Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 4. v. 1-3.
[Spaltenumbruch] Einschärfung Petri, wieviel an der Lehre von
dem Leiden Christi, oder von seinem Hohenprie-
sterlichen Amte gelegen sey, und wie es zum
Grunde alles unsers Trosts und Schuldigkeit
liege.

2. Die Redens-Art, sich mit dem Sin-
ne Christi wapnen,
hat folgendes in sich:

a. Das Wort Sinn gehet auf das gantze Ge-
müthe, oder auf den Willen mit allen seinen
Neigungen und Affecten.
b. Christi Sinn war in seinem gantzen Mitt-
ler-Amte dahin gerichtet, daß er möchte und
wolte willigst für uns leiden, und uns dadurch
von der Sünden Schuld und Strafe befrey-
en, und zur würdigen Application in uns
der Sünden Herrschaft, als ein Werck des
Teufels, zerstören. 1 Joh. 3, 5. 8.
c. Diesen Sinn Christi sollen wir auch an uns
nehmen:
er wird auch damit wircklich ange-
nommen, wenn man, um der Frucht seines
verdienstlichen Leidens theilhaftig zu werden,
und zu bleiben, der Sünden Herrschaft durch
die Widergeburt nach c. 1, 3. 23. c. 2, 3. in sich
zerstören läßt, und sich des Creutzes Christi
dabey nicht schämet, sondern sich zu dem ge-
creutzigten Christo willigst und gern bekennet,
und darüber in der Gemeinschaft seines Creu-
tzes und um Christi willen allerley Leiden zu-
fügen lässet, und dabey in der lebendigen
Hoffnung des ewigen Lebens geduldig aus-
harret.
d. Die Annehmung dieses Sinnes ist also be-
schaffen, daß man sich damit recht wapnen
kan: das ist, wer Christi Sinn in der Gemein-
schaft der Leiden also annimmt, der hat dar-
an gleichsam eine rechte geistliche Rüstung,
damit er wider die Anläufe des Teufels und
der Welt gesichert ist. Denn wollen sie ihn
durch Androhung der Leiden zum Abfall von
dem lautern Dienste und Bekenntniß GOttes
bringen, so hat er solche schon überwunden
und sich zum Leiden fertig gemachet, sie auch
wol schon zum Theil überstanden, also daß er
darinnen geübet ist. Setzet man ihm mit Lo-
ckungen zu, daß er sich der Welt in ihrem sünd-
lichen Wesen gleich stellen soll, so streitet dieses
auch gegen den lautern Sinn Christi, als der
ihm nicht zuläßt, aus seiner Vestung, welche er
daran hat, also zu verfallen.
e. Wer den Sinn JEsu annimmt, der nimmt
JEsum selbst an: und daher sehen wir soviel
mehr, wie daß der Sinn Christi eine recht
bewapnende und bewahrende Kraft habe.
Was alhier Petrus von dem Sinne Christi
saget, spricht Paulus von Christo selbst, daß
man ihn anziehen solle und angezogen
habe.
Röm. 13, 14. Gal. 3, 27. und am er-
sten Orte gedencket er dabey der Waffen des
Lichts;
welches eben diejenigen sind, die
der Sinn Christi mit sich bringet. Wer aber
Christum angezogen hat, der kan mit Paulo
sagen: Jch vermag alles durch den,
der mich mächtig machet, CHristum.

Phil. 4, 13.

3. Nun aber fräget sich, wie denn der, der
[Spaltenumbruch] am Fleisch leidet, aufhöret von Sünden?
dieses geschiehet

a. Uberhaupt also, daß, wenn der Mensch mit
Kranckheiten, oder auch auf eine andere Art,
z. E. durch Bande, am Leibe angegriffen
wird, so entgehet er dadurch mancher Gele-
genheit und mancher Reitzung zur Sünde al-
so, daß, wo er sie vorher ausgeübet hat, er
davon ablassen muß. Und hat es vorlängst
die Erfahrung gelehret, daß bey manchen sol-
che Leiden am Fleische ein gesegnetes Mittel
zur Abziehung von der Welt geworden sind.
b. Jnsonderheit also, daß, da man um Christi
willen leidet, das ist, von der bösen Welt ge-
hasset und verfolget wird, damit die Gemein-
schaft des Sinnes und die Freundschaft mit
ihr, als aufgehoben, in der That selbst be-
zeuget wird; und daher ist man auch von ihren
Versuchungen, oder doch von ihrer Gleich-
stellung frey, und wird immer mehr davon
abgezogen.

4. Die eitlen Lüste der Welt, worin-
nen sich der verkehrte Wille der Welt-Kinder
hervor thut, und der Wille GOttes, stehen
gar nicht zusammen. Wer nach diesem leben
will, muß jenen absagen. Und da Petrus bey-
des, den Lüsten der Menschen absterben und
dem Willen GOttes leben, zusammen setzet,
so siehet man, daß es nicht genug sey, das böse
also zu unterlassen, daß einem niemand etwas
widriges nachsagen könne, sondern daß es zu
einer thätigen Ausübung des Willens GOttes
kommen müsse; als ohne welche die Unterlas-
sung des bösen nur ein blosses Natur-Werck ist,
dabey man im Hertzen ungeändert, und äusser-
lich ein übertünchtes Grab bleibet. Wer aber
dem Willen GOttes lebet, der lebet GOtt selbst
in Christo, wie Paulus: Gal. 2, 20. Siebe
auch Röm. 14, 7. 8. 2 Cor. 5, 15.

V. 3.

Denn es ist genug, daß wir die ver-
gangene Zeit des Lebens zugebracht ha-
ben nach heidnischem Willen, da wir wan-
delten in Unzucht, Lüsten, Trunckenheit,
Fresserey,
(komois, üppigen Gelagen, dabey
ein liederliches Spielen und Tantzen getrieben
wurde,) Säufferey und greulichen Abgöt-
tereyen.

Anmerckungen.

1. Es haben unterschiedliche alte Codices
mit dem interprete Syro für emin~ das prono-
men
umin~: welches sich auch viel besser zum Tex-
te schicket, daß man nicht sagen dürfe, Petrus
habe also per communicationem, wir, von
solchen Lastern geredet: da es denn heißt: Es
ist genug, daß ihr
u. s. w. Und dieses brin-
get auch der vorhergehende und nachfolgende
Context also mit sich: als darinn das prono-
men secundae personae
umei~s umon, ihr euch,
v. 1. 4. vorkömmt.

2. Da ohne das kein Zweifel daran seyn
kan, daß nicht unter den aus den Juden zu Chri-
sto bekehrten Gemeinen, an welche dieser Brief

ge-

Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 1-3.
[Spaltenumbruch] Einſchaͤrfung Petri, wieviel an der Lehre von
dem Leiden Chriſti, oder von ſeinem Hohenprie-
ſterlichen Amte gelegen ſey, und wie es zum
Grunde alles unſers Troſts und Schuldigkeit
liege.

2. Die Redens-Art, ſich mit dem Sin-
ne Chriſti wapnen,
hat folgendes in ſich:

a. Das Wort Sinn gehet auf das gantze Ge-
muͤthe, oder auf den Willen mit allen ſeinen
Neigungen und Affecten.
b. Chriſti Sinn war in ſeinem gantzen Mitt-
ler-Amte dahin gerichtet, daß er moͤchte und
wolte willigſt fuͤr uns leiden, und uns dadurch
von der Suͤnden Schuld und Strafe befrey-
en, und zur wuͤrdigen Application in uns
der Suͤnden Herrſchaft, als ein Werck des
Teufels, zerſtoͤren. 1 Joh. 3, 5. 8.
c. Dieſen Sinn Chriſti ſollen wir auch an uns
nehmen:
er wird auch damit wircklich ange-
nommen, wenn man, um der Frucht ſeines
verdienſtlichen Leidens theilhaftig zu werden,
und zu bleiben, der Suͤnden Herrſchaft durch
die Widergeburt nach c. 1, 3. 23. c. 2, 3. in ſich
zerſtoͤren laͤßt, und ſich des Creutzes Chriſti
dabey nicht ſchaͤmet, ſondern ſich zu dem ge-
creutzigten Chriſto willigſt und gern bekennet,
und daruͤber in der Gemeinſchaft ſeines Creu-
tzes und um Chriſti willen allerley Leiden zu-
fuͤgen laͤſſet, und dabey in der lebendigen
Hoffnung des ewigen Lebens geduldig aus-
harret.
d. Die Annehmung dieſes Sinnes iſt alſo be-
ſchaffen, daß man ſich damit recht wapnen
kan: das iſt, wer Chriſti Sinn in der Gemein-
ſchaft der Leiden alſo annimmt, der hat dar-
an gleichſam eine rechte geiſtliche Ruͤſtung,
damit er wider die Anlaͤufe des Teufels und
der Welt geſichert iſt. Denn wollen ſie ihn
durch Androhung der Leiden zum Abfall von
dem lautern Dienſte und Bekenntniß GOttes
bringen, ſo hat er ſolche ſchon uͤberwunden
und ſich zum Leiden fertig gemachet, ſie auch
wol ſchon zum Theil uͤberſtanden, alſo daß er
darinnen geuͤbet iſt. Setzet man ihm mit Lo-
ckungen zu, daß er ſich der Welt in ihrem ſuͤnd-
lichen Weſen gleich ſtellen ſoll, ſo ſtreitet dieſes
auch gegen den lautern Sinn Chriſti, als der
ihm nicht zulaͤßt, aus ſeiner Veſtung, welche er
daran hat, alſo zu verfallen.
e. Wer den Sinn JEſu annimmt, der nimmt
JEſum ſelbſt an: und daher ſehen wir ſoviel
mehr, wie daß der Sinn Chriſti eine recht
bewapnende und bewahrende Kraft habe.
Was alhier Petrus von dem Sinne Chriſti
ſaget, ſpricht Paulus von Chriſto ſelbſt, daß
man ihn anziehen ſolle und angezogen
habe.
Roͤm. 13, 14. Gal. 3, 27. und am er-
ſten Orte gedencket er dabey der Waffen des
Lichts;
welches eben diejenigen ſind, die
der Sinn Chriſti mit ſich bringet. Wer aber
Chriſtum angezogen hat, der kan mit Paulo
ſagen: Jch vermag alles durch den,
der mich maͤchtig machet, CHriſtum.

Phil. 4, 13.

3. Nun aber fraͤget ſich, wie denn der, der
[Spaltenumbruch] am Fleiſch leidet, aufhoͤret von Suͤnden?
dieſes geſchiehet

a. Uberhaupt alſo, daß, wenn der Menſch mit
Kranckheiten, oder auch auf eine andere Art,
z. E. durch Bande, am Leibe angegriffen
wird, ſo entgehet er dadurch mancher Gele-
genheit und mancher Reitzung zur Suͤnde al-
ſo, daß, wo er ſie vorher ausgeuͤbet hat, er
davon ablaſſen muß. Und hat es vorlaͤngſt
die Erfahrung gelehret, daß bey manchen ſol-
che Leiden am Fleiſche ein geſegnetes Mittel
zur Abziehung von der Welt geworden ſind.
b. Jnſonderheit alſo, daß, da man um Chriſti
willen leidet, das iſt, von der boͤſen Welt ge-
haſſet und verfolget wird, damit die Gemein-
ſchaft des Sinnes und die Freundſchaft mit
ihr, als aufgehoben, in der That ſelbſt be-
zeuget wird; und daher iſt man auch von ihren
Verſuchungen, oder doch von ihrer Gleich-
ſtellung frey, und wird immer mehr davon
abgezogen.

4. Die eitlen Luͤſte der Welt, worin-
nen ſich der verkehrte Wille der Welt-Kinder
hervor thut, und der Wille GOttes, ſtehen
gar nicht zuſammen. Wer nach dieſem leben
will, muß jenen abſagen. Und da Petrus bey-
des, den Luͤſten der Menſchen abſterben und
dem Willen GOttes leben, zuſammen ſetzet,
ſo ſiehet man, daß es nicht genug ſey, das boͤſe
alſo zu unterlaſſen, daß einem niemand etwas
widriges nachſagen koͤnne, ſondern daß es zu
einer thaͤtigen Ausuͤbung des Willens GOttes
kommen muͤſſe; als ohne welche die Unterlaſ-
ſung des boͤſen nur ein bloſſes Natur-Werck iſt,
dabey man im Hertzen ungeaͤndert, und aͤuſſer-
lich ein uͤbertuͤnchtes Grab bleibet. Wer aber
dem Willen GOttes lebet, der lebet GOtt ſelbſt
in Chriſto, wie Paulus: Gal. 2, 20. Siebe
auch Roͤm. 14, 7. 8. 2 Cor. 5, 15.

V. 3.

Denn es iſt genug, daß wir die ver-
gangene Zeit des Lebens zugebracht ha-
ben nach heidniſchem Willen, da wir wan-
delten in Unzucht, Luͤſten, Trunckenheit,
Freſſerey,
(κώμοις, uͤppigen Gelagen, dabey
ein liederliches Spielen und Tantzen getrieben
wurde,) Saͤufferey und greulichen Abgoͤt-
tereyen.

Anmerckungen.

1. Es haben unterſchiedliche alte Codices
mit dem interprete Syro fuͤr ἧμιν῀ das prono-
men
ὑμιν῀: welches ſich auch viel beſſer zum Tex-
te ſchicket, daß man nicht ſagen duͤrfe, Petrus
habe alſo per communicationem, wir, von
ſolchen Laſtern geredet: da es denn heißt: Es
iſt genug, daß ihr
u. ſ. w. Und dieſes brin-
get auch der vorhergehende und nachfolgende
Context alſo mit ſich: als darinn das prono-
men ſecundæ perſonæ
ὑμει῀ς ὑμῶν, ihr euch,
v. 1. 4. vorkoͤmmt.

2. Da ohne das kein Zweifel daran ſeyn
kan, daß nicht unter den aus den Juden zu Chri-
ſto bekehrten Gemeinen, an welche dieſer Brief

ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0564" n="562"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Richtige und erbauliche Erkla&#x0364;rung Cap. 4. v. 1-3.</hi></fw><lb/><cb/>
Ein&#x017F;cha&#x0364;rfung Petri, wieviel an der Lehre von<lb/>
dem Leiden Chri&#x017F;ti, oder von &#x017F;einem Hohenprie-<lb/>
&#x017F;terlichen Amte gelegen &#x017F;ey, und wie es zum<lb/>
Grunde alles un&#x017F;ers Tro&#x017F;ts und Schuldigkeit<lb/>
liege.</p><lb/>
              <p>2. Die Redens-Art, <hi rendition="#fr">&#x017F;ich mit dem Sin-<lb/>
ne Chri&#x017F;ti wapnen,</hi> hat folgendes in &#x017F;ich:</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Das Wort <hi rendition="#fr">Sinn</hi> gehet auf das gantze Ge-<lb/>
mu&#x0364;the, oder auf den <hi rendition="#fr">Willen</hi> mit allen &#x017F;einen<lb/>
Neigungen und <hi rendition="#aq">Affect</hi>en.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi><hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ti Sinn</hi> war in &#x017F;einem gantzen Mitt-<lb/>
ler-Amte dahin gerichtet, daß er mo&#x0364;chte und<lb/>
wolte willig&#x017F;t fu&#x0364;r uns leiden, und uns dadurch<lb/>
von der Su&#x0364;nden Schuld und Strafe befrey-<lb/>
en, und zur wu&#x0364;rdigen <hi rendition="#aq">Application</hi> in uns<lb/>
der Su&#x0364;nden Herr&#x017F;chaft, als ein Werck des<lb/>
Teufels, zer&#x017F;to&#x0364;ren. 1 Joh. 3, 5. 8.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Die&#x017F;en Sinn Chri&#x017F;ti &#x017F;ollen wir auch <hi rendition="#fr">an uns<lb/>
nehmen:</hi> er wird auch damit wircklich ange-<lb/>
nommen, wenn man, um der Frucht &#x017F;eines<lb/>
verdien&#x017F;tlichen Leidens theilhaftig zu werden,<lb/>
und zu bleiben, der Su&#x0364;nden Herr&#x017F;chaft durch<lb/>
die Widergeburt nach c. 1, 3. 23. c. 2, 3. in &#x017F;ich<lb/>
zer&#x017F;to&#x0364;ren la&#x0364;ßt, und &#x017F;ich des Creutzes Chri&#x017F;ti<lb/>
dabey nicht &#x017F;cha&#x0364;met, &#x017F;ondern &#x017F;ich zu dem ge-<lb/>
creutzigten Chri&#x017F;to willig&#x017F;t und gern bekennet,<lb/>
und daru&#x0364;ber in der Gemein&#x017F;chaft &#x017F;eines Creu-<lb/>
tzes und um Chri&#x017F;ti willen allerley Leiden zu-<lb/>
fu&#x0364;gen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, und dabey in der lebendigen<lb/>
Hoffnung des ewigen Lebens geduldig aus-<lb/>
harret.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Die Annehmung die&#x017F;es Sinnes i&#x017F;t al&#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;chaffen, daß man &#x017F;ich damit recht <hi rendition="#fr">wapnen</hi><lb/>
kan: das i&#x017F;t, wer Chri&#x017F;ti Sinn in der Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft der Leiden al&#x017F;o annimmt, der hat dar-<lb/>
an gleich&#x017F;am eine rechte gei&#x017F;tliche Ru&#x0364;&#x017F;tung,<lb/>
damit er wider die Anla&#x0364;ufe des Teufels und<lb/>
der Welt ge&#x017F;ichert i&#x017F;t. Denn wollen &#x017F;ie ihn<lb/>
durch Androhung der Leiden zum Abfall von<lb/>
dem lautern Dien&#x017F;te und Bekenntniß GOttes<lb/>
bringen, &#x017F;o hat er &#x017F;olche &#x017F;chon u&#x0364;berwunden<lb/>
und &#x017F;ich zum Leiden fertig gemachet, &#x017F;ie auch<lb/>
wol &#x017F;chon zum Theil u&#x0364;ber&#x017F;tanden, al&#x017F;o daß er<lb/>
darinnen geu&#x0364;bet i&#x017F;t. Setzet man ihm mit Lo-<lb/>
ckungen zu, daß er &#x017F;ich der Welt in ihrem &#x017F;u&#x0364;nd-<lb/>
lichen We&#x017F;en gleich &#x017F;tellen &#x017F;oll, &#x017F;o &#x017F;treitet die&#x017F;es<lb/>
auch gegen den lautern Sinn Chri&#x017F;ti, als der<lb/>
ihm nicht zula&#x0364;ßt, aus &#x017F;einer Ve&#x017F;tung, welche er<lb/>
daran hat, al&#x017F;o zu verfallen.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">e.</hi> Wer den Sinn JE&#x017F;u annimmt, der nimmt<lb/>
JE&#x017F;um &#x017F;elb&#x017F;t an: und daher &#x017F;ehen wir &#x017F;oviel<lb/>
mehr, wie daß der Sinn Chri&#x017F;ti eine recht<lb/>
bewapnende und bewahrende Kraft habe.<lb/>
Was alhier Petrus von dem Sinne Chri&#x017F;ti<lb/>
&#x017F;aget, &#x017F;pricht Paulus von Chri&#x017F;to &#x017F;elb&#x017F;t, daß<lb/>
man ihn <hi rendition="#fr">anziehen &#x017F;olle</hi> und <hi rendition="#fr">angezogen<lb/>
habe.</hi> Ro&#x0364;m. 13, 14. Gal. 3, 27. und am er-<lb/>
&#x017F;ten Orte gedencket er dabey <hi rendition="#fr">der Waffen des<lb/>
Lichts;</hi> welches eben diejenigen &#x017F;ind, die<lb/>
der Sinn Chri&#x017F;ti mit &#x017F;ich bringet. Wer aber<lb/>
Chri&#x017F;tum angezogen hat, der kan mit Paulo<lb/>
&#x017F;agen: <hi rendition="#fr">Jch vermag alles durch den,<lb/>
der mich ma&#x0364;chtig machet, CHri&#x017F;tum.</hi><lb/>
Phil. 4, 13.</item>
              </list><lb/>
              <p>3. Nun aber fra&#x0364;get &#x017F;ich, wie denn der, der<lb/><cb/>
am Flei&#x017F;ch leidet, <hi rendition="#fr">aufho&#x0364;ret von Su&#x0364;nden?</hi><lb/>
die&#x017F;es ge&#x017F;chiehet</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Uberhaupt al&#x017F;o, daß, wenn der Men&#x017F;ch mit<lb/>
Kranckheiten, oder auch auf eine andere Art,<lb/>
z. E. durch Bande, am Leibe angegriffen<lb/>
wird, &#x017F;o entgehet er dadurch mancher Gele-<lb/>
genheit und mancher Reitzung zur Su&#x0364;nde al-<lb/>
&#x017F;o, daß, wo er &#x017F;ie vorher ausgeu&#x0364;bet hat, er<lb/>
davon abla&#x017F;&#x017F;en muß. Und hat es vorla&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
die Erfahrung gelehret, daß bey manchen &#x017F;ol-<lb/>
che Leiden am Flei&#x017F;che ein ge&#x017F;egnetes Mittel<lb/>
zur Abziehung von der Welt geworden &#x017F;ind.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Jn&#x017F;onderheit al&#x017F;o, daß, da man um Chri&#x017F;ti<lb/>
willen leidet, das i&#x017F;t, von der bo&#x0364;&#x017F;en Welt ge-<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;et und verfolget wird, damit die Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft des Sinnes und die Freund&#x017F;chaft mit<lb/>
ihr, als aufgehoben, in der That &#x017F;elb&#x017F;t be-<lb/>
zeuget wird; und daher i&#x017F;t man auch von ihren<lb/>
Ver&#x017F;uchungen, oder doch von ihrer Gleich-<lb/>
&#x017F;tellung frey, und wird immer mehr davon<lb/>
abgezogen.</item>
              </list><lb/>
              <p>4. Die <hi rendition="#fr">eitlen Lu&#x0364;&#x017F;te</hi> der Welt, worin-<lb/>
nen &#x017F;ich der verkehrte Wille der Welt-Kinder<lb/>
hervor thut, und <hi rendition="#fr">der Wille GOttes,</hi> &#x017F;tehen<lb/>
gar nicht zu&#x017F;ammen. Wer nach die&#x017F;em leben<lb/>
will, muß jenen ab&#x017F;agen. Und da Petrus bey-<lb/>
des, den Lu&#x0364;&#x017F;ten der Men&#x017F;chen ab&#x017F;terben und<lb/>
dem Willen GOttes leben, zu&#x017F;ammen &#x017F;etzet,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;iehet man, daß es nicht genug &#x017F;ey, das bo&#x0364;&#x017F;e<lb/>
al&#x017F;o zu unterla&#x017F;&#x017F;en, daß einem niemand etwas<lb/>
widriges nach&#x017F;agen ko&#x0364;nne, &#x017F;ondern daß es zu<lb/>
einer tha&#x0364;tigen Ausu&#x0364;bung des Willens GOttes<lb/>
kommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; als ohne welche die Unterla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung des bo&#x0364;&#x017F;en nur ein blo&#x017F;&#x017F;es Natur-Werck i&#x017F;t,<lb/>
dabey man im Hertzen ungea&#x0364;ndert, und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
lich ein u&#x0364;bertu&#x0364;nchtes Grab bleibet. Wer aber<lb/>
dem Willen GOttes lebet, der lebet GOtt &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
in Chri&#x017F;to, wie Paulus: Gal. 2, 20. Siebe<lb/>
auch Ro&#x0364;m. 14, 7. 8. 2 Cor. 5, 15.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 3.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Denn es i&#x017F;t genug, daß wir die ver-<lb/>
gangene Zeit des Lebens zugebracht ha-<lb/>
ben nach heidni&#x017F;chem Willen, da wir wan-<lb/>
delten in Unzucht, Lu&#x0364;&#x017F;ten, Trunckenheit,<lb/>
Fre&#x017F;&#x017F;erey,</hi> (&#x03BA;&#x03CE;&#x03BC;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2;, u&#x0364;ppigen Gelagen, dabey<lb/>
ein liederliches Spielen und Tantzen getrieben<lb/>
wurde,) <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ufferey und greulichen Abgo&#x0364;t-<lb/>
tereyen.</hi></p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Es haben unter&#x017F;chiedliche alte <hi rendition="#aq">Codices</hi><lb/>
mit dem <hi rendition="#aq">interprete Syro</hi> fu&#x0364;r &#x1F27;&#x03BC;&#x03B9;&#x03BD;&#x1FC0; das <hi rendition="#aq">prono-<lb/>
men</hi> &#x1F51;&#x03BC;&#x03B9;&#x03BD;&#x1FC0;: welches &#x017F;ich auch viel be&#x017F;&#x017F;er zum Tex-<lb/>
te &#x017F;chicket, daß man nicht &#x017F;agen du&#x0364;rfe, Petrus<lb/>
habe al&#x017F;o <hi rendition="#aq">per communicationem,</hi> <hi rendition="#fr">wir,</hi> von<lb/>
&#x017F;olchen La&#x017F;tern geredet: da es denn heißt: <hi rendition="#fr">Es<lb/>
i&#x017F;t genug, daß ihr</hi> u. &#x017F;. w. Und die&#x017F;es brin-<lb/>
get auch der vorhergehende und nachfolgende<lb/>
Context al&#x017F;o mit &#x017F;ich: als darinn das <hi rendition="#aq">prono-<lb/>
men &#x017F;ecundæ per&#x017F;onæ</hi> &#x1F51;&#x03BC;&#x03B5;&#x03B9;&#x1FC0;&#x03C2; &#x1F51;&#x03BC;&#x1FF6;&#x03BD;, <hi rendition="#fr">ihr euch,</hi><lb/>
v. 1. 4. vorko&#x0364;mmt.</p><lb/>
              <p>2. Da ohne das kein Zweifel daran &#x017F;eyn<lb/>
kan, daß nicht unter den aus den Juden zu Chri-<lb/>
&#x017F;to bekehrten Gemeinen, an welche die&#x017F;er Brief<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0564] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 1-3. Einſchaͤrfung Petri, wieviel an der Lehre von dem Leiden Chriſti, oder von ſeinem Hohenprie- ſterlichen Amte gelegen ſey, und wie es zum Grunde alles unſers Troſts und Schuldigkeit liege. 2. Die Redens-Art, ſich mit dem Sin- ne Chriſti wapnen, hat folgendes in ſich: a. Das Wort Sinn gehet auf das gantze Ge- muͤthe, oder auf den Willen mit allen ſeinen Neigungen und Affecten. b. Chriſti Sinn war in ſeinem gantzen Mitt- ler-Amte dahin gerichtet, daß er moͤchte und wolte willigſt fuͤr uns leiden, und uns dadurch von der Suͤnden Schuld und Strafe befrey- en, und zur wuͤrdigen Application in uns der Suͤnden Herrſchaft, als ein Werck des Teufels, zerſtoͤren. 1 Joh. 3, 5. 8. c. Dieſen Sinn Chriſti ſollen wir auch an uns nehmen: er wird auch damit wircklich ange- nommen, wenn man, um der Frucht ſeines verdienſtlichen Leidens theilhaftig zu werden, und zu bleiben, der Suͤnden Herrſchaft durch die Widergeburt nach c. 1, 3. 23. c. 2, 3. in ſich zerſtoͤren laͤßt, und ſich des Creutzes Chriſti dabey nicht ſchaͤmet, ſondern ſich zu dem ge- creutzigten Chriſto willigſt und gern bekennet, und daruͤber in der Gemeinſchaft ſeines Creu- tzes und um Chriſti willen allerley Leiden zu- fuͤgen laͤſſet, und dabey in der lebendigen Hoffnung des ewigen Lebens geduldig aus- harret. d. Die Annehmung dieſes Sinnes iſt alſo be- ſchaffen, daß man ſich damit recht wapnen kan: das iſt, wer Chriſti Sinn in der Gemein- ſchaft der Leiden alſo annimmt, der hat dar- an gleichſam eine rechte geiſtliche Ruͤſtung, damit er wider die Anlaͤufe des Teufels und der Welt geſichert iſt. Denn wollen ſie ihn durch Androhung der Leiden zum Abfall von dem lautern Dienſte und Bekenntniß GOttes bringen, ſo hat er ſolche ſchon uͤberwunden und ſich zum Leiden fertig gemachet, ſie auch wol ſchon zum Theil uͤberſtanden, alſo daß er darinnen geuͤbet iſt. Setzet man ihm mit Lo- ckungen zu, daß er ſich der Welt in ihrem ſuͤnd- lichen Weſen gleich ſtellen ſoll, ſo ſtreitet dieſes auch gegen den lautern Sinn Chriſti, als der ihm nicht zulaͤßt, aus ſeiner Veſtung, welche er daran hat, alſo zu verfallen. e. Wer den Sinn JEſu annimmt, der nimmt JEſum ſelbſt an: und daher ſehen wir ſoviel mehr, wie daß der Sinn Chriſti eine recht bewapnende und bewahrende Kraft habe. Was alhier Petrus von dem Sinne Chriſti ſaget, ſpricht Paulus von Chriſto ſelbſt, daß man ihn anziehen ſolle und angezogen habe. Roͤm. 13, 14. Gal. 3, 27. und am er- ſten Orte gedencket er dabey der Waffen des Lichts; welches eben diejenigen ſind, die der Sinn Chriſti mit ſich bringet. Wer aber Chriſtum angezogen hat, der kan mit Paulo ſagen: Jch vermag alles durch den, der mich maͤchtig machet, CHriſtum. Phil. 4, 13. 3. Nun aber fraͤget ſich, wie denn der, der am Fleiſch leidet, aufhoͤret von Suͤnden? dieſes geſchiehet a. Uberhaupt alſo, daß, wenn der Menſch mit Kranckheiten, oder auch auf eine andere Art, z. E. durch Bande, am Leibe angegriffen wird, ſo entgehet er dadurch mancher Gele- genheit und mancher Reitzung zur Suͤnde al- ſo, daß, wo er ſie vorher ausgeuͤbet hat, er davon ablaſſen muß. Und hat es vorlaͤngſt die Erfahrung gelehret, daß bey manchen ſol- che Leiden am Fleiſche ein geſegnetes Mittel zur Abziehung von der Welt geworden ſind. b. Jnſonderheit alſo, daß, da man um Chriſti willen leidet, das iſt, von der boͤſen Welt ge- haſſet und verfolget wird, damit die Gemein- ſchaft des Sinnes und die Freundſchaft mit ihr, als aufgehoben, in der That ſelbſt be- zeuget wird; und daher iſt man auch von ihren Verſuchungen, oder doch von ihrer Gleich- ſtellung frey, und wird immer mehr davon abgezogen. 4. Die eitlen Luͤſte der Welt, worin- nen ſich der verkehrte Wille der Welt-Kinder hervor thut, und der Wille GOttes, ſtehen gar nicht zuſammen. Wer nach dieſem leben will, muß jenen abſagen. Und da Petrus bey- des, den Luͤſten der Menſchen abſterben und dem Willen GOttes leben, zuſammen ſetzet, ſo ſiehet man, daß es nicht genug ſey, das boͤſe alſo zu unterlaſſen, daß einem niemand etwas widriges nachſagen koͤnne, ſondern daß es zu einer thaͤtigen Ausuͤbung des Willens GOttes kommen muͤſſe; als ohne welche die Unterlaſ- ſung des boͤſen nur ein bloſſes Natur-Werck iſt, dabey man im Hertzen ungeaͤndert, und aͤuſſer- lich ein uͤbertuͤnchtes Grab bleibet. Wer aber dem Willen GOttes lebet, der lebet GOtt ſelbſt in Chriſto, wie Paulus: Gal. 2, 20. Siebe auch Roͤm. 14, 7. 8. 2 Cor. 5, 15. V. 3. Denn es iſt genug, daß wir die ver- gangene Zeit des Lebens zugebracht ha- ben nach heidniſchem Willen, da wir wan- delten in Unzucht, Luͤſten, Trunckenheit, Freſſerey, (κώμοις, uͤppigen Gelagen, dabey ein liederliches Spielen und Tantzen getrieben wurde,) Saͤufferey und greulichen Abgoͤt- tereyen. Anmerckungen. 1. Es haben unterſchiedliche alte Codices mit dem interprete Syro fuͤr ἧμιν῀ das prono- men ὑμιν῀: welches ſich auch viel beſſer zum Tex- te ſchicket, daß man nicht ſagen duͤrfe, Petrus habe alſo per communicationem, wir, von ſolchen Laſtern geredet: da es denn heißt: Es iſt genug, daß ihr u. ſ. w. Und dieſes brin- get auch der vorhergehende und nachfolgende Context alſo mit ſich: als darinn das prono- men ſecundæ perſonæ ὑμει῀ς ὑμῶν, ihr euch, v. 1. 4. vorkoͤmmt. 2. Da ohne das kein Zweifel daran ſeyn kan, daß nicht unter den aus den Juden zu Chri- ſto bekehrten Gemeinen, an welche dieſer Brief ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/564
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/564>, abgerufen am 26.06.2024.