworfene halten, und ſich damit ſelbſt aͤng-
ſtigen. Um welcher Anfechtung willen in der
heiligen Schrift die verneinende Redens-Ar-
ten nicht verloren werden, nicht zuſchan-
den werden,
u. ſ. w. vorkommen Joh. 3, 16.
1 Joh. 2, 28.

3. Bey dem andern Stuͤcke, wie man das
beunruhigte Hertz vor GOtt ſtillen, oder
beruhigen ſolle, iſt folgendes zu erwegen:

a. Die zuerkennende, oder mit einer Freudig-
keit zu wiſſen noͤthige Sache iſt, ob man aus
der Wahrheit ſey, oder nicht?
das iſt,
ob man aus GOtt und ſeinem Evangelio, wel-
ches lauter Kraft-Wahrheit iſt, wiedergeboren
ſey und im Stande der Gnaden ſtehe, oder
nicht?
b. Das Kennzeichen davon iſt die vorhin be-
ſchriebene thaͤtige Liebe gegen den Naͤchſten,
darauf ſich der Apoſtel mit den Worten: καὶ
ἐν τοῦτῳ, und daran, beziehet. Die Wahr-
nehmung dieſes Kennzeichens heißt nun ein
erkennen, nemlich ein ſolches, daran man eine
gewiſſe Uberzeugung bekommet.
c. Dieſe Uberzeugung bringet nun eine ſolche
Beruhigung mit ſich, dadurch das unruhige
Gewiſſen ſich zur Stille giebet, und den Frie-
den GOttes in ſich empfindet. Zwar hat
der Menſch die Urſache, und den Grund des
Friedens mit GOtt allein in Chriſto durch den
Glauben, und kan man in ſeinen Wercken, wenn
ſie auch gleich noch ſo gut ſind, ihrer ſo groſſen
Unvollkommenheit wegen keine Ruhe finden:
allein der Apoſtel handelt alhier nicht von der
Urſache und von dem eigentlichen Grunde der
Seelen-Ruhe, ſondern nur von der Ord-
nung,
in welcher wir ſie empfinden koͤnnen.
Und dieſe ſetzet er in der Erneuerung, in welcher
ſich das Geſchaͤfte der Liebe recht thaͤtig erwei-
ſet. Denn gleichwie man an den Fruͤchten
[Spaltenumbruch] den guten Baum erkennet; alſo erkennet man
auch aus der Ubung der Liebe den Glauben und
vermoͤge des Glaubens die Wiedergeburt aus
GOtt, und ſeine Gemeinſchaft mit GOTT.
Von dem Verbo ποίϑω in der Bedeutung des
Stillens ſehe man Matth. 28, 14. Das Fu-
turum
πείσομεν hat der ſel. Lutherus nicht
uneben durch koͤnnen ſtillen uͤberſetzet. Mit
dem Zuſatze der Worte vor ihm wird ange-
zeiget, wie man mit ſeinem Gewiſſen es vor
dem allwiſſenden und allſehenden GOTT zu
thun habe.
d. Wie man in der Ordnung der Erneuerung,
oder der thaͤtigen Liebe, zur Beruhigung des
Gewiſſens komme, das wird mit dieſen Wor-
ten angezeiget: daß GOtt groͤſſer iſt, denn
unſer Hertz, und erkennet alle Dinge.

Welche Worte etwas dunckel lauten, und da-
her folgender geſtalt zu erlaͤutern ſind:
α. Die Particula, ὅτι, ſtehet vor den Worten
μείζων, u. ſ. w. uͤberfluͤßig, in geſchehener Wi-
derholung aus dem Anfange des Verſes;
und gehet demnach die Conſtruction alſo:
daß, ſo uns unſer Hertz verdammet,
GOTT groͤſſer iſt, denn unſer Hertz:

und alſo kan das letztere daß im Teutſchen
fuͤglich ausgelaſſen werden.
β. Jn den Worten: daß GOtt groͤſſer iſt,
denn unſer Hertz und erkennet alle Din-
ge,
lieget ein Gegenſatz des Urtheils GOttes
gegen des angefochtenen ſein eignes Urtheil,
und heißt demnach alhier groͤſſer ſeyn, denn
des Menſchen Hertz,
ſoviel, als ein richti-
ger und beſſer Urtheil faͤllen, nemlich das Ur-
theil der Abſolution, da das Hertze ſich
ſelbſt das Urtheil der Condemnation
ſpricht. Und weil denn zwey Gerichte zu-
ſammen kommen, das Unter-Gericht des
Menſchen, und das Ober-Gericht GOttes,
und nicht jenes, ſondern dieſes Gerichts Aus-
ſpruch gelten muß; ſo nennet der Apoſtel da-
her GOtt groͤſſer, denn unſer Hertz.
γ. Und wenn er dazu ſetzet: und erkennet
alle Dinge,
ſo verſtehet er dieſe Worte ei-
gentlich von derjenigen Erkenntniß GOttes,
da er den Zuſtand eines angefochtenen viel
beſſer und richtiger einſiehet, als jener ſelbſt,
ihn auch daher abſolviret, und ihn fuͤr ſein
Kind erkennet, auch alles das, was mit einem
ſolchen Menſchen vorgehet, nach dem Evan-
gelio in Chriſto beurtheilet, und wohl weiß,
was er ſelbſt in ihm gewircket, und daß er ſein
Werck in ihm habe.
δ. Wir haben hiervon einen feinen Parallel-
Ort Joh. 21, 15. u. f. da Petrus, als er von
Chriſto gefraget wurde, ob er ihn liebe, es
nicht ſowol auf ſeine eigene, als auf Chriſti
Erkenntniß ankommen ließ, wenn er ſagte:
Ja HErr, du weiſſeſt alle Dinge, du
weiſſeſt, daß ich dich lieb habe.
ε. Wenn man nun aber fraget, woher denn ein
angefochtener zur Stillung ſeines Hertzens
die Verſicherung von dem richtigern und guͤ-
tigern Urtheil GOttes hernehme? ſo weiſet
ſie der Apoſtel an in dem Kennzeichen der
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[702/0702] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 19. 20. unſer Hertz (bey der Beunruhigung) vor ihm ſtillen. 2. Der Ordnung nach haben wir alhier zwey Stuͤcke zu mercken: erſtlich den Stand der Anfechtung; und hernach wie man darinnen das beunruhigte Hertz beruhigen koͤnne. Bey dem erſten Stuͤcke iſt folgendes zu mer- cken: a. Das Hertz iſt alhier das Gewiſſen des Men- ſchen, und zwar eines Glaͤubigen, wie es im Stande der Anfechtung nach Verſtand und Willen betrachtet wird: Nach dem Willen in einer Glaubens-Schwachheit, oder Er- mangelung der rechten Freudigkeit, welche aus der befundenen Armuth des Geiſtes entſtehet: Nach dem Verſtande in einem unrichtigen Urtheil von dem Stande der Gnaden, als ſte- he man nicht darinnen, man ſey entweder noch nicht dazu gekommen, oder man ſey daraus wieder verfallen. b. Daß die Verdammniß des Hertzens iſt das ſchon gedachte falſche Urtheil, welches ange- fochtene von ihrem innerlichen Zuſtande nach ihrem irrigen Gewiſſen alſo empfinden, daß ſie bey ihrer Selbſt-Pruͤfung in ein Mißtrau- en gegen GOtt gerathen, ſich fuͤr verlorne und verworfene halten, und ſich damit ſelbſt aͤng- ſtigen. Um welcher Anfechtung willen in der heiligen Schrift die verneinende Redens-Ar- ten nicht verloren werden, nicht zuſchan- den werden, u. ſ. w. vorkommen Joh. 3, 16. 1 Joh. 2, 28. 3. Bey dem andern Stuͤcke, wie man das beunruhigte Hertz vor GOtt ſtillen, oder beruhigen ſolle, iſt folgendes zu erwegen: a. Die zuerkennende, oder mit einer Freudig- keit zu wiſſen noͤthige Sache iſt, ob man aus der Wahrheit ſey, oder nicht? das iſt, ob man aus GOtt und ſeinem Evangelio, wel- ches lauter Kraft-Wahrheit iſt, wiedergeboren ſey und im Stande der Gnaden ſtehe, oder nicht? b. Das Kennzeichen davon iſt die vorhin be- ſchriebene thaͤtige Liebe gegen den Naͤchſten, darauf ſich der Apoſtel mit den Worten: καὶ ἐν τοῦτῳ, und daran, beziehet. Die Wahr- nehmung dieſes Kennzeichens heißt nun ein erkennen, nemlich ein ſolches, daran man eine gewiſſe Uberzeugung bekommet. c. Dieſe Uberzeugung bringet nun eine ſolche Beruhigung mit ſich, dadurch das unruhige Gewiſſen ſich zur Stille giebet, und den Frie- den GOttes in ſich empfindet. Zwar hat der Menſch die Urſache, und den Grund des Friedens mit GOtt allein in Chriſto durch den Glauben, und kan man in ſeinen Wercken, wenn ſie auch gleich noch ſo gut ſind, ihrer ſo groſſen Unvollkommenheit wegen keine Ruhe finden: allein der Apoſtel handelt alhier nicht von der Urſache und von dem eigentlichen Grunde der Seelen-Ruhe, ſondern nur von der Ord- nung, in welcher wir ſie empfinden koͤnnen. Und dieſe ſetzet er in der Erneuerung, in welcher ſich das Geſchaͤfte der Liebe recht thaͤtig erwei- ſet. Denn gleichwie man an den Fruͤchten den guten Baum erkennet; alſo erkennet man auch aus der Ubung der Liebe den Glauben und vermoͤge des Glaubens die Wiedergeburt aus GOtt, und ſeine Gemeinſchaft mit GOTT. Von dem Verbo ποίϑω in der Bedeutung des Stillens ſehe man Matth. 28, 14. Das Fu- turum πείσομεν hat der ſel. Lutherus nicht uneben durch koͤnnen ſtillen uͤberſetzet. Mit dem Zuſatze der Worte vor ihm wird ange- zeiget, wie man mit ſeinem Gewiſſen es vor dem allwiſſenden und allſehenden GOTT zu thun habe. d. Wie man in der Ordnung der Erneuerung, oder der thaͤtigen Liebe, zur Beruhigung des Gewiſſens komme, das wird mit dieſen Wor- ten angezeiget: daß GOtt groͤſſer iſt, denn unſer Hertz, und erkennet alle Dinge. Welche Worte etwas dunckel lauten, und da- her folgender geſtalt zu erlaͤutern ſind: α. Die Particula, ὅτι, ſtehet vor den Worten μείζων, u. ſ. w. uͤberfluͤßig, in geſchehener Wi- derholung aus dem Anfange des Verſes; und gehet demnach die Conſtruction alſo: daß, ſo uns unſer Hertz verdammet, GOTT groͤſſer iſt, denn unſer Hertz: und alſo kan das letztere daß im Teutſchen fuͤglich ausgelaſſen werden. β. Jn den Worten: daß GOtt groͤſſer iſt, denn unſer Hertz und erkennet alle Din- ge, lieget ein Gegenſatz des Urtheils GOttes gegen des angefochtenen ſein eignes Urtheil, und heißt demnach alhier groͤſſer ſeyn, denn des Menſchen Hertz, ſoviel, als ein richti- ger und beſſer Urtheil faͤllen, nemlich das Ur- theil der Abſolution, da das Hertze ſich ſelbſt das Urtheil der Condemnation ſpricht. Und weil denn zwey Gerichte zu- ſammen kommen, das Unter-Gericht des Menſchen, und das Ober-Gericht GOttes, und nicht jenes, ſondern dieſes Gerichts Aus- ſpruch gelten muß; ſo nennet der Apoſtel da- her GOtt groͤſſer, denn unſer Hertz. γ. Und wenn er dazu ſetzet: und erkennet alle Dinge, ſo verſtehet er dieſe Worte ei- gentlich von derjenigen Erkenntniß GOttes, da er den Zuſtand eines angefochtenen viel beſſer und richtiger einſiehet, als jener ſelbſt, ihn auch daher abſolviret, und ihn fuͤr ſein Kind erkennet, auch alles das, was mit einem ſolchen Menſchen vorgehet, nach dem Evan- gelio in Chriſto beurtheilet, und wohl weiß, was er ſelbſt in ihm gewircket, und daß er ſein Werck in ihm habe. δ. Wir haben hiervon einen feinen Parallel- Ort Joh. 21, 15. u. f. da Petrus, als er von Chriſto gefraget wurde, ob er ihn liebe, es nicht ſowol auf ſeine eigene, als auf Chriſti Erkenntniß ankommen ließ, wenn er ſagte: Ja HErr, du weiſſeſt alle Dinge, du weiſſeſt, daß ich dich lieb habe. ε. Wenn man nun aber fraget, woher denn ein angefochtener zur Stillung ſeines Hertzens die Verſicherung von dem richtigern und guͤ- tigern Urtheil GOttes hernehme? ſo weiſet ſie der Apoſtel an in dem Kennzeichen der thaͤ-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/702>, abgerufen am 01.09.2024.