Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 3. v. 17. 20. des ersten Briefes Johannis. [Spaltenumbruch]
Krancken- auch Wittwen-Häuser. O wiesehr wäre es zu wünschen, daß auch eine hin- längliche Anstalt für die Exulanten könte und möchte gemachet werden; nemlich eine solche, darinnen sie wohl geprüfet, und nach ihrer gesunden Beschaffenheit, unter ange- wiesener Verrichtung und Arbeit ihren hin- länglichen Unterhalt fünden! b. Zur Ermahnung an die Reichen, oder doch in einigem Vermögen sitzenden; als an welche eine schriftliche Erinnerung nur eigent- lich kan gelangen, da die Armen sich mit Bü- chern, darinn die heilige Schrift erkläret wird, nicht versehen können, sondern nur froh sind, wenn sie die heilige Bibel selbst haben. Die Wohlhabenden aber haben zu bedencken. a. Jhre grosse Pflicht und schwere Verant- wortung, welche sie, nach den vorher an- gezeigten Gründen über sich haben. b. Den grossen Fluch, welchen sie bey ihrem Geitze und bey ihrer Lieblosigkeit über sich laden. Denn sie versäumen nicht allein ihr eignes Heyl, da die Liebe GOttes unmüg- lich bey ihnen statt findet, und sie also Kin- der des Zorns sind und bleiben, sondern sie bringen auch einen Unsegen über ihre Kin- der. Denn sie verursachen bey ihnen ent- entweder gleichen, ja noch mehrern Geitz, indem sie das ererbte nicht allein bewahren, sondern auch vermehren wollen, auch wirck- lich vermehren, aber den geistlichen und ewi- gen Unsegen damit über sich häufen: oder aber eine Verschwendung, dabey sie denn in Wohllust und Uppigkeit, theils auch im grossen Stoltze das Heyl ihrer Seelen auf ewig versäumen; und, wenn sie vielweniger gehabt hätten, sich besser gehalten haben würden. Nicht selten kömmt auch auf an- dere Art ein solches Verhängniß GOttes dazu, daß durch Unglücks-Fälle desto eher wieder zerrinnet, was so übel erworben war. Alles aber ist übel erworben, was man im Geitze und mit Lieblosigkeit gegen die Ar- men an sich gebracht hat, wenn man es gleich vor Menschen justissimo titulo, oder mit dem grössesten Ansehen des Rechts besi- tzet. g. Die Nichtigkeit der Ausflüchte, wel- che sie von der Beschaffenheit vieler Armen hernehmen: die schon vorher angeführet sind. d. Das Blendwerck, womit sie sich selbst betriegen, wenn sie zwar geben, aber nicht nach der Wahrheit, und nach Proportion ihres Vermögens, und nach der Noth der Dürftigen. e. Das falsche Principium, welches sie dar- innen haben, daß sie ihre Interessen immer wieder zu Capitalien schlagen, ohne den Dürftigen davon einen freywilligen und reichlichen Zufluß zu gönnen. Von Uber- setzung im Wucher nicht zu sagen; als wel- ches ein offenbares Stück der Ungerechtig- keit ist. 5. Jm übrigen ist bey dieser gantzen Mate- V. 19. 20. Daran erkennen wir, daß wir aus Anmerckungen. 1. Der Apostel hatte vorher vom Anfange unser T t t t 2
Cap. 3. v. 17. 20. des erſten Briefes Johannis. [Spaltenumbruch]
Krancken- auch Wittwen-Haͤuſer. O wieſehr waͤre es zu wuͤnſchen, daß auch eine hin- laͤngliche Anſtalt fuͤr die Exulanten koͤnte und moͤchte gemachet werden; nemlich eine ſolche, darinnen ſie wohl gepruͤfet, und nach ihrer geſunden Beſchaffenheit, unter ange- wieſener Verrichtung und Arbeit ihren hin- laͤnglichen Unterhalt fuͤnden! b. Zur Ermahnung an die Reichen, oder doch in einigem Vermoͤgen ſitzenden; als an welche eine ſchriftliche Erinnerung nur eigent- lich kan gelangen, da die Armen ſich mit Buͤ- chern, darinn die heilige Schrift erklaͤret wird, nicht verſehen koͤnnen, ſondern nur froh ſind, wenn ſie die heilige Bibel ſelbſt haben. Die Wohlhabenden aber haben zu bedencken. α. Jhre groſſe Pflicht und ſchwere Verant- wortung, welche ſie, nach den vorher an- gezeigten Gruͤnden uͤber ſich haben. β. Den groſſen Fluch, welchen ſie bey ihrem Geitze und bey ihrer Liebloſigkeit uͤber ſich laden. Denn ſie verſaͤumen nicht allein ihr eignes Heyl, da die Liebe GOttes unmuͤg- lich bey ihnen ſtatt findet, und ſie alſo Kin- der des Zorns ſind und bleiben, ſondern ſie bringen auch einen Unſegen uͤber ihre Kin- der. Denn ſie verurſachen bey ihnen ent- entweder gleichen, ja noch mehrern Geitz, indem ſie das ererbte nicht allein bewahren, ſondern auch vermehren wollen, auch wirck- lich vermehren, aber den geiſtlichen und ewi- gen Unſegen damit uͤber ſich haͤufen: oder aber eine Verſchwendung, dabey ſie denn in Wohlluſt und Uppigkeit, theils auch im groſſen Stoltze das Heyl ihrer Seelen auf ewig verſaͤumen; und, wenn ſie vielweniger gehabt haͤtten, ſich beſſer gehalten haben wuͤrden. Nicht ſelten koͤmmt auch auf an- dere Art ein ſolches Verhaͤngniß GOttes dazu, daß durch Ungluͤcks-Faͤlle deſto eher wieder zerrinnet, was ſo uͤbel erworben war. Alles aber iſt uͤbel erworben, was man im Geitze und mit Liebloſigkeit gegen die Ar- men an ſich gebracht hat, wenn man es gleich vor Menſchen juſtiſſimo titulo, oder mit dem groͤſſeſten Anſehen des Rechts beſi- tzet. γ. Die Nichtigkeit der Ausfluͤchte, wel- che ſie von der Beſchaffenheit vieler Armen hernehmen: die ſchon vorher angefuͤhret ſind. δ. Das Blendwerck, womit ſie ſich ſelbſt betriegen, wenn ſie zwar geben, aber nicht nach der Wahrheit, und nach Proportion ihres Vermoͤgens, und nach der Noth der Duͤrftigen. ε. Das falſche Principium, welches ſie dar- innen haben, daß ſie ihre Intereſſen immer wieder zu Capitalien ſchlagen, ohne den Duͤrftigen davon einen freywilligen und reichlichen Zufluß zu goͤnnen. Von Uber- ſetzung im Wucher nicht zu ſagen; als wel- ches ein offenbares Stuͤck der Ungerechtig- keit iſt. 5. Jm uͤbrigen iſt bey dieſer gantzen Mate- V. 19. 20. Daran erkennen wir, daß wir aus Anmerckungen. 1. Der Apoſtel hatte vorher vom Anfange unſer T t t t 2
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Cap. 3. v. 17. 20. des erſten Briefes Johannis.
Krancken- auch Wittwen-Haͤuſer. O wie
ſehr waͤre es zu wuͤnſchen, daß auch eine hin-
laͤngliche Anſtalt fuͤr die Exulanten koͤnte
und moͤchte gemachet werden; nemlich eine
ſolche, darinnen ſie wohl gepruͤfet, und nach
ihrer geſunden Beſchaffenheit, unter ange-
wieſener Verrichtung und Arbeit ihren hin-
laͤnglichen Unterhalt fuͤnden!
b. Zur Ermahnung an die Reichen, oder
doch in einigem Vermoͤgen ſitzenden; als an
welche eine ſchriftliche Erinnerung nur eigent-
lich kan gelangen, da die Armen ſich mit Buͤ-
chern, darinn die heilige Schrift erklaͤret wird,
nicht verſehen koͤnnen, ſondern nur froh ſind,
wenn ſie die heilige Bibel ſelbſt haben. Die
Wohlhabenden aber haben zu bedencken.
α. Jhre groſſe Pflicht und ſchwere Verant-
wortung, welche ſie, nach den vorher an-
gezeigten Gruͤnden uͤber ſich haben.
β. Den groſſen Fluch, welchen ſie bey ihrem
Geitze und bey ihrer Liebloſigkeit uͤber ſich
laden. Denn ſie verſaͤumen nicht allein ihr
eignes Heyl, da die Liebe GOttes unmuͤg-
lich bey ihnen ſtatt findet, und ſie alſo Kin-
der des Zorns ſind und bleiben, ſondern ſie
bringen auch einen Unſegen uͤber ihre Kin-
der. Denn ſie verurſachen bey ihnen ent-
entweder gleichen, ja noch mehrern Geitz,
indem ſie das ererbte nicht allein bewahren,
ſondern auch vermehren wollen, auch wirck-
lich vermehren, aber den geiſtlichen und ewi-
gen Unſegen damit uͤber ſich haͤufen: oder
aber eine Verſchwendung, dabey ſie denn
in Wohlluſt und Uppigkeit, theils auch im
groſſen Stoltze das Heyl ihrer Seelen auf
ewig verſaͤumen; und, wenn ſie vielweniger
gehabt haͤtten, ſich beſſer gehalten haben
wuͤrden. Nicht ſelten koͤmmt auch auf an-
dere Art ein ſolches Verhaͤngniß GOttes
dazu, daß durch Ungluͤcks-Faͤlle deſto eher
wieder zerrinnet, was ſo uͤbel erworben war.
Alles aber iſt uͤbel erworben, was man
im Geitze und mit Liebloſigkeit gegen die Ar-
men an ſich gebracht hat, wenn man es gleich
vor Menſchen juſtiſſimo titulo, oder mit
dem groͤſſeſten Anſehen des Rechts beſi-
tzet.
γ. Die Nichtigkeit der Ausfluͤchte, wel-
che ſie von der Beſchaffenheit vieler Armen
hernehmen: die ſchon vorher angefuͤhret
ſind.
δ. Das Blendwerck, womit ſie ſich ſelbſt
betriegen, wenn ſie zwar geben, aber nicht
nach der Wahrheit, und nach Proportion
ihres Vermoͤgens, und nach der Noth der
Duͤrftigen.
ε. Das falſche Principium, welches ſie dar-
innen haben, daß ſie ihre Intereſſen immer
wieder zu Capitalien ſchlagen, ohne den
Duͤrftigen davon einen freywilligen und
reichlichen Zufluß zu goͤnnen. Von Uber-
ſetzung im Wucher nicht zu ſagen; als wel-
ches ein offenbares Stuͤck der Ungerechtig-
keit iſt.
5. Jm uͤbrigen iſt bey dieſer gantzen Mate-
rie wohl zu mercken, daß ſie ſich nicht in gewiſſe
Reguln faſſen und genau determiniren laſſe,
wer, was, wenn, wem, wo, und wie man
geben ſoll; ſondern da koͤmmt es an, nach dem
Verſtande, auf eine richtige Einſicht und auf
eine kluͤgliche, auch ordentliche Einrichtung aller
ſeiner Dinge; nach dem Willen auf die Ver-
leugnung unſer ſelbſt und der Welt mit allen ih-
ren Guͤtern, und auf die lautere Liebe gegen GOtt
und den Naͤchſten. Wo dieſe Principia ihre
Richtigkeit haben, da dirigiren ſie das gute Ge-
wiſſen in der gantzen Handlung der Gutthaͤtig-
keit, alſo daß ſie dem Menſchen ſelbſt zu einem
zwar freywilligen aber doch dabey dringenden
Geſetze, oder Triebe werden. Wo ſie aber nicht
zum Grunde liegen, noch Platz finden, da hel-
fen keine Regeln, noch Ermahnungen.
V. 19. 20.
Daran erkennen wir, daß wir aus
der Wahrheit ſind, und koͤnnen unſer Hertz
vor ihm ſtillen, daß, ſo uns unſer Hertz
verdammet, daß GOtt groͤſſer iſt, denn
unſer Hertz, und erkennet alle Dinge.
Anmerckungen.
1. Der Apoſtel hatte vorher vom Anfange
dieſes Capitels an, ja auch ſchon im erſten und
andern Capitel, von den wahren Kennzeichen
des Gnaden-Standes und der Kindſchaft GOt-
tes geredet; als woran, davon verſichert zu
ſeyn, glaͤubigen Kindern GOttes viel gelegen
iſt: und zwar ſoviel mehr, iemehr ſie oft durch
ungegruͤndeten Zweifel daruͤber angefochten
werden. Denn ſo gemein der Mißbrauch der
Gnade iſt bey den Welt-Kindern und Heuch-
lern; als die gewiß dafuͤr halten, daß ſie GOtt
gleichſam im Schoſſe ſitzen, und bey ihm um
Chriſti willen in Gnaden ſtehen, ob ſie ſich gleich
auſſer der Heyls-Ordnung befinden: ſo ſchwer
gehet es hingegen oft wahren Kindern GOttes
ein, wenn ſie ſich die Gnade GOttes in Chriſto
zueignen, und ſich fuͤr Kinder GOttes halten
ſollen: ſintemal ihnen das Gefuͤhl ihrer Armuth
am Geiſte, ihrer natuͤrlichen Unwuͤrdigkeit, und
ihres noch uͤbrigen Elendes entgegen ſtehet, und
ihnen alle Freudigkeit rauben will. Dazu bey
manchen auch noch gewiſſe Gattungen hoher
geiſtlicher Anfechtungen kommen, welche Pau-
lus mit feurigen Pfeilen, und mit einem Pfahl
im Fleiſch und mit des Satans Faͤuſten-Schlaͤ-
gen vergleichet. Eph. 6, 16. 2 Cor. 12, 7. Nach-
dem nun der Apoſtel v. 14. die wahre Bruder-
Liebe zum Kennzeichen deſſen, daß man aus dem
Tode ins Leben uͤbergegangen ſey, und alſo bey
GOtt in Gnaden ſtehe, geſetzet, und darauf deſ-
ſelben Kennzeichens mit mehrern gedacht, und
es mit dem Gegenſatze der Liebloſigkeit erlaͤutert
hat; ſo beziehet er ſich auf ſolches Kennzeichen,
und ſpricht: Daran (nemlich an der Liebe gegen
den Naͤchſten) erkennen wir, daß wir aus
der Wahrheit ſind (oder als ſolche, welche
aus dem Tode ins Leben gekommen ſind, und
alſo bey GOtt in Gnaden ſtehen) und koͤnnen
unſer
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